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PER QUOS STETERIT (1540)

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Monate zuvor hatte Bucer einem reformfreundlichen katholischen Korresponden-
ten geschrieben, wie dieser und Gleichgesinnte zusammen mit den Evangelischen
zur Wahrheit gelangen könnten: »conventu et mutuo colloquio«. Die Gutwilligen
und Gelehrten sollten endlich Zusammenkommen, um die Kontroversen zu bespre-
chen und zu schlichten15. Bucer hatte bestimmte Hoffnungen auf den Konvent
gesetzt. Das Ergebnis war aber seinen Erwartungen völlig entgegengesetzt: Die in
Hagenau bestimmte Verhandlungsweise sei viel schlechter als die in Frankfurt fest-
gelegte, zudem sei es mehr als fragwürdig, ob es überhaupt noch zu derartigen Ver-
handlungen kommen würde16.

Die Enttäuschung bezüglich der jüngsten Vergangenheit ging also in Befürchtun-
gen für die Zukunft über. Zweimal wies Bucer in seiner Schrift darauf hin, der
Wormser Tag sei noch nicht definitiv einberufen worden17, und noch Ende Septem-
ber wagte er es nicht, eine Reise zu unternehmen, da er eine kurzfristige Einberu-
fung des Tages befürchtete18. Dieses Hin- und Herschwanken Bucers in seinen
Erwartungen bezüglich der eventuellen Einberufung des Tags geht mit seinen
Befürchtungen bezüglich der Absichten des Kaisers mit dem geplanten Konvent
einher. Bisweilen weist Bucer auf die in den Niederlanden neu eingesetzten Maß-
nahmen gegen die evangelische Bewegung hin - und zwar, nachdem der Kaiser
anfänglich seinen Friedens- und Reformationswillen gezeigt hatte-, so daß er selbst
nicht mehr erwartet habe, daß der Tag noch stattfinden würde19. Ein anderes Mal
spricht er von der Enttäuschung hinsichtlich des versprochenen, aber nicht berufe-
nen Nürnberger Tag August 153920. Dann wieder glaubt er, der Kaiser beabsichtige,
durch den Tag seine Machtposition zur Bestrafung der Ketzer zu vergrößern21.
Zusammenfassend sagt er: »der hove ist der gröste feind aller freiheit und gerechtig-
keit deutscher nation«22. Auch diese Befürchtungen schlugen sich in der Schrift Per
quos steterit nieder.

Trotz dieser vielfach pessimistischen Stimmung ist Bucers Schrift eher optimisti-
scher Art. Dieser Optimismus gründete in den Kontakten, die die Gespräche in den
Hagenauer Wandelgängen ihm erbracht hatten. In den an den Landgrafen gerichteten
Briefen weist Bucer mehrmals auf die deutschen Fürsten hin, »die es entweders jetz

15. CR Mel 10, Nr. 7122, Sp. 153.

16. S. 181, Z. 19-24.

17. S.285,Z.25;S.321,Z. 1 -3. Dies war aber schon am 15. August geschehen; s. S. 285, Anm. 319.

18. s. S. 285, Anm. 319.

19. Lenz 1, Nr. 82, S. 213; Nr. 85, S. 219; Nr. 89, S. 236-237; Arbenz-Wartmann 7, Nr. 67, S. 95.

20. A. Hartmann: Die Amerbachkorrespondenz. Bd. 5. Basel 1958. Nr. 2414, Z. 7-9, S. 303:
»accidit id autem, quod, postquam falsi sumus de conventu Nurenbergensi, nec istuc colloquium
futurum credidimus«. Es besteht kein Anlaß zur Änderung von >istuc< in >istic<, wie der Herausge-
ber will.

21. B. an Myconius, den 31. August 1540; TB 12, 181; Rott 1296: »Colloquium, quod status
Papistici non receperunt, non possum alio fine (nisi Dominus plane miraculum sit operaturus in
Imperatore) institutum putare, ut sit potestas dilatior correctioni Lutheranorum, dum huius opor-
tunior occasio vel tristior excusatio a Turea vel alia necessitate obveniat. Certum est militem a Ponti-
fice in nos jam collectum fuisse, et non procul ab Alpibus«. Obwohl der erste Satz sich nicht durch
Deutlichkeit auszeichnet, ist die Bedeutung wohl klar. Vgl. Millet, Nr. 734, S. 261.

22. Lenz 1, Nr. 89, S. 238,
 
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