fuhren157 158. Aus dem Umkreis des württembergischen Hofes des Grafen Eberhard im Bart sind zu nen-
nen sein 1472 datierter Uracher Betstuhl, ferner seine verbreitete Devise ATTEMPTO, verbunden
mit dem Emblem des Palmbaums138, mit denen er nicht nur als Bauherr firmierte, sondern auch Ge-
genstände seines Lebensbereiches markierte, wie seine Bücher, das zur Erhebung zum Herzog 1494
verliehene Prunkschwert, seine Bildnisse sowie Grabplatte und Epitaph (vgl. auch hier nr. 111). In
Hirsau ist als frühestes Beispiel ein Gewölbeschlußstein des Kreuzgangs von 1493 zu verzeichnen159.
Auch im Rems-Murr-Kreis erscheint diese Schrift erst 1491, bezeichnenderweise auch dort in Zu-
sammenhang mit der Devise Eberhards im Bart160.
Auch wenn die Frühhumanistische Kapitalis im Bearbeitungsgebiet zahlenmäßig mit 14 Exempla-
ren gering erscheint, so sind die Denkmäler, die diese Schrift tragen, in epigraphischer und kunst-
historischer Hinsicht besonders gewichtig. Das Herrenberger Chorgestühl von 1517 (nr. 156) ist em
Beispiel dafür, daß gerade in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts eine staunenswerte Varia-
tionsbreite in den führenden Bildhauer-Werkstätten beobachtet werden kann. Dabei spielt die Über-
legung eine untergeordnete Rolle, ob die Ausführung der Inschriften bei größeren Aufträgen von
Spezialisten außerhalb des Werkstattbetriebs geleistet wurde. Hier ist vor allem bedeutsam, daß seit
dem Ulmer Chorgestühl (1469-74) nicht mehr nur eine einzige Art der Beschriftung in Gotischer
Minuskel für Kirchenmöbel üblich war, sondern daß man verschiedene Schriftarten abwechselnd
einsetzte und daß man diese verschiedenen Personenkreisen oder Darstellungsebenen hierarchisch
zuordnete. In dieser Praxis vorangegangen war der Bildhauer Hans Multscher mit seinen Beschrif-
tungen des Karg-Retabels 1433 im Ulmer Münster161. Multscher griff vielleicht Methoden auf, mit
denen Jan van Eyck schon viel früher bei der Beschriftung einzelner Werke mit verschiedenartigen
Schriften experimentiert hatte. Für den Bereich der Malerei kann auf den Tiefenbronner Altar, si-
gniert 1431 von Lucas Moser von Weil der Stadt, und auf den Salemer Altar des Bernhard Strigel,
entstanden 1507/08, verwiesen werden; Strigels Tafeln tragen breite Spruchbänder, die abwechselnd
mehrere Schriftarten präsentieren162.
Das Herrenberger Chorgestühl (1517, nr. 156) steht insofern auch in dieser Tradition, als es min-
destens drei verschiedene Schriftarten verwendet. Die Frühhumanistische Kapitalis ist gewissermaßen
die „Hauptschrift“; sie wird als Schrift des Alten Testaments mit dem Zyklus der Propheten verbun-
den und der Gotischen Minuskel als Schrift des Neuen Testaments, die Christus und den Aposteln
zugeordnet ist, gegenübergestellt. Doch zeigt der Befund an, daß man Anfang des 16.Jahrhunderts
bereits neue Wege suchte. Denn es überwiegen bei der Kapitalschrift auf den Spruchbändern der
Propheten bereits die Formen der klassischen Kapitalis. Bei der Gotischen Minuskel melden sich neue
Tendenzen an, denn auch hier enden die Schäfte bereits ohne Brechung in Quadrangeln auf
der Grundlinie. Die auffälligsten Schriften des Gestühls findet man in den aufgeschlagenen Büchern
der Evangelisten und auf den Spruchbändern der Figuren auf den Brüstungsreliefs; hier steht eine
Gotico-Humanistica neben einer Frühhumanistischen Kapitalis reinster Form und neben einer
Gotischen Minuskel ganz ohne Versal.
