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ARTIKEL BELANGENDE DY RELIGION (1539)

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nächsten zwei Tage wurden damit verbracht, jetzt im Beisein Witzels. Man sprach
über inhaltliche Aspekte, besonders über die Frage von Glauben und Werken. Car-
lowitz hinterließ bei Bucer einen guten Eindruck: lernbedürftig, aber auch lernfreu-
dig. Witzel erweckte Bucers Widerwillen: »fur sich selb seer ein elend mensch«10.
Dieser fühlte sich wie gerädert: ».. .alle handelung wider mich einigen gerichtet,
auff dass ich geteubt und geschweigt allen yren placitis unterschriebe«11. Er wollte
die Verhandlungen verlassen, und auch Brück und Melanchthon hielten weitere
Beratungen für sinnlos, sie warnten Bucer nochmals vor Witzel und verließen Leip-
zig.

Das Ende der Besprechungen drohte, »biss der Bucer so viel lieffe und triebe, dass
es widderumb angieng«12. Noch etwa acht Tage konferierte man in Fachsens Haus.
Jetzt waren Bucer und Witzel die Hauptkolloquenten. Bucer teilt mit, daß sie im
Beisein von Carlowitz, Fachs und Feige verhandelten und das Ergebnis zu Papier
brachten13. Von den Gesprächen haben wir nur den viel späteren Bericht Witzels.
Dieser macht einen zuverlässigen Eindruck; offensichtlich haben sich ihm die Ver-
handlungen unauslöschlich eingeprägt. Er, »als der wenigst, zuweilen auch ad
pedariam sententiam beredt«14, fühlte sich Bucer nicht gewachsen. Dieser führte die
Feder. Zwar mußte auch er Zugeständnisse machen, aber im großen und ganzen galt
offensichtlich: »Er solicitirt magis principalia und condonirt dargegen minus princi-
palia«15. Außer diesen persönlichen Erinnerungen wissen wir vom Verlauf der
Besprechungen überhaupt nichts.

10. Lenz 1, Nr. 23, S. 68.

11. Witzel, Warer Bericht; ARC 6, S. 18, Z. 24-25. In seiner Schrift Von der Justification, das ist
vom Glauben und Wercken. Köln 1548 (Richter, Nr. 6.3; Klaiber, Nr. 3332) erwähnt Witzel zwei
Gesprächsfetzen, von denen der erste mit Sicherheit aus der ersten Phase der Gespräche stammt.
Zuerst sagt Witzel, die Protestanten weisen immer auf Augustin hin, »daß er schreibt in libro de
Spiritu et Litera, es werden auch opera decalogi verstanden, da S. Paulus von wercken des gesetzes
redt. Und disen ort S. Augustini warff mir Melanchthon zu Leipzig im Paulerkloster künlich fur im
Bucerischen gespreche..., gerad als hette er darumb die burg Catholischer warheit erobert«. Später
sagt Witzel: »Der rechte Schild ist noch dahinden, darmit die Sect sich zu schützen gedenckt, Und ist
eben, daß S. Basilius an einem ort ein feins mone piste [!] hat; welchen ort S. Basilii mir Melan-
chthon zu Leipzig durch Bucern zustellen lies, Griechisch geschrieben, in meynung es müsst nu
gehen, gerad als solt ein einiger spruch dieses Lerers wider himel und erden gelten«. Es betrifft hier
Augustinus: De spiritu et littera 14, 23-24; CSEL 60, S. 176, Z. 18 - S. 178, Z. 25, bes. S. 176, Z.
22-26. S. 177, Z. 15-17; Basilius der Große: Homilia de humilitate 3; MSG 31, Sp. 529C. Ich
zitiere die beiden Stellen aus Witzel: Tomus primus Ettlicher Bücher. Köln 1559 (Klaiber, Nr.
3435). S. 62. 78. Ich danke Herrn Kand. Theol. Frank Prause, Münster, herzlichst. Er wies mich auf
diese Stellen hin.

12. Witzel, Warer Bericht; ARC 6, S. 18, Z. 29-30.

13. Bucer, Ein Christlich ongefährlich bedencken (Bibl., Nr. 79.79a), Bl. A1a; im folgenden
abgekürzt mit: Bedencken.

14. Witzel, Warer Bericht; ARC 6, S. 18, Z. 41-42; s. für »pedaria sententia« Erasmus: Adag.
979, LB 2, Sp. 390: »Competit in eos, qui in consultationibus aut disceptationibus ipsi quidem nihil
habent quod dicant, verum aliorum sententiis annuunt«.

15. Witzel, Warer Bericht; ARC 6, S. 19, Z. 7-8.
 
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