PER QUOS STETERIT (1540)
153
Bucer gestaltete seine Schrift als einen ausführlichen Brief, geschrieben von einem
gewissen Waremund Luithold, der bisweilen die Züge eines Politikers annimmt29,
an Walther Ulmann. Die Bedeutung des Pseudonyms des Autors leuchtet ein und
wird von Bucer selbst erklärt: os verum et amans homines30. Bucer stellt seinen Brief
als eine Antwort vor31. Walther Ulmann ist mitunter kein anderer als Konrad
Braun32, aber meistens unterscheidet er sich von diesem und ist Braun der Verteidi-
ger Ulmanns und seinesgleichen33 .
Im Anfang sagt Bucer, er wolle die Anschuldigung widerlegen, die Besprechungen
in Hagenau seien mißlungen, da die Protestierenden sich verweigerten, an die in
Augsburg 1530 erzielten Ergebnisse anzuknüpfen, die Kirchengüter zu restituieren
oder zu sequestrieren und während der Lauffrist des Anstands keine neuen Mitglie-
der in den Schmalkaldischen Bund aufzunehmen. Diese drei Punkte beabsichtige er
möglichst kurz zu behandeln34. In Wirklichkeit behandelt er nur das erste Problem
eingehend, das zweite dagegen sehr kurz und das dritte überhaupt nicht35. Für dieses
Mißverhältnis entschuldigt Bucer sich am Anfang des zweiten Teiles entwaffnend
naiv: es sei seinem Korrespondenten ja klar, wie weit seine Schrift sich in die Länge
ziehe und er in Zeitnot geraten sei36. Er verspricht aber, das Fehlende in einer geson-
derten, an einen Richard Volebius gerichteten Schrift zu behandeln37. Auch sagt er
zu, einem gewissen Filbrecht oder Vandalus über die apostolische Sukzession und
das gegenseitige Verhältnis von Bischof und Kirche zu schreiben38. Meines Wissens
ist weder die eine noch die andere angekündigte Schrift erschienen.
Die Komposition ist nicht immer die starke Seite von Bucers Schriften. Offensicht-
lich fing er jedesmal einfach zu schreiben an, um später feststellen zu müssen, daß er
unmöglich auf diese Weise weitermachen konnte. Wenn wir in Kauf nehmen, daß
Bucer nur das erste von ihm genannte Problem erörtert hat, ist jedoch diesmal die
Komposition nicht schlecht geraten.
29. Er spricht dann von »nostri theologi«; S. 181,Z. 11; S. 183,2.3.
30. Mitto hic libellum oris veri et amantis homines. Rogo legas illum pio et veri patiente animo.
Et tum de his rebus iudices meque libere moneas, si quid videatur in eo libello reprehendendum.
Dabo enim ego apud authorem operam ut id, si non sit consentaneum verbo Domini, emendetur«;
an einen hohen Beamten des Trierer Erzbischofs, 4. September 1540; Rott 1297.
31. s. S. 163, Z. 29; S. 165, Z. 5; S. 201, Z. 11-12.
32. s. z.B. S. 183, Z. 10-15 und Anm. 57; Ulmann ist Jurist; s. S. 215, Z. 13-14.
33. »Vester patronus«; S. 215, Z. 9; S. 281, Z. 25.
34. S. 165, Z. 5-18.
35. S. 165, Z. 19 - S. 305, Z. 7; S. 305, Z. 8 - S. 319, Z. 6.
36. S. 305, Z. 15; s. auch schon S. 293, Z. 26: »Nunc temporis angustia sic excludor...«.
37. S. 305, Z. 17; S. 321, Z. 5-6. Auffällig ist, daß die deutsche Fassung diese Schrift nicht
verspricht. Wenn man annimmt, B. hätte bei der deutschen Ausgabe seine Hand auf jeden Fall
irgendwie im Spiel gehabt (s. dazu S. 157—159), ist die Annahme plausibel, daß B. schon bald sein
Vorhaben aufgab.
