19 Westlettner
Inschrift an der Gewölbefigur
Um 1239
Eine besondere Bedeutung erhält diese Inschrift durch den Schöpfer der Plastik des
Mainzer Westlettners, den Naumburger Meister. Die Beschreibung und Inschrift
kommt in den Fragmenta Gamans Seite 5 mit gleichem Wortlaut wie bei Bourdon
Seite 12 vor, demnach hat wohl Bourdon seinen Text aus Helwich, der Quelle von
Gamans abgeschrieben. (Wörtlich:) „Einst befand sich im Lettner und im Ausgang
aus dem Chor oben im Gewölbe eine menschliche Figur, die Arme und Beine in Kreuz-
form ausstreckte und sehr alt war. Sie hielt in der rechten Hand eine Waage und in
der linken zwei Krüge mit einem Schriftband:
Ouatuor hic posita mixtura leo draco libra,
signant temperiem vim jus prudenter agentem.
3u viert ftnb bargefteht SOlifcfitrug, £ötvc, ©radje unb SÖaage,
£)ar;uftolen O^igfeit, .Straft, 9ied?t unb finget ^anbeln.
Außerdem hatte die Figur unter dem rechten Fuß einen Drachen, unter dem linken
einen Löwen. Über dem Eingang zum hohen Chor begegnet zuerst die Jahreszahl 1682,
in dem die Einbauten abgebrochen und die neuen, die man heute sieht (1727), errichtet
wurden. (Letzter Satz natürlich von Bourdon dazugesetzt.)
Die Datierung 1239 ergibt sich aus der Einweihung des Westchors. Es ist anzunehmen,
daß bei dieser hochfestlichen Gelegenheit der Lettner fertiggestellt war. Vergleich-
bare Figuren der vier Kardinaltugenden befinden sich im Chorgewölbe von St. Emme-
ran 1 (um 1350) und in der Ritterkapelle zu Haßfurt (um 1420—30), die ebenfalls mit
ihrem Körper über der Kreuzung der Diagonalrippen des Gewölbes sitzen, also einen
Schlußstein bilden, und ihre Arme und Beine längs der Rippen ausstrecken. — Reste
dieser Lettnerfigur kamen 1926—28 bei Anlage der neuen Bischofsgruft aus den Fun-
damenten der 1682 errichteten barocken Chorschranken zum Vorschein, nämlich ein
an eine Rippe angearbeiteter Arm und eine Kniescheibe, wahrscheinlich gehört auch
noch der Kopf mit der Binde dazu. — Eine Beziehung der Figur auf die Zeremonien
der Königskrönung ist unwahrscheinlich, denn in St. Emmeran zu Mainz und in der
Ritterkapelle zu Haßfurt sind Anspielungen auf die Krönung oder den König unmög-
lich 2. Eher ist an eine Verknüpfung mit Christus zu denken, denn auf den Tragaltären
aus Öttingen und aus Watterbach und auf der Patene des heiligen Bernward im
Weifenschatz werden die vier Kardinaltugenden in enger Verbindung mit Christus
oder der eucharistischen Hostie dargestellt. —- An gleicher Stelle wie in Mainz „im
Lettner und im Ausgang aus dem Chor“ breitet über den zwei Türen des Naumburger
Westlettners, der vom gleichen Meister geschaffen ist, der gekreuzigte Heiland seine
Arme aus.
Kdm. Dom S. 153. — Falk in: Kirchenschmuck 23 (1868) S. 61. — O. Schmitt in: Oberrheinische Kunst 5 (1932)
S. 13. — Neeb in MZ. XI (1916) S. 38 ff.
1 Kdm. Kirchen S. 106. — Am 27. Februar 1945 ging diese Figur durch Fliegerangriff unter.
2 O. Schmitt, Zur Deutung der Gewölbefigur am ehern. Westlettner. Festschrift Schrohe (Mainz 1934) S. 70 A
20 Westlettner Inschriftenreste Um 1239
Jetzt im Dommuseum. Gefunden 1926. Drei Steinstücke, die Länge der mittleren In-
schrift 40 cm, ferner 30 und 20 cm. Offenbar stand die Inschrift über einem Bogen,
dessen Scheitel mit seinem Wulstprofil noch erhalten .ist. Schrift 7 cm, Antiquaver-
salien mit Unzialen gemischt. Die Buchstaben sind schwarz auf weißen Grund auf-
getragen, die obere und untere Kante war ,von einem roten Strich gebildet. Da nur
Teile der Buchstaben erhalten sind, kann man sie nicht restlos entziffern.
M F L(?)OE.. EN- ..
