Glocke in der ersten Person (z. B. Nr. 426) man teilt seinen Geburtstag mit und vor allem: man
gibt ihm einen Namen wie einem Menschen. Ursprung und Vorbild mag die zu allen Zeiten geübte
Weihe „zu Ehren“ eines Heiligen gewesen sein, die uns auch von zwei späteren Glocken unseres
Gebietes überliefert ist (Nr. 486 u. 488). In Verbindung mit den feierlichen Zeremonien der Ab-
waschung und Salbung der Glocke während ihrer Weihe erhielt nun diese Namengebung allmählich
das Ansehen einer regelrechten „Taufe“, zu der man schließlich noch „Paten“ beizog. Unsere In-
schriften geben auch für diese großenteils untergegangenen Vorstellungen und Gebräuche einige
Belege. Eine der Glocken berichtet selbst von ihrer Taufe (Nr. 457) und vier andere nennen ihre
Namen: einmal „Maria“ (Nr. 445), die übrigen drei „Osanna“ (vgl. Nr. 426 u. 455). Beides sind
auch in anderen Bezirken die gebräuchlichsten Glockennamen, wenn dort auch nicht die einzigen.
Nur von Glockenpaten hören wir in unseren Inschriften nichts; vielleicht darf man aber die auf
einigen späten Glocken genannten Personen als solche auffassen (Nr. 485 u. 486).
Trotz dieser wenigen und sehr gewöhnlichen Glockennamen läßt sich in dem einen oder anderen
Fall vermuten, wer sie bestimmte. Bei zweien (Nr. 455 u. 462) steht die Nennung in einem Text,
der nicht nur für eine Glocke geschaffen, sondern formelhaft immer wieder verwendet wurde: er
läßt sich bis jetzt nicht weniger als vierzehnmal nachweisen. Da in ihm der Name des Gießers vor-
kommt, an dem nur ihm selbst viel gelegen sein kann, wird bei solcher fast fabrikmäßigen Herstel-
lung auch die ganze Inschrift einschließlich des Glockennamens vom Gießer herrühren. Dagegen
hat das Doppeldistichon der Wertheimer Glocke (Nr. 457) sicher ein anderer verfaßt, vermutlich ein
Insasse des Klosters Holzkirchen. Nimmt man den Dichter beim Wort, so war es der Auftraggeber
selbst, d. h. der Probst, der den Namen wählte, mindestens aber doch einer seiner Untergebenen.
Damit sind wir bei der umfassenderen Frage angelangt, wer von den vielen Beteiligten den Wort-
laut unserer Glockeninschriften bestimmte: der Gießer, der Pfarrer, die Gemeinde — d. h. ihre
kirchlichen oder weltlichen Oberhäupter - oder die Herrschaft. Die Frage muß fast für jede Glocke
neu gestellt werden, und sehr oft ist sie überhaupt nicht zu beantworten. Gerade von unseren
frühen Inschriften mit den wetterbeschwörenden Formeln läßt sich nicht sagen, von wem sie
stammen, ebensowenig von den allgemein religiösen Sprüchen oder bloßen Datumsangaben. Erst
wo der Name des Meisters, einer Amtsperson oder eines Heiligen begegnet, sehen wir klarer. Denn
Gießernennungen gehen natürlich auf das Bedürfnis des Gießers zurück, die Namen von Bürger-
und Gotteshausmeistern oder Stiftern auf deren Wunsch, und wo bei einem Heiligennamen litur-
gische Zusammenhänge sichtbar werden (Nr. 468—470), sprach sicher der Pfarrer des Ortes mit;
die Nennung des Landesherrn (Nr. 477, 478, 480, 483) war schließlich ebenfalls beantragt, ent-
weder von seinen Beamten oder von der Gemeinde, die vielleicht eine Dankesschuld abtragen
wollte. Im allgemeinen entsprach es nicht dem angesehenen Stand des Gießers, sich feste Vor-
schriften machen zu lassen. Nur bei drei Fällen kann man mit einiger Sicherheit annehmen, er
habe eine Vorlage des Auftraggebers einfach übernommen (Nr. 457, 483 u. z. T. 478). Bei anderen
hat er die fremden Wünsche seiner Meisterinschrift nur beigefügt (Nr. 445, 469, auch 478) oder sie
miteinander verquickt (Nr. 468, 470, 477?); vielleicht sind so auch die Zusammenstellungen von
Wetterformeln und Gießernamen zu erklären (z. B. Nr. 433). Oft hatte der Meister jedoch völlig
freie Fland, wie sich aus den reinen Meisterinschriften entnehmen läßt.
