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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0034
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Verpflichtung zu kirchlich korrekter Haltung bedeutet. Auch begegnet die Forderung eines deutschen
Nationalkonzils immer wieder in der kurpfälzischen Religionspolitik. Und seine vermittelnde Haltung
zwischen den Reichsständen seit 1526 und insbesondere seit dem Beginne der 30er Jahre ist so beschaffen,
daß sie zwar manchmal bei den päpstlichen Nuntien Hoffnungen weckt, zumeist diesen aber bittere
Enttäuschungen bereitet und sie mit Argwohn erfüllt. Es scheint, daß die religiösen Fragen der Zeit
Ludwig kaum ein persönliches, nie aber ein über die politischen Gesichtspunkte wesentlich hinausgehen-
des Interesse abgenötigt haben. Er ist ganz und gar Politiker, von da aus sind seine Haltung und seine
Maßnahmen in der Kirchenpolitik zu verstehen und zu beurteilen.
Schon früh erlebt die Kurpfalz ihre erste Berührung mit dem reformatorischen Gedankengut. Am
21. April 1518 trifft Martin Luther selbst in der Residenz- und Universitätsstadt Heidelberg zu einem
Generalkapitel seines Ordens ein und verteidigt am 26. April mit großem Erfolge öffentlich theologische
und philosophische Thesen. Bei des Kurfürsten Bruder Wolfgang, einem ehemaligen Wittenberger
Studenten und Rektor, findet der Wittenberger Professor freundliche Aufnahme, bei den jungen Huma-
nisten der Universität Martin Butzer, Johannes Brenz, Erhard Schnepf, Martin Frecht und Theobald
Billican begeisterte Anhängerschaft, die seine Gedanken in der Folgezeit in Vorlesungen und Dispu-
tationen weiter ausbreiten. Auf dem Wormser Reichstag von 1521 macht Ludwig V. mit Friedrich dem
Weisen von Sachsen - verbunden durch das Interesse am Reichsvikariat - gemeinsame Sache, er oppo-
niert mit Kursachsen in schroff antikurialer Haltung gegen das Reichsmandat gegen Luther und soll
sich für die Aufrechterhaltung von Luthers Geleitbrief besonders eingesetzt haben. Gleichzeitig nimmt
sein Bruder Friedrich Butzer als Hofkaplan an. Das Wormser Edikt ist in der Oberpfalz erst 1522, in
der Rheinpfalz offenbar nicht verkündet worden. Jedenfalls nahm die reformatorische Bewegung im
Gebiete der Kraichgauer Ritterschaft unter dem Schutze des Adels einen großen Aufschwung. Doch
täuschten sich die Freunde der Reformation, wenn sie den Kurfürsten zu einem der ihrigen zählten.
1522 unterzeichnen Ludwig und sein Bruder Friedrich das Mandat des Reichsregiments gegen kirch-
liche Neuerungen und publizieren es in ihren Landen. Im August 1522 erließ der Kurfürst ein Verbot
an die Universität, Winkelpredigten überhaupt und Lesen an anderen als den von alters gebräuchlichen
Orten zu dulden. Dies richtete sich vornehmlich gegen Brenz und Billican, die bald Heidelberg verließen
und in Schwäbisch Hall bzw. in Nördlingen ihre reformatorische Betätigung fortsetzten. Die Berufung
Oekolampads in die Artistenfakultät scheiterte 1522 an dessen reformatorischer Gesinnung. Auch die
Hebraisten Johann Böschenstein und Sebastian Münster, der Graezist Simon Grynaeus und der Latinist
Hermann von dem Busche blieben nur kurze Zeit in Heidelberg, wo sie ungenügend besoldet wurden,
und begaben sich dann meist an evangelische Universitäten. Das in der Folge des Nürnberger Reichstags
von 1524 vom Kurfürsten von der Universität eingeforderte Gutachten über Luther und seine Lehre muß
negativ ausgefallen sein. Die Universität schrieb den Rückgang ihrer Frequenz der lutherischen Lehre
zu. In dieselbe Richtung weisen ein kurfürstlicher Befehl an die Universität über die Ordnung bei theo-
logischen Disputationen vom Ende 1524 und die Anordnung einer Druck- und Bücherverkaufszensur
durch kurfürstliche Beamte vom Frühsommer 1525. Alle diese Maßnahmen geschehen in der Zeit einer
Annäherung der kurpfälzischen Politik an die Absichten der Kurie um der oben beschriebenen Ziele
willen und stehen unter dem Eindruck der Sickingenschen Fehde und des Bauernkriegs.
Als Franz von Sickingen seine Fehde gegen den Trierer Erzbischof Richard von Greifenklau er-
öffnete, wurde auch pfälzisches Gebiet davon in Mitleidenschaft gezogen. Zugleich erkannte Kurfürst
Ludwig von vorneherein die weitreichenden Ziele der Reichsritterschaft, die sich gegen die Landesfürsten
richteten. Deswegen beteiligte er sich sofort und entschieden mit einem starken militärischen Kontingent
an der Niederwerfung Sickingens und seiner Parteigänger, obwohl das Geschlecht von Sickingen und
Franz selbst vielfach in pfälzischen Diensten tätig gewesen waren und die Beteiligung am Kriege Lud-
wig in einen zeitweiligen Gegensatz zum Reichsregiment brachte. Dabei hat die starke Hervorhebung des

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