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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0103
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Ovids poetische Menschenwelt

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ren der Ars beruhen auf der Prämisse, daß auch Liebe, auch der Gott
Amor, rational-technisch lenkbar und verfügbar seien.13
Im Dreischritt dieser Erzählungen scheint Cupidos Macht zu wach-
sen, seine Initiative und Aktivität abzunehmen, während Venus stärker
in den Vordergrund tritt. Doch auch an ihr nehmen wir eine thematische
Veränderung wahr: Machtgier in Buch 5, Passivität und Leiden in Buch
10, Ohnmacht gegenüber dem Tod des Geliebten. Dem Dreischritt des
Triumphs der Liebe gesellt sich das Todesmotiv zu: der Herr der Toten-
welt liebt; der Liebling der Venus, Adonis, stirbt.
§ 22 Liebesgeschichten Apollos: von der ersten zur letzten Liebe
„Primus amor Phoebi. . .“ (met. 1,452) erweckt die Erwartung, daß
nun eine Reihe von Liebesgeschichten Apollos erzählt werde. Diese Er-
wartung wird enttäuscht; auf Daphnes Metamorphose folgen andere
Geschichten. Immerhin darf der Leser voraussetzen, daß es noch wei-
tere Liebesgeschichten Apollos in den Metamorphosen geben wird, und
er darf auch nach der zuletzt erzählten Geschichte dieses Themas Aus-
schau halten.
Die letzte Liebesgeschichte Apollos steht met. 14,129-153. Sie wird
dem Aeneas von der siebenhundert Jahre alten Sibylle von Cumae er-
zählt. Sie selbst, die Sibylle, war von Apollo begehrt worden, wenn es
auch jetzt, angesichts ihrer Veränderung (met. 14,152) durch Alters-
schrumpfung kaum mehr glaublich scheine, daß sie geliebt worden sei
und einem Gott gefallen habe (met. 14,149f.). Die Sibylle hatte der
Liebe des Phoebus und gar der versprochenen ewigen Jugend ihre Jung-
fräulichkeit vorgezogen (v. 133 und 140ff.).
Die erste und die letzte Liebe des Phoebus Apollo in den Metamor-
phosen sind analog: jungfräuliche Verweigerung gegenüber dem begeh-
renden Gott. Und beide Mädchen bleiben - da ist keine Gewalt14 und
auch kein Zorn Apollos - in seinem Kultbereich: als Ehrenschmuck der
Lorbeer, als apollinisches Orakel die cumaeische Sibylle. Und doch
welch ein Unterschied! Der Mädchenhaftigkeit der dianagleichen
Daphne, dem erotischen Zauber, den noch der Lorbeer in seiner mäd-
13 Vgl. dazu auch Holzberg (1988), Einführung in Metamorphosen, S. 728, der die „irratio-
nale, zerstörerische Macht“ Amors in den Metamorphosen überhaupt der Ars und ihrer
Zähmung und Erziehung Amors zur ratio gegenüberstellt.
14 Vgl. auch u. S. 108 zum Ende sexueller Gewalt in den Metamorphosen.
 
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