Auch eine unpersönliche Macht bestimmte schließlich den Wortlaut der Inschrift: die Entwicklung
des Gußhandwerks zum Werkstättenbetrieb. Während in den früheren Zeiten der Gießer jede
Inschrift Buchstabe für Buchstabe neu bilden mußte, konnte er bei fortgeschrittener Gußtechnik
einmal angefertigte Formen immer wieder verwenden. Das führte in zahlreichen Fällen zu fast
mechanischer Wiederholung (Nr. 456, 462, 471 ff.). Gerade die größeren Werkstätten wie Lacha-
mann und Christoph, die nicht am Bestimmungsort der Glocken gossen, machten es sich auf diese
Weise leicht, während ein kleinerer Gießer wie Arnold von Fulda, der unter den Augen der Dorf-
bewohner arbeitete, diesem Verfahren weniger leicht verfallen konnte. Selbst wo in den Inschriften
kleine Veränderungen - abgesehen von der Jahreszahl - vorkommen, waren oft die mechanischen
Verhältnisse bestimmend. So hat die Verkürzung des Verses: „zu gottes lob und dienst gehör ich“
(Nr. 471 u. 473) auf: „zu gottes lob gehör ich“ (Nr. 472) lediglich in dem kleineren Umfang dieser
Glocke ihren Grund. Wo aus dem Versinneren nichts herauszunehmen war, ist auf eine rohere
Weise verfahren: es fiel einfach das Ende weg (Nr. 464, 465, 474).
Die zugrunde liegende Entwicklung von der Einzelanfertigung der Buchstaben mit freier Hand
zum Gebrauch von Formen ist von besonderem schriftkundlichen Interesse. Für die ältesten
Arten: die Herstellung der Inschrift durch Einschneiden in die fertige Glocke oder ihr Talgmodell
oder aber durch spiegelverkehrtes Eingraben in den Mantel (d. i. die äußere Gußform) finden sich
in unserem Bezirk keine Beispiele. Alle unsere Inschriften sind mit Hilfe von erhabenen Wachs-
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gibt ihm einen Namen wie einem Menschen. Ursprung und Vorbild mag die zu allen Zeiten geübte
Weihe „zu Ehren“ eines Heiligen gewesen sein, die uns auch von zwei späteren Glocken unseres
Gebietes überliefert ist (Nr. 486 u. 488). In Verbindung mit den feierlichen Zeremonien der Ab-
waschung und Salbung der Glocke während ihrer Weihe erhielt nun diese Namengebung allmählich
das Ansehen einer regelrechten „Taufe“, zu der man schließlich noch „Paten“ beizog. Unsere In-
schriften geben auch für diese großenteils untergegangenen Vorstellungen und Gebräuche einige
Belege. Eine der Glocken berichtet selbst von ihrer Taufe (Nr. 457) und vier andere nennen ihre
Namen: einmal „Maria“ (Nr. 445), die übrigen drei „Osanna“ (vgl. Nr. 426 u. 455). Beides sind
auch in anderen Bezirken die gebräuchlichsten Glockennamen, wenn dort auch nicht die einzigen.
Nur von Glockenpaten hören wir in unseren Inschriften nichts; vielleicht darf man aber die auf
einigen späten Glocken genannten Personen als solche auffassen (Nr. 485 u. 486).
Trotz dieser wenigen und sehr gewöhnlichen Glockennamen läßt sich in dem einen oder anderen
Fall vermuten, wer sie bestimmte. Bei zweien (Nr. 455 u. 462) steht die Nennung in einem Text,
der nicht nur für eine Glocke geschaffen, sondern formelhaft immer wieder verwendet wurde: er
läßt sich bis jetzt nicht weniger als vierzehnmal nachweisen. Da in ihm der Name des Gießers vor-
kommt, an dem nur ihm selbst viel gelegen sein kann, wird bei solcher fast fabrikmäßigen Herstel-
lung auch die ganze Inschrift einschließlich des Glockennamens vom Gießer herrühren. Dagegen
hat das Doppeldistichon der Wertheimer Glocke (Nr. 457) sicher ein anderer verfaßt, vermutlich ein
Insasse des Klosters Holzkirchen. Nimmt man den Dichter beim Wort, so war es der Auftraggeber
selbst, d. h. der Probst, der den Namen wählte, mindestens aber doch einer seiner Untergebenen.