38. S. 293, Z. 6-7.
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Bucer gestaltete seine Schrift als einen ausführlichen Brief, geschrieben von einem
gewissen Waremund Luithold, der bisweilen die Züge eines Politikers annimmt29,
an Walther Ulmann. Die Bedeutung des Pseudonyms des Autors leuchtet ein und
wird von Bucer selbst erklärt: os verum et amans homines30. Bucer stellt seinen Brief
als eine Antwort vor31. Walther Ulmann ist mitunter kein anderer als Konrad
Braun32, aber meistens unterscheidet er sich von diesem und ist Braun der Verteidi-
ger Ulmanns und seinesgleichen33 .
Im Anfang sagt Bucer, er wolle die Anschuldigung widerlegen, die Besprechungen
in Hagenau seien mißlungen, da die Protestierenden sich verweigerten, an die in
Augsburg 1530 erzielten Ergebnisse anzuknüpfen, die Kirchengüter zu restituieren
oder zu sequestrieren und während der Lauffrist des Anstands keine neuen Mitglie-
der in den Schmalkaldischen Bund aufzunehmen. Diese drei Punkte beabsichtige er
möglichst kurz zu behandeln34. In Wirklichkeit behandelt er nur das erste Problem
eingehend, das zweite dagegen sehr kurz und das dritte überhaupt nicht35. Für dieses
Mißverhältnis entschuldigt Bucer sich am Anfang des zweiten Teiles entwaffnend
naiv: es sei seinem Korrespondenten ja klar, wie weit seine Schrift sich in die Länge
ziehe und er in Zeitnot geraten sei36. Er verspricht aber, das Fehlende in einer geson-
derten, an einen Richard Volebius gerichteten Schrift zu behandeln37. Auch sagt er
zu, einem gewissen Filbrecht oder Vandalus über die apostolische Sukzession und
das gegenseitige Verhältnis von Bischof und Kirche zu schreiben38. Meines Wissens
ist weder die eine noch die andere angekündigte Schrift erschienen.
Die Komposition ist nicht immer die starke Seite von Bucers Schriften. Offensicht-
lich fing er jedesmal einfach zu schreiben an, um später feststellen zu müssen, daß er
unmöglich auf diese Weise weitermachen konnte. Wenn wir in Kauf nehmen, daß
Bucer nur das erste von ihm genannte Problem erörtert hat, ist jedoch diesmal die
Komposition nicht schlecht geraten.
29. Er spricht dann von »nostri theologi«; S. 181,Z. 11; S. 183,2.3.
30. Mitto hic libellum oris veri et amantis homines. Rogo legas illum pio et veri patiente animo.
Et tum de his rebus iudices meque libere moneas, si quid videatur in eo libello reprehendendum.
Dabo enim ego apud authorem operam ut id, si non sit consentaneum verbo Domini, emendetur«;
an einen hohen Beamten des Trierer Erzbischofs, 4. September 1540; Rott 1297.
31. s. S. 163, Z. 29; S. 165, Z. 5; S. 201, Z. 11-12.
32. s. z.B. S. 183, Z. 10-15 und Anm. 57; Ulmann ist Jurist; s. S. 215, Z. 13-14.
33. »Vester patronus«; S. 215, Z. 9; S. 281, Z. 25.
34. S. 165, Z. 5-18.
35. S. 165, Z. 19 - S. 305, Z. 7; S. 305, Z. 8 - S. 319, Z. 6.
36. S. 305, Z. 15; s. auch schon S. 293, Z. 26: »Nunc temporis angustia sic excludor...«.
37. S. 305, Z. 17; S. 321, Z. 5-6. Auffällig ist, daß die deutsche Fassung diese Schrift nicht
verspricht. Wenn man annimmt, B. hätte bei der deutschen Ausgabe seine Hand auf jeden Fall
irgendwie im Spiel gehabt (s. dazu S. 157—159), ist die Annahme plausibel, daß B. schon bald sein
Vorhaben aufgab.
38. S. 293, Z. 6-7.