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Ernst A. Schmidt
könnte man diese Geschichten lokal und genealogisch zusammenzufas-
sen versucht sein6, weil Ovid selbst das durch seine Verknüpfungen na-
hezulegen scheint: Geschichten der Nachkommen des Cadmus, des
Gründers von Theben. Am wenigsten fügten sich dann die Narcissusge-
schichte, die nur über den Seher Tiresias (der zu Narcissus weissagt) mit
Theben verbunden ist, und die Echoerzählung ein.
Eine motivisch-thematische Verbindung erkennt Fränkel7: die Ge-
schichten von Actaeon, Semele, Narcissus und Pentheus verwiesen auf-
einander als Katastrophen von Personen, die etwas sehen, was sie nie
hätten sehen dürfen. Bei dieser Betrachtung bleiben die Metamorpho-
sen der tyrrhenischen Schiffer und die Echo-Erzählung draußen.
Ich übernehme, was an Fränkels Auffassung richtig ist: schreckliche
Epiphanie des Göttlichen als Katastrophe Unschuldiger und Strafe von
Zweiflern mit einer thematisch analogen Variante in der Mitte: fatales
Erblicken des eigenen Spiegelbildes (Narcissus); und mit dieser wieder
verbunden die Echo-Erzählung. Daß es nicht gelingt, alle Geschichten
einem strikt einheitlichen Thema zuzuweisen, ist für die in dieser Arbeit
vorgestellte Betrachtung des Metamorp/zosenaufbaus nicht mißlich und
ein eher zu versteckender Befund, sondern im Gegenteil positiv das
Charakteristikum der ovidischen Komposition.
In der Folge von Katastrophen in Buch 3 verschiebt sich auf der Seite
der Opfer Unschuld zu Schuld, von Actaeon über Semele und Narcissus
zu den tyrrhenischen Seeräubern und Pentheus.
Warum beginnt Ovid mit der tödlichen Epiphanie der Diana und Jupi-
ters? Weil sie die Prototypen der vorangegangenen Liebesgeschichten
göttlichen männlichen Begehrens und jungfräulicher Verweigerung und
Widerstands sind, welche Konstellation insbes. die geschlossene Folge
der Götterlieben kennzeichnete. Dianenhaft und Dianenverehrerinnen
waren Daphne, Syrinx, Callisto gewesen8 (jungfräulich und der Minerva
nahe Korone (?), jungfräulich und spröde auch Io), begehrender Lieb-
haber par excellence Jupiter in den Geschichten von Io, Callisto und
Europa, und die anderen Götter - Apollo, Pan, Neptun - waren nicht
anders. Jetzt treten diese göttlichen Grundkräfte in ihre absolute reine
Gewalt und führen so zu noch schrecklicherer Katastrophe. Denn es
sind nicht einfach Diana und Jupiter, deren Anblick ,den Menschen‘
vernichtete. Es ist die Jungfräulichkeit der Diana ohne Bekleidung, die
6 Wie es Ludwig (1965), Struktur der Metamorphosen, S. 27 ff. (vgl. S. 38) auch wirklich tut.
7 Fränkel (1945), Ovid, S. 213, Anm. 30.
8 Vgl. Cancik (1982), Jungfrauenquelle, S. 61.
Ernst A. Schmidt
könnte man diese Geschichten lokal und genealogisch zusammenzufas-
sen versucht sein6, weil Ovid selbst das durch seine Verknüpfungen na-
hezulegen scheint: Geschichten der Nachkommen des Cadmus, des
Gründers von Theben. Am wenigsten fügten sich dann die Narcissusge-
schichte, die nur über den Seher Tiresias (der zu Narcissus weissagt) mit
Theben verbunden ist, und die Echoerzählung ein.
Eine motivisch-thematische Verbindung erkennt Fränkel7: die Ge-
schichten von Actaeon, Semele, Narcissus und Pentheus verwiesen auf-
einander als Katastrophen von Personen, die etwas sehen, was sie nie
hätten sehen dürfen. Bei dieser Betrachtung bleiben die Metamorpho-
sen der tyrrhenischen Schiffer und die Echo-Erzählung draußen.
Ich übernehme, was an Fränkels Auffassung richtig ist: schreckliche
Epiphanie des Göttlichen als Katastrophe Unschuldiger und Strafe von
Zweiflern mit einer thematisch analogen Variante in der Mitte: fatales
Erblicken des eigenen Spiegelbildes (Narcissus); und mit dieser wieder
verbunden die Echo-Erzählung. Daß es nicht gelingt, alle Geschichten
einem strikt einheitlichen Thema zuzuweisen, ist für die in dieser Arbeit
vorgestellte Betrachtung des Metamorp/zosenaufbaus nicht mißlich und
ein eher zu versteckender Befund, sondern im Gegenteil positiv das
Charakteristikum der ovidischen Komposition.
In der Folge von Katastrophen in Buch 3 verschiebt sich auf der Seite
der Opfer Unschuld zu Schuld, von Actaeon über Semele und Narcissus
zu den tyrrhenischen Seeräubern und Pentheus.
Warum beginnt Ovid mit der tödlichen Epiphanie der Diana und Jupi-
ters? Weil sie die Prototypen der vorangegangenen Liebesgeschichten
göttlichen männlichen Begehrens und jungfräulicher Verweigerung und
Widerstands sind, welche Konstellation insbes. die geschlossene Folge
der Götterlieben kennzeichnete. Dianenhaft und Dianenverehrerinnen
waren Daphne, Syrinx, Callisto gewesen8 (jungfräulich und der Minerva
nahe Korone (?), jungfräulich und spröde auch Io), begehrender Lieb-
haber par excellence Jupiter in den Geschichten von Io, Callisto und
Europa, und die anderen Götter - Apollo, Pan, Neptun - waren nicht
anders. Jetzt treten diese göttlichen Grundkräfte in ihre absolute reine
Gewalt und führen so zu noch schrecklicherer Katastrophe. Denn es
sind nicht einfach Diana und Jupiter, deren Anblick ,den Menschen‘
vernichtete. Es ist die Jungfräulichkeit der Diana ohne Bekleidung, die
6 Wie es Ludwig (1965), Struktur der Metamorphosen, S. 27 ff. (vgl. S. 38) auch wirklich tut.
7 Fränkel (1945), Ovid, S. 213, Anm. 30.
8 Vgl. Cancik (1982), Jungfrauenquelle, S. 61.