Damit sind wir bei der umfassenderen Frage angelangt, wer von den vielen Beteiligten den Wort-
laut unserer Glockeninschriften bestimmte: der Gießer, der Pfarrer, die Gemeinde — d. h. ihre
kirchlichen oder weltlichen Oberhäupter - oder die Herrschaft. Die Frage muß fast für jede Glocke
neu gestellt werden, und sehr oft ist sie überhaupt nicht zu beantworten. Gerade von unseren
frühen Inschriften mit den wetterbeschwörenden Formeln läßt sich nicht sagen, von wem sie
stammen, ebensowenig von den allgemein religiösen Sprüchen oder bloßen Datumsangaben. Erst
wo der Name des Meisters, einer Amtsperson oder eines Heiligen begegnet, sehen wir klarer. Denn
Gießernennungen gehen natürlich auf das Bedürfnis des Gießers zurück, die Namen von Bürger-
und Gotteshausmeistern oder Stiftern auf deren Wunsch, und wo bei einem Heiligennamen litur-
gische Zusammenhänge sichtbar werden (Nr. 468—470), sprach sicher der Pfarrer des Ortes mit;
die Nennung des Landesherrn (Nr. 477, 478, 480, 483) war schließlich ebenfalls beantragt, ent-
weder von seinen Beamten oder von der Gemeinde, die vielleicht eine Dankesschuld abtragen
wollte. Im allgemeinen entsprach es nicht dem angesehenen Stand des Gießers, sich feste Vor-
schriften machen zu lassen. Nur bei drei Fällen kann man mit einiger Sicherheit annehmen, er
habe eine Vorlage des Auftraggebers einfach übernommen (Nr. 457, 483 u. z. T. 478). Bei anderen
hat er die fremden Wünsche seiner Meisterinschrift nur beigefügt (Nr. 445, 469, auch 478) oder sie
miteinander verquickt (Nr. 468, 470, 477?); vielleicht sind so auch die Zusammenstellungen von
Wetterformeln und Gießernamen zu erklären (z. B. Nr. 433). Oft hatte der Meister jedoch völlig
freie Fland, wie sich aus den reinen Meisterinschriften entnehmen läßt.
Auch eine unpersönliche Macht bestimmte schließlich den Wortlaut der Inschrift: die Entwicklung
des Gußhandwerks zum Werkstättenbetrieb. Während in den früheren Zeiten der Gießer jede
Inschrift Buchstabe für Buchstabe neu bilden mußte, konnte er bei fortgeschrittener Gußtechnik
einmal angefertigte Formen immer wieder verwenden. Das führte in zahlreichen Fällen zu fast
mechanischer Wiederholung (Nr. 456, 462, 471 ff.). Gerade die größeren Werkstätten wie Lacha-
mann und Christoph, die nicht am Bestimmungsort der Glocken gossen, machten es sich auf diese
Weise leicht, während ein kleinerer Gießer wie Arnold von Fulda, der unter den Augen der Dorf-
bewohner arbeitete, diesem Verfahren weniger leicht verfallen konnte. Selbst wo in den Inschriften
kleine Veränderungen - abgesehen von der Jahreszahl - vorkommen, waren oft die mechanischen
Verhältnisse bestimmend. So hat die Verkürzung des Verses: „zu gottes lob und dienst gehör ich“
(Nr. 471 u. 473) auf: „zu gottes lob gehör ich“ (Nr. 472) lediglich in dem kleineren Umfang dieser
Glocke ihren Grund. Wo aus dem Versinneren nichts herauszunehmen war, ist auf eine rohere
Weise verfahren: es fiel einfach das Ende weg (Nr. 464, 465, 474).
Die zugrunde liegende Entwicklung von der Einzelanfertigung der Buchstaben mit freier Hand
zum Gebrauch von Formen ist von besonderem schriftkundlichen Interesse. Für die ältesten
Arten: die Herstellung der Inschrift durch Einschneiden in die fertige Glocke oder ihr Talgmodell
oder aber durch spiegelverkehrtes Eingraben in den Mantel (d. i. die äußere Gußform) finden sich
in unserem Bezirk keine Beispiele. Alle unsere Inschriften sind mit Hilfe von erhabenen Wachs-
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