Das seinem künstlerischen Rang nach wichtigste Belegstück für die Verwendung dieser Schrift in
der Goldschmiedekunst des Bearbeitungsgebiets ist das Altarkreuz der kath. Stadtpfarrkirche in Weil
der Stadt (nr. 123), dessen Entstehung neuerdings für die Zeit nach 1473 wahrscheinlich gemacht
werden kann163. Der Schriftbefund spricht nicht dagegen: die Schriften der Frontseite und des Agnus
Dei auf der Rückseite sind einheitlich in Frühhumanistischer Kapitalis ausgeführt, während die
originale Schrift des Karlsruher Kreuzes, das nun Baden-Badener Kreuz zu nennen ist, die Gotische
Minuskel war164. Die Schriftbänder der Evangelisten der Rückseite sind in Kapitalis ausgeführt. Dar-
aus wird deutlich, daß die Abweichungen und damit vermutlich auch der Abstand zwischen beiden
Werken im einzelnen größer sind, als bisher zugegeben. Für die Frühhumanistische Kapitalis dieses
Werkes ist charakteristisch, daß sie der klassischen Kapitalis insofern angenähert ist, als sie auf stark
verfremdete Buchstabenformen, wie das sog. byzantinische M, verzichtet und auch nicht die übli-
chen Ausbuchtungen bei H oder N verwendet.
b7 Bauhütte des fürstlichen Werkmeisters Aberlin Jörg; vgl. DI 25 (Ludwigsburg) nr. 106 u. Einl. XLVIII.
158 Vgl. dazu zuletzt G. Faix, in: Eberhard im Bart und die Wallfahrt nach Jerusalem 1998, 99 ff. u. 108 ff.
159 Vgl. DI 30 (Calw) nr. 146.
160 Vgl. DI 37 (Rems-Murr-Kreis) nr. 57.
Vgl. Hans Multscher. Bildhauer der Spätgotik. Kat. d. Ausst. Ulm 1997. Ulm 1997, Kat. nr. 17; Krohm, H., Bemer-
kungen zur kunsthistorischen Problematik der Karg-Nische im Ulmer Münster. Ebd. 109 — 127; bes. 110—112.
,,, Die Tafeln des Salemer Altars befinden sich neuerdings in Karlsruhe, Bad. Landesmuseum.
163 Siehe oben XXXIII.
164 Zu den Inschriften vgl. DI 20 (Karlsruhe) nr. 60.
XLIV
nen sein 1472 datierter Uracher Betstuhl, ferner seine verbreitete Devise ATTEMPTO, verbunden
mit dem Emblem des Palmbaums138, mit denen er nicht nur als Bauherr firmierte, sondern auch Ge-
genstände seines Lebensbereiches markierte, wie seine Bücher, das zur Erhebung zum Herzog 1494
verliehene Prunkschwert, seine Bildnisse sowie Grabplatte und Epitaph (vgl. auch hier nr. 111). In
Hirsau ist als frühestes Beispiel ein Gewölbeschlußstein des Kreuzgangs von 1493 zu verzeichnen159.
Auch im Rems-Murr-Kreis erscheint diese Schrift erst 1491, bezeichnenderweise auch dort in Zu-
sammenhang mit der Devise Eberhards im Bart160.
Auch wenn die Frühhumanistische Kapitalis im Bearbeitungsgebiet zahlenmäßig mit 14 Exempla-
ren gering erscheint, so sind die Denkmäler, die diese Schrift tragen, in epigraphischer und kunst-
historischer Hinsicht besonders gewichtig. Das Herrenberger Chorgestühl von 1517 (nr. 156) ist em
Beispiel dafür, daß gerade in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts eine staunenswerte Varia-
tionsbreite in den führenden Bildhauer-Werkstätten beobachtet werden kann. Dabei spielt die Über-
legung eine untergeordnete Rolle, ob die Ausführung der Inschriften bei größeren Aufträgen von
Spezialisten außerhalb des Werkstattbetriebs geleistet wurde. Hier ist vor allem bedeutsam, daß seit
dem Ulmer Chorgestühl (1469-74) nicht mehr nur eine einzige Art der Beschriftung in Gotischer
Minuskel für Kirchenmöbel üblich war, sondern daß man verschiedene Schriftarten abwechselnd
einsetzte und daß man diese verschiedenen Personenkreisen oder Darstellungsebenen hierarchisch
zuordnete. In dieser Praxis vorangegangen war der Bildhauer Hans Multscher mit seinen Beschrif-
tungen des Karg-Retabels 1433 im Ulmer Münster161. Multscher griff vielleicht Methoden auf, mit
denen Jan van Eyck schon viel früher bei der Beschriftung einzelner Werke mit verschiedenartigen
Schriften experimentiert hatte. Für den Bereich der Malerei kann auf den Tiefenbronner Altar, si-
gniert 1431 von Lucas Moser von Weil der Stadt, und auf den Salemer Altar des Bernhard Strigel,
entstanden 1507/08, verwiesen werden; Strigels Tafeln tragen breite Spruchbänder, die abwechselnd
mehrere Schriftarten präsentieren162.
