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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (10. Band = Hessen, 3): Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30290#0088
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Nassau-Dillenburg

den mittailen unnd verkhundigen wolte, unnd das
sie dan solich absolution des priesters frolichen glau-
ben unnd gar nit zweiveln, es seien inen ir sunde
auch warlich im hymel vergeben. So konnen sie dan
davor reuwe in irem gewissen haben unnd ein soli-
cher glaub kan in aller annfechtung besteen, dan er
hadt Gottes wort unnd werck allenthalben fur sich,
dan er weiß ye, das ime der tiener sein sunde ver-
geben hadt, unnd weiß, das er dasselbig zuthun von
Gott und der kirchen bevelch hadt. Er waiß auch,
das Gott zugesagt hadt: Wem ir die sunde vergebent
auff erden, dem sullen sie auch im hymmel vergeben
• 37
sein37 .
Unnd sollen die prediger dem volck darbeneben
antzaigen, wie38 sie solich absolution bey dem prie-
ster zuholen verachten, werden sie vergebung der
sunden an dem ort nit fynnden, da sie Gott nit hin-
gelegt unnd zugesagt hadt. Darumb sollen sie es nit
verachten, dan es sey Gottes bevelche unnd ordnung
unnd der hailig gaist sey darbey unnd wirck on
zweivel, biß das er inen zur seligkeit dienstlich sey,
und das ist die erste unnd furnemeste ursach, dar-
umb sol man die beicht nit lassen abkhomen in der
kirchen, dan es kan nit felen, wo man den brauch
der absolution fallen leßt, da muß auch die lere von
vergebung der sunde und von dem gewalt der
schlussel, welchs der trostlichste artickel ist unnsers
glaubens, verdunckelt und vergessen werden.
Zum anndern muß man die beicht nit lassen ab-
khommen | l0r | umb der gaistlichen zucht willen, so
man in der kirchen haben und behalten mueß, dan
es konnen je die leute am fuglichsten in der beicht
underweißt werden. Dan waß zu ainem allein in ge-
haim bruderlicher weiß geredt wirt, das geet ime na-
her zu hertzen, dan waß man in hauffen schreiet39.
Unnd dienet die beicht wol fur die rohe, wilde, un-
erzogen jugent unnd anndere einfaltige menschsen
[!], wie dan zwar der meiste hauff in gotlichen din-
gen gantz ungeschickt und ungeubet ist.
Dan dweil der gemain hauffen ein unfleissig ding
ist, hoert immerdar predigen, lernet nicht destome-
37 Vgl. Mt 6,14-15; Mk 11,25-26.
38 Wenn.
39 Das, was man einer Gruppe von Personen zuruft.
40 Dtn 6,6-7.

her, keret sich auch wenig daran, darzu halten die
haußvetter und haußmuter in iren heusern nit an,
das sie da Gottes wort treiben, wie sie doch auß Got-
tes bevele zuthun schuldig sein40, darumb, wan die
beicht gleich nirgentz zu gut wer, so ist die dannoch
darzu nutz unnd gut, das man die leute darin un-
derweißt, dan der gemain hauff leufft gewonlich auß
gewonhait zum sacrament unnd weiß nit, warumb
ers brauchen soll. Wer aber solichs nun nit weiß, soll
ye nit zum sacrament gelassen werden. Darumb sol-
len sie sich den kirchendhienern furhthin anzaigen
und dieselbigen mit aller bescheidenheit nach gele-
genhait der personen erforschen, ob sie die zehen ge-
bott, den glauben und das vaterunser khonnen, ob
sie vom sacrament halten und wissen, waß sie fur
frucht darvon haben, wan sie es wirdiglich empfaen,
sonnderlich aber, ob sie gegen niemant feintschafft
oder zorn tragen, dan diesem sacrament nicht meher
entgegen ist dan uneinigkeit. Sie sollen auch weiter
fragen, wie sie die gemelten stucke versteen unnd
also darauß vernemen, wie sich das volck auß der
prediget des catechismi besser und |10v| warin es
mangelt, dieselbigen gutlich unnd freuntlich under-
richten unnd sich sonderlich also darin halten, das
weder jungen noch alten leuten ursach geben werde,
sich in solicher erforschung zuschemen, auff das
man sie dardurch nit dahin dreibe, lange zeit on das
hailig sacrament zupleiben. So kan es auch nit boß
sein, das die pharher die groben, unerfarnen leute
frage, ob sie etwas haben, das sie drucke unnd ir
gewissen beschwere, damit man sie desto leichter
underrichten und ir gewissen trosten unnd zufrie-
denstellen kan. Doch ist das alles zumessigen, damit
die gewissen nit gefanngen werden, welch nym-
mermher kann zufrieden sein, wan unnd solang sie
in dem wane41 stecken, das man fur Gott schuldig
sey, alle sunde mit namen unnd allen iren umbsten-
den zuerzelen, welchs dem mentschen auch unmug-
lich were, wie der David sagt42: Wer verstet die fele,
unnd der Hieremias43: Des mentschen hertz ist böß
unnd unerforschlich. Wer solts erkennen?
41 Irrglauben.
42 Ps 19,13.
43 Jer 17,9.

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