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THEOLOGISCH BEDENCKEN (1539)

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A. Gutachten bezüglich zweier Abschnitte des Vorschlages der Vermittler
vom 24. März 1539, 27. März 1539.

Das Gutachten befaßt sich, wie die Gutachter selber sagen, mit drei Fragen. Im
Grunde genommen handelt es sich um zwei Probleme: zuerst um die Frage, ob eine
Beschränkung des abzuschließenden Anstandes auf die jetzigen Mitglieder des
Schmalkaldischen Bundes annehmbar sei; zweitens um die Frage ob ein Verbot,
neue Mitglieder in den Schmalkaldischen Bund hineinzuziehen oder aufzunehmen,
akzeptabel sei. Bei der Erörterung der letzten Frage behandeln die Gutachter geson-
dert die Frage, ob ein Verbot, durch das Aussenden von Predigern ein Gebiet in den
Bund hineinzuziehen, akzeptiert werden könne. Sie beantworten diese Fragen ver-
neinend. Zum Schluß verteidigen sie sich gegen einen etwaigen Vorwurf der Kriegs-
hetzerei.

Als Autor kann mit Bestimmtheit Melanchthon gelten. Eins der drei erhaltenen
Exemplare des Gutachtens ist in seiner Hand geschrieben, und dieses Exemplar zeigt
alle Merkmale eines Entwurfes: Streichungen, öfter auch Neuanfänge nach Strei-
chungen, die wiederum gestrichen wurden u.s.w. Aufgrund des nicht-Melan-
chthonischen Stils sah Bretschneider eher Myconius oder Bucer als Autor an1. Diese
stilistische Eigenart des Gutachtens könnte angesichts der erhalten gebliebenen
Handschrift vielleicht besser aus einer vorhergehenden Diskussion in diesem klei-
nen Kreis erklärt werden; oder hat Melanchthon vielleicht noch während der
Besprechungen sofort das Ergebnis zu Papier gebracht?

Eine der erhaltenen Abschriften gibt als Datum den 27. März an. Das Datum wird
bestätigt durch eine Notiz auf dem Umschlag der zweiten, nach Ulm abgeschickten
Handschrift, die besagt, daß dieses Stück dort den 30. März eingegangen ist. Das
Datum stimmt durchaus mit dem Inhalt des Gutachtens überein. Am 19. März hatte
der kaiserliche Orator unmißverständlich dem sächsischen Kurfürsten gegenüber
erklärt, daß der geplante Anstand für alle jetzigen protestantischen Stände gelten
könnte, eine Geltung auch für später zur Augsburgischen Konfession sich beken-
nenden Stände jedoch absolut unannehmbar sei. Das führte sofort zu hitzigen Dis-
kussionen unter den Schmalkaldenern. Am 24. März erhielten sie Vorschläge von-
seiten der Vermittler, in denen zum ersten Mal diese Forderung Weezes und ein
Verbot der Bundeserweiterung als offizielle Vorschläge begegneten. Nach einer
Verwerfung dieser durch die Stände kam es zu neuen Beratungen, und ab dem 28.
beriet sich der große, aus elf Personen bestehende Ausschuß der Schmalkaldener,
darüber2. Ein am 27. März abgegebenes Gutachten der Theologen über diese zwei
Forderungen paßt also lückenlos in diesen Rahmen. Der Text des Gutachtens zeigt,
daß wir die Aufteilung der Frage betreffend das Verbot der Bundeserweiterung in

1. CR Mel 3, Einl. Nr. 1796, Sp. 688: »Stylus iudicii non convenit Melanthoni, et puto illud
exaratum esse a Myconio vel etiam Bucero«.

2. Fuchtel, S. 175-178; Pol Cor. 2, Nr. 589. 591. 594. 596, S. 575-576. 580. 582. 585-586. Der
große Ausschuß war in der ersten Sitzung der Stände am 14. Februar ernannt worden. Er setzte sich
aus dem Kurfürsten, dem Landgrafen, Herzog Franz von Braunschweig, den Kriegsräten von
Württemberg und Pommern sowie je drei Vertretern der oberdeutschen und der sächsischen Städte
zusammen; s. Fuchtel, S. 162.
 
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