WORMSER BUCH, LATEIN (1540/1541)
327
Als der Regensburger Reichstag am 5. April 1541 eröffnet wurde, unterbreitete
der Kaiser den Vorschlag, die religiöse Frage zuerst in einem kleinen Ausschuß zu
erörtern, der seinerseits seine Vorschläge dem Reichstag darzulegen hatte. In der
ersten Sitzung dieses Ausschusses am 27. April wurde den Mitgliedern als Grund-
lage ihres Gesprächs das Wormser Buch vorgelegt, korrigiert von dem päpstlichen
Legaten Contarini, dem Nuntius Morone und Gropper32. Am 31. Mai übermittelte
der Ausschuß dem Kaiser ein geändertes Wormser Buch, das sogenannte Regens-
burger Buch, zusammen mit neun Gegenartikeln vonseiten der Protestantischen
Mitglieder zu sieben der dreiundzwanzig Artikel; am 5. Juli lehnten die Katholi-
schen Stände das Regensburger Buch ab, am 12. Juli folgten die protestierenden
Stände diesem Vorbild33.
Es ist hier nicht der richtige Ort, den Inhalt des Wormser/Regensburger Buches
eingehend zu erörtern. Im Rahmen einer Edition genügt es, in gedrängter Form die
allgemeine Tendenz des Buches zu skizzieren, durch einen Vergleich mit dem Leip-
ziger Reformationsentwurf seine Stelle in der Ära der Religionsgespräche zu bestim-
men und die Frage der Autorschaft zu besprechen.
Das Wormser/Regensburger Buch ist kein umfassendes Glaubensbekenntnis. Es
behandelt somit nicht die christliche Lehre als eine Einheit, sondern nur die kontro-
versen Bereiche: die Rechtfertigungslehre, die Ekklesiologie, die Sakramentologie,
das kirchliche Brauchtum, besonders die Zeremonien, und die Kirchenzucht. Wich-
tige Lehren wie die Gotteslehre und die Christologie werden nicht erörtert. Das
Wormser/Regensburger Buch weist folglich eine klare Tendenz auf. Die Verfasser
beabsichtigen, die strittigen Lehren Punkt für Punkt zu prüfen, eine Lösung der
Schwierigkeiten darzubieten und, insofern eine Übereinstimmung nicht herbeige-
führt werden kann, die unterschiedlichen Standpunkte und Bräuche als vereinbar
darzustellen. Eine derartige Zielsetzung führt zu einer fragmentarisierenden
Behandlungsweise der Differenzen. Immer neu versuchen die Verfasser, für jede
einzelne Lehre eine zur Überbrückung der Gegensätze geeignete Formulierung zu
finden. Berüchtigt wurde sofort der sehr ausführliche fünfte Artikel, der mühsam
einen Kompromiß in der Rechtfertigungslehre sucht, so mühsam, daß der Regens-
56. 58-60. 62. 64. 68-70. 72. 74. 76. 77. 85. 87-89. 91. 93. 94. 97. 100. 101. 103. 105. 107-109. 111-
115.117.119.120. Auch die in Marburg angefertigte Übersetzung (s. dazu untenS. 33 5) hat er mit sehr
kritischen Bemerkungen versehen, die m. W. nirgendwo publiziert wurden. In Regensburg hat der
Landgraf das Wormser Buch auch mit Melanchthon durchgesprochen; s. dessen Brief an Johann
Friedrich von Sachsen: »Doch ist dieses wahr, daß der Landgrave nit Gefallen gehabt am Buch, und als
ichs mit ihm überloffen, habe ich gesehen, daß er sehr, durchaus mit seiner Hand, Noten gemacht hat
eben an denselbigen Orten, die vornämlich anzufechten gewesen«; CRMel 4, Nr. 2334, Sp. 579.
32. s. Lenz 3, S. 37-38; Augustijn, S. 79. 81. Vgl. B.: Alle Handlungen und Schrifften (Bibl. Nr.
69 c), Bl. 69b-70a: »Aber es was in margine, am rand des buchs, freilich erst zu regenspurg, ange-
henget worden, das brot und wein im Sacrament in leib und blut des herren verwandlet und ires
wesens geendert werden«. Die Initiative zu den Änderungen ging von Contarini aus; s. L. Pastor:
Die Correspondenz des Cardinais Contarini während seiner deutschen Legation (1541). In: Histo-
risches Jahrbuch 1. 1880. Nr. 55*. S. 368 = Fr. Dittrich: Regesten und Briefe des Cardinais Casparo
Contarini (1483-1542). Braunsberg 1881. S. 173.