Das Herrenberger Chorgestühl (1517, nr. 156) steht insofern auch in dieser Tradition, als es min-
destens drei verschiedene Schriftarten verwendet. Die Frühhumanistische Kapitalis ist gewissermaßen
die „Hauptschrift“; sie wird als Schrift des Alten Testaments mit dem Zyklus der Propheten verbun-
den und der Gotischen Minuskel als Schrift des Neuen Testaments, die Christus und den Aposteln
zugeordnet ist, gegenübergestellt. Doch zeigt der Befund an, daß man Anfang des 16.Jahrhunderts
bereits neue Wege suchte. Denn es überwiegen bei der Kapitalschrift auf den Spruchbändern der
Propheten bereits die Formen der klassischen Kapitalis. Bei der Gotischen Minuskel melden sich neue
Tendenzen an, denn auch hier enden die Schäfte bereits ohne Brechung in Quadrangeln auf
der Grundlinie. Die auffälligsten Schriften des Gestühls findet man in den aufgeschlagenen Büchern
der Evangelisten und auf den Spruchbändern der Figuren auf den Brüstungsreliefs; hier steht eine
Gotico-Humanistica neben einer Frühhumanistischen Kapitalis reinster Form und neben einer
Gotischen Minuskel ganz ohne Versal.
Das seinem künstlerischen Rang nach wichtigste Belegstück für die Verwendung dieser Schrift in
der Goldschmiedekunst des Bearbeitungsgebiets ist das Altarkreuz der kath. Stadtpfarrkirche in Weil
der Stadt (nr. 123), dessen Entstehung neuerdings für die Zeit nach 1473 wahrscheinlich gemacht
werden kann163. Der Schriftbefund spricht nicht dagegen: die Schriften der Frontseite und des Agnus
Dei auf der Rückseite sind einheitlich in Frühhumanistischer Kapitalis ausgeführt, während die
originale Schrift des Karlsruher Kreuzes, das nun Baden-Badener Kreuz zu nennen ist, die Gotische
Minuskel war164. Die Schriftbänder der Evangelisten der Rückseite sind in Kapitalis ausgeführt. Dar-
aus wird deutlich, daß die Abweichungen und damit vermutlich auch der Abstand zwischen beiden
Werken im einzelnen größer sind, als bisher zugegeben. Für die Frühhumanistische Kapitalis dieses
Werkes ist charakteristisch, daß sie der klassischen Kapitalis insofern angenähert ist, als sie auf stark
verfremdete Buchstabenformen, wie das sog. byzantinische M, verzichtet und auch nicht die übli-
chen Ausbuchtungen bei H oder N verwendet.
b7 Bauhütte des fürstlichen Werkmeisters Aberlin Jörg; vgl. DI 25 (Ludwigsburg) nr. 106 u. Einl. XLVIII.
158 Vgl. dazu zuletzt G. Faix, in: Eberhard im Bart und die Wallfahrt nach Jerusalem 1998, 99 ff. u. 108 ff.
159 Vgl. DI 30 (Calw) nr. 146.
160 Vgl. DI 37 (Rems-Murr-Kreis) nr. 57.
Vgl. Hans Multscher. Bildhauer der Spätgotik. Kat. d. Ausst. Ulm 1997. Ulm 1997, Kat. nr. 17; Krohm, H., Bemer-
kungen zur kunsthistorischen Problematik der Karg-Nische im Ulmer Münster. Ebd. 109 — 127; bes. 110—112.
,,, Die Tafeln des Salemer Altars befinden sich neuerdings in Karlsruhe, Bad. Landesmuseum.
163 Siehe oben XXXIII.
164 Zu den Inschriften vgl. DI 20 (Karlsruhe) nr. 60.
XLIV