A
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Inschrift an der Gewölbefigur
Um 1239
Eine besondere Bedeutung erhält diese Inschrift durch den Schöpfer der Plastik des
Mainzer Westlettners, den Naumburger Meister. Die Beschreibung und Inschrift
kommt in den Fragmenta Gamans Seite 5 mit gleichem Wortlaut wie bei Bourdon
Seite 12 vor, demnach hat wohl Bourdon seinen Text aus Helwich, der Quelle von
Gamans abgeschrieben. (Wörtlich:) „Einst befand sich im Lettner und im Ausgang
aus dem Chor oben im Gewölbe eine menschliche Figur, die Arme und Beine in Kreuz-
form ausstreckte und sehr alt war. Sie hielt in der rechten Hand eine Waage und in
der linken zwei Krüge mit einem Schriftband:
Ouatuor hic posita mixtura leo draco libra,
signant temperiem vim jus prudenter agentem.
3u viert ftnb bargefteht SOlifcfitrug, £ötvc, ©radje unb SÖaage,
£)ar;uftolen O^igfeit, .Straft, 9ied?t unb finget ^anbeln.
Außerdem hatte die Figur unter dem rechten Fuß einen Drachen, unter dem linken
einen Löwen. Über dem Eingang zum hohen Chor begegnet zuerst die Jahreszahl 1682,
in dem die Einbauten abgebrochen und die neuen, die man heute sieht (1727), errichtet
wurden. (Letzter Satz natürlich von Bourdon dazugesetzt.)
Die Datierung 1239 ergibt sich aus der Einweihung des Westchors. Es ist anzunehmen,
daß bei dieser hochfestlichen Gelegenheit der Lettner fertiggestellt war. Vergleich-
bare Figuren der vier Kardinaltugenden befinden sich im Chorgewölbe von St. Emme-
ran 1 (um 1350) und in der Ritterkapelle zu Haßfurt (um 1420—30), die ebenfalls mit
ihrem Körper über der Kreuzung der Diagonalrippen des Gewölbes sitzen, also einen
Schlußstein bilden, und ihre Arme und Beine längs der Rippen ausstrecken. — Reste
dieser Lettnerfigur kamen 1926—28 bei Anlage der neuen Bischofsgruft aus den Fun-
damenten der 1682 errichteten barocken Chorschranken zum Vorschein, nämlich ein
an eine Rippe angearbeiteter Arm und eine Kniescheibe, wahrscheinlich gehört auch
noch der Kopf mit der Binde dazu. — Eine Beziehung der Figur auf die Zeremonien
der Königskrönung ist unwahrscheinlich, denn in St. Emmeran zu Mainz und in der
Ritterkapelle zu Haßfurt sind Anspielungen auf die Krönung oder den König unmög-
lich 2. Eher ist an eine Verknüpfung mit Christus zu denken, denn auf den Tragaltären
aus Öttingen und aus Watterbach und auf der Patene des heiligen Bernward im
Weifenschatz werden die vier Kardinaltugenden in enger Verbindung mit Christus
oder der eucharistischen Hostie dargestellt. —- An gleicher Stelle wie in Mainz „im
Lettner und im Ausgang aus dem Chor“ breitet über den zwei Türen des Naumburger
Westlettners, der vom gleichen Meister geschaffen ist, der gekreuzigte Heiland seine
Arme aus.
Kdm. Dom S. 153. — Falk in: Kirchenschmuck 23 (1868) S. 61. — O. Schmitt in: Oberrheinische Kunst 5 (1932)
S. 13. — Neeb in MZ. XI (1916) S. 38 ff.
1 Kdm. Kirchen S. 106. — Am 27. Februar 1945 ging diese Figur durch Fliegerangriff unter.
2 O. Schmitt, Zur Deutung der Gewölbefigur am ehern. Westlettner. Festschrift Schrohe (Mainz 1934) S. 70 A
20 Westlettner Inschriftenreste Um 1239
Jetzt im Dommuseum. Gefunden 1926. Drei Steinstücke, die Länge der mittleren In-
schrift 40 cm, ferner 30 und 20 cm. Offenbar stand die Inschrift über einem Bogen,
dessen Scheitel mit seinem Wulstprofil noch erhalten .ist. Schrift 7 cm, Antiquaver-
salien mit Unzialen gemischt. Die Buchstaben sind schwarz auf weißen Grund auf-
getragen, die obere und untere Kante war ,von einem roten Strich gebildet. Da nur
Teile der Buchstaben erhalten sind, kann man sie nicht restlos entziffern.
M F L(?)OE.. EN- ..
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