33. s. Augustijn, S. 97. 122-123.
327
Als der Regensburger Reichstag am 5. April 1541 eröffnet wurde, unterbreitete
der Kaiser den Vorschlag, die religiöse Frage zuerst in einem kleinen Ausschuß zu
erörtern, der seinerseits seine Vorschläge dem Reichstag darzulegen hatte. In der
ersten Sitzung dieses Ausschusses am 27. April wurde den Mitgliedern als Grund-
lage ihres Gesprächs das Wormser Buch vorgelegt, korrigiert von dem päpstlichen
Legaten Contarini, dem Nuntius Morone und Gropper32. Am 31. Mai übermittelte
der Ausschuß dem Kaiser ein geändertes Wormser Buch, das sogenannte Regens-
burger Buch, zusammen mit neun Gegenartikeln vonseiten der Protestantischen
Mitglieder zu sieben der dreiundzwanzig Artikel; am 5. Juli lehnten die Katholi-
schen Stände das Regensburger Buch ab, am 12. Juli folgten die protestierenden
Stände diesem Vorbild33.
Es ist hier nicht der richtige Ort, den Inhalt des Wormser/Regensburger Buches
eingehend zu erörtern. Im Rahmen einer Edition genügt es, in gedrängter Form die
allgemeine Tendenz des Buches zu skizzieren, durch einen Vergleich mit dem Leip-
ziger Reformationsentwurf seine Stelle in der Ära der Religionsgespräche zu bestim-
men und die Frage der Autorschaft zu besprechen.
Das Wormser/Regensburger Buch ist kein umfassendes Glaubensbekenntnis. Es
behandelt somit nicht die christliche Lehre als eine Einheit, sondern nur die kontro-
versen Bereiche: die Rechtfertigungslehre, die Ekklesiologie, die Sakramentologie,
das kirchliche Brauchtum, besonders die Zeremonien, und die Kirchenzucht. Wich-
tige Lehren wie die Gotteslehre und die Christologie werden nicht erörtert. Das
Wormser/Regensburger Buch weist folglich eine klare Tendenz auf. Die Verfasser
beabsichtigen, die strittigen Lehren Punkt für Punkt zu prüfen, eine Lösung der
Schwierigkeiten darzubieten und, insofern eine Übereinstimmung nicht herbeige-
führt werden kann, die unterschiedlichen Standpunkte und Bräuche als vereinbar
darzustellen. Eine derartige Zielsetzung führt zu einer fragmentarisierenden
Behandlungsweise der Differenzen. Immer neu versuchen die Verfasser, für jede
einzelne Lehre eine zur Überbrückung der Gegensätze geeignete Formulierung zu
finden. Berüchtigt wurde sofort der sehr ausführliche fünfte Artikel, der mühsam
einen Kompromiß in der Rechtfertigungslehre sucht, so mühsam, daß der Regens-
56. 58-60. 62. 64. 68-70. 72. 74. 76. 77. 85. 87-89. 91. 93. 94. 97. 100. 101. 103. 105. 107-109. 111-
115.117.119.120. Auch die in Marburg angefertigte Übersetzung (s. dazu untenS. 33 5) hat er mit sehr
kritischen Bemerkungen versehen, die m. W. nirgendwo publiziert wurden. In Regensburg hat der
Landgraf das Wormser Buch auch mit Melanchthon durchgesprochen; s. dessen Brief an Johann
Friedrich von Sachsen: »Doch ist dieses wahr, daß der Landgrave nit Gefallen gehabt am Buch, und als
ichs mit ihm überloffen, habe ich gesehen, daß er sehr, durchaus mit seiner Hand, Noten gemacht hat
eben an denselbigen Orten, die vornämlich anzufechten gewesen«; CRMel 4, Nr. 2334, Sp. 579.
32. s. Lenz 3, S. 37-38; Augustijn, S. 79. 81. Vgl. B.: Alle Handlungen und Schrifften (Bibl. Nr.
69 c), Bl. 69b-70a: »Aber es was in margine, am rand des buchs, freilich erst zu regenspurg, ange-
henget worden, das brot und wein im Sacrament in leib und blut des herren verwandlet und ires
wesens geendert werden«. Die Initiative zu den Änderungen ging von Contarini aus; s. L. Pastor:
Die Correspondenz des Cardinais Contarini während seiner deutschen Legation (1541). In: Histo-
risches Jahrbuch 1. 1880. Nr. 55*. S. 368 = Fr. Dittrich: Regesten und Briefe des Cardinais Casparo
Contarini (1483-1542). Braunsberg 1881. S. 173.
33. s. Augustijn, S. 97. 122-123.