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Ernst A. Schmidt
Jupiter, mit der großen Flut, einer allgemeinen Strafe für Bosheit und
Verbrechen der Menschheit {met. 1,240-243). Doch nicht in dieses
Thema, sondern in das der Götterliebe geht die Exposition über4, in die
mit Ausnahme der langen Phaethonerzählung ununterbrochene Folge
solcher Liebesgeschichten von met. 1,452: „Primus amor Phoebi. . .“ bis
met. 2,632 (Ende der Erzählung von Apollo und Coronis). Der Schluß
von Buch 2 enthält nochmals zwei Geschichten dieses Themas: Merkur
und Herse {met. 2,708-832) und Jupiter und Europa {met. 2,833-3,2).
Dann ist die nächste Liebeserzählung die von Jupiter und Semele {met.
3,256-315). Danach folgen Liebesgeschichten zwischen Göttern und
Sterblichen in immer weiter und dünner werdender Streuung. Der An-
fang der Sektion „The Avenging Gods“ von Otis, met. 3,1, fällt eben in
die Zone, in der die Dominanz des Liebesthemas schwächer wird. Aber
nicht nur der Anfang von Otis’ neuer Sektion und das Liebesthema (Ju-
piter und Semele in met. 3) verschränken sich - nämlich indem der Se-
melegeschichte die furchtbare Bestrafung von Actaeon vorausgeht
{met. 3,138-252)-, sondern bereits zuvor steht die Geschichte von der
Bestrafung des Battus durch Merkur {met. 2,680-707) zwischen Liebes-
geschichten (Apollo und Coronis; Merkur und Herse): also auch hier
eine Verzahnung.
Schauen wir uns aber diese .Liebesgeschichten' etwas näher an! Die
von dem Raben dem Apollo angezeigte Untreue seiner Geliebten Coro-
nis wird von diesem mit unausweichlichem Pfeilschuß bestraft {met.
2,608 und 612: „poena“). Doch gleicht reut den Gott die Strafe, und er
haßt und bestraft den Denunzianten, indem der bisher weiße Rabe
schwarz wird. Demnach ist diese ,Liebesgeschichte‘ zugleich eine dop-
pelte Bestrafungsgeschichte - vielmehr eine dreifache: Denn unlösbar
mit ihr verbunden ist die Rettung des Apollokindes aus dem Leib der
Getöteten und die Prophezeiung von dessen Zukunft durch die Tochter
Ocyrhoe des Kentauren Chiron; diese wird zur Strafe für diese Enthül-
lung in eine Stute verwandelt. - Zugleich ist diese Erzählung die Keim-
form eines späteren Dominanzthemas: der Heilgott Apollo vermag die
von ihm getötete Coronis nicht wieder ins Leben zu rufen {met. 2,618:
„medicas exercet inaniter artes‘). Der Sohn Apollos und der Coronis
4 Die Erlegung des Monstrums Python durch Apollo ist wohl weniger eine Analogie zur
Niederschlagung des Gigantenaufruhrs als ein Pendant zur Überwindung der Pest durch
den Apollosohn Aesculapius in met. 15, d. h. nicht so sehr als Überwältigung einer wider-
göttlichen Gewalt, vielmehr als Rettung der Menschheit durch Sieg über einen Schrek-
ken, eine Geißel (vgl. met. l,439f.) akzentuiert. Vgl. Holzberg (1988), Einführung in
Metamorphosen, S. 719: „Drachentöter“ „im Dienste der Menschheit“.
Ernst A. Schmidt
Jupiter, mit der großen Flut, einer allgemeinen Strafe für Bosheit und
Verbrechen der Menschheit {met. 1,240-243). Doch nicht in dieses
Thema, sondern in das der Götterliebe geht die Exposition über4, in die
mit Ausnahme der langen Phaethonerzählung ununterbrochene Folge
solcher Liebesgeschichten von met. 1,452: „Primus amor Phoebi. . .“ bis
met. 2,632 (Ende der Erzählung von Apollo und Coronis). Der Schluß
von Buch 2 enthält nochmals zwei Geschichten dieses Themas: Merkur
und Herse {met. 2,708-832) und Jupiter und Europa {met. 2,833-3,2).
Dann ist die nächste Liebeserzählung die von Jupiter und Semele {met.
3,256-315). Danach folgen Liebesgeschichten zwischen Göttern und
Sterblichen in immer weiter und dünner werdender Streuung. Der An-
fang der Sektion „The Avenging Gods“ von Otis, met. 3,1, fällt eben in
die Zone, in der die Dominanz des Liebesthemas schwächer wird. Aber
nicht nur der Anfang von Otis’ neuer Sektion und das Liebesthema (Ju-
piter und Semele in met. 3) verschränken sich - nämlich indem der Se-
melegeschichte die furchtbare Bestrafung von Actaeon vorausgeht
{met. 3,138-252)-, sondern bereits zuvor steht die Geschichte von der
Bestrafung des Battus durch Merkur {met. 2,680-707) zwischen Liebes-
geschichten (Apollo und Coronis; Merkur und Herse): also auch hier
eine Verzahnung.
Schauen wir uns aber diese .Liebesgeschichten' etwas näher an! Die
von dem Raben dem Apollo angezeigte Untreue seiner Geliebten Coro-
nis wird von diesem mit unausweichlichem Pfeilschuß bestraft {met.
2,608 und 612: „poena“). Doch gleicht reut den Gott die Strafe, und er
haßt und bestraft den Denunzianten, indem der bisher weiße Rabe
schwarz wird. Demnach ist diese ,Liebesgeschichte‘ zugleich eine dop-
pelte Bestrafungsgeschichte - vielmehr eine dreifache: Denn unlösbar
mit ihr verbunden ist die Rettung des Apollokindes aus dem Leib der
Getöteten und die Prophezeiung von dessen Zukunft durch die Tochter
Ocyrhoe des Kentauren Chiron; diese wird zur Strafe für diese Enthül-
lung in eine Stute verwandelt. - Zugleich ist diese Erzählung die Keim-
form eines späteren Dominanzthemas: der Heilgott Apollo vermag die
von ihm getötete Coronis nicht wieder ins Leben zu rufen {met. 2,618:
„medicas exercet inaniter artes‘). Der Sohn Apollos und der Coronis
4 Die Erlegung des Monstrums Python durch Apollo ist wohl weniger eine Analogie zur
Niederschlagung des Gigantenaufruhrs als ein Pendant zur Überwindung der Pest durch
den Apollosohn Aesculapius in met. 15, d. h. nicht so sehr als Überwältigung einer wider-
göttlichen Gewalt, vielmehr als Rettung der Menschheit durch Sieg über einen Schrek-
ken, eine Geißel (vgl. met. l,439f.) akzentuiert. Vgl. Holzberg (1988), Einführung in
Metamorphosen, S. 719: „Drachentöter“ „im Dienste der Menschheit“.