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Arens, Fritz [Bearb.]; Bauer, Konrad Friedrich [Bearb.]; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste [Mitarb.]; Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Bayerische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig [Mitarb.]; Österreichische Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften in Göttingen [Mitarb.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Mitarb.]
Die deutschen Inschriften: DI (Band 2 : Heidelberger Reihe ; Band 2): Die Inschriften der Stadt Mainz von frühmittelalterlicher Zeit bis 1650: auf Grund der Vorarbeiten von Konrad F. Bauer — Stuttgart: Druckenmueller, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.52057#0070
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Bemerkungen zur Schriftgeschichte
von Konrad F. Bauer
Die Mainzer Inschriften erlauben es, die Entwicklung der epigraphischen Schrift von der
römischen Zeit an in einer nahezu lückenlosen Reihe zu verfolgen 1. Diese soll hier in Kürze
zur einfachen Unterrichtung des Lesers geschildert werden 2.
Die Entwicklung der Monumentalschrift ging einen anderen Weg als die der Handschrift, deren
Formen seit der Spätantike jene tief eingreifenden Wandlungen erfuhren, die zur Ausbildung
der Minuskelschrift führten. Auf den Stein- und Metalldenkmälern blieb die römische Kapital-
schrift am Leben, freilich nicht unverändert. Fremde Formen, sehr verschiedenartiger Her-
kunft, drangen in das Alphabet ein und verschwanden wieder. Aber auch die stilistischen
Merkmale der Schrift blieben in ständiger Wandlung, so daß es nicht nur möglich ist, die Ent-
stehungszeit einer Inschrift aus den Schriftformen einigermaßen zuverlässig zu erschließen: der
Rhythmus des allgemeinen Formenwandels stellt sich in der Monumentalschrift so bündig dar,
daß die Schrift der Denkmäler selbst als Gegenstand kunstgeschichtlicher Untersuchung gewer-
tet zu werden verdiente.
Während der römischen Kaiserzeit hatten sich für die Gestalt der Monumentalschrift feste
Regeln herausgebildet, die von den Steinmetzen streng befolgt wurden, so daß mehrere Jahr-
hunderte lang tatsächlich keinerlei Willkürlichkeiten in den Inschriften erscheinen. Erst im vier-
ten Jahrhundert zeigten sich die ersten Brüche im klassischen Formbestand der Schrift. Fremd-
formen drangen ein, zum Teil aus der Vulgärkursive, wie das L mit schräg abwärts gezoge-
nem Fuß oder das vorgeneigte S, während andere Eindringlinge, wie das A mit gebrochenem
Querbalken, griechischer Übung entsprechen. Diese Zersetzung der klassischen Schrift, die mit
einem raschen Absinken der handwerklichen Güte der Steinmetzarbeit Hand in Hand ging,
kennzeichnet die frühchristlichen Inschriften des 4. und 5. Jahrhunderts, die sich zugleich
durch das Formular wie durch die Symbolik von den heidnisch-römischen unterscheiden.
Im 6. und 7. Jahrhundert zeigten sich, ganz offensichtlich unter dem Einfluß der Germanen-
herrschaft, in den ehemals römischen Gebieten Ansätze zu einem neuen Stil der Schrift. Eine
Vorliebe für eckige Buchstabenformen wird deutlich, und da zugleich — oft folgerichtig durch-
geführt — die Grundstriche nach oben und unten verlängert wurden, entstand eine dem Stil
der Runen nahe verwandte Monumentalschrift, die vom Rhein bis in das spanische Westgoten-
reich verbreitet war.
Dieser bemerkenswerten Entwicklung machte die karolingische Renaissance ein Ende, mit der
um das Jahr 800 die römische Kapitale der Kaiserzeit als Monumentalschrift wiederbelebt
wurde. Karolingische Inschriften sind besonders in Bruchstücken oft nur schwer von römischen
zu unterscheiden, doch wird stets eine gewisse Befangenheit in der Nachahmung des Vorbildes
zu erkennen sein: besonders in den Verbindungen der schrägen Striche im M und N, die meist
auffallend unorganisch und locker sind. Auch finden sich gelegentlich Fremdformen wie ein
eckiges C ( E Nr. 5 u. 653) oder ein Q mit senkrecht in den Kreis gesetztem Schweif (Nr. 2,
655).
Die karolingischen Schriftformen bilden die Grundlage für die im wesentlichen stetige Weiter-
entwicklung, die vom 9. bis ins 14. Jahrhundert reicht. Grundlage blieb also die römische Ka-
pitale, doch drangen Fremdformen in wachsender Zahl ein, die zusammen mit stilistischen
Wandlungen der Schriftzeichnung wesentliche Änderungen des Schriftbildes hervorriefen. Seit
dem 11. Jahrhundert bürgerten sich die aus der Unziale stammenden Formen der Buchstaben
A(A>, E(€ Nr. 12—18), M (Sft) und U Nr. 664) ein, während der Minuskel das N (ft Nr.
17) entlehnt wurde. Die Vorliebe für eckige Formen verstärkte sich von neuem und hielt bis
in das 12. Jahrhundert an. Ligaturen, oft sehr verwickelter Art, wurden beliebt und mit offen-
sichtlicher Freude an dem so gewonnenen reicheren Schriftbild verwendet.
Doch bietet — hier wie zu allen Zeiten — das Auftreten und Verschwinden einzelner Buch-
stabenformen keine sehr sichere Handhabe für die zeitliche Einordnung der Inschriften. Zu-
verlässiger sind stets die Stilmerkmale der Schriftzeichnung, und grundsätzlich darf für die
Zeit vom 9. bis zum 13. Jahrhundert gesagt werden: die einzelnen, anfangs locker gefügten
1 Die Fußnoten dieses Abschnitts sind von F. Arens beigesteuert.
2 Ausführliche Darstellung von K. F. Bauer in der Mainzer Epigraphik.

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