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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0116
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Ernst A. Schmidt

gena“ ist analog der von „aurigena“, gesagt von Perseus, dem Sohn der
Danae (met. 5,250; vgl. met. 4,611: „Persea, quem pluvio Danae conce-
perat auro“).
Auch die von Ovid miteinander verbundenen Geschichten von Nar-
cissus und Echo sind Liebes- und Straferzählungen (met. 3,341-510). Die
Nymphe Echo erleidet Junos Strafe, weil sie durch Plaudern Jupiters
Seitensprünge mit Nymphen vor Juno gedeckt hatte. Narcissus erleidet
sein Schicksal als eine Strafe, indem die Göttin von Rhamnus, Nemesis,
der Verwünschung eines verschmähten Liebhabers als „gerechtem Ge-
bet“ entspricht (met. 3,405f.). Außerdem ist die Narcissuserzählung
wieder an eine Bestrafungsgeschichte angehängt, die wiederum mit Ju-
piter als Liebhaber und Juno als gekränkter Gattin zu tun hat. Tiresias
weissagt das Narcissusgeschick (met. 3,341-350), seine erste Weissagung
nach dem Geschenk der Sehergabe. Diese aber ist Jupiters Ausgleich für
die von Juno verhängte Strafe der Blindheit. Der blinde Weise erkennt
das Geschick des törichten Sehenden, Narcissus. Juno hatte verärgert
Tiresias bestraft, weil er, der auch schon einmal eine Frau gewesen war
und auch als solche Liebe genossen hatte, im Streit zwischen Jupiter und
Juno, ob Mann oder Frau in der Liebe die größere Lust erführen, zugun-
sten der größeren Lust der Frau votiert hatte. Die scherzhafte Ge-
schichte von einem Kenner der Liebe in beiderlei Gestalt steht zwischen
zwei Paaren antithetischer Geschichten von extremen Liebeskonstella-
tionen: Actaeon und Semele, Echo und Narcissus, numinose Virginität
und numinose Potenz (Diana und Jupiter), Begehren bis zur Selbstaus-
löschung, Entpersonalisierung, Aufhebung des Subjekts (Echo),
Begehren bis zur Aufhebung des Objekts in selbstzerstörerischer nar-
zißtischer Selbstbespiegelung. Echo und Narcissus sind Spiegel- und
Reflexionsgeschichten. Echo ist ein ,akustischer4 Spiegel. Sie Reflek-
tiert4, ohne selbst reden zu können, nur die Worte des anderen, ist selbst
,nichts4 oder nichts als Verlangen und Korresponsion und wird, nach der
Verschmähung durch Narcissus, zu Stein und Stimme. Narziß ist so sehr
nur er selbst, reine (erotische) Selbstreflexion, daß er nur das eigene
Spiegelbild, im Wasser, vergeblich, weil gegenstandslos, lieben kann.
Die Folge dieser vier ovidischen Geschichten bildet eine großartige
,Geometrie4 der Geschlechterliebe. Männliche Liebe ist bezeichnet
durch ihre Extreme von Gewalt und Narzißmus, weibliche Liebe durch
ihre Extreme von Verweigerung und Selbstauslöschung.
 
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