Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0038
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
der evangelischen Bewegung in den pfälzischen Ländern als auch bei den protestantischen Ständen des
Reiches Hoffnungen erwecken.
Doch in den ersten 1 1/2 Jahren seiner Regierung verharrt Friedrich II. nach außen hin noch in den
gewohnten Bahnen pfälzischer Neutralitätspolitik, so besonders auf den Reichstagen von Speyer 1544
und Worms 1545. Hier vertritt er nachdrücklich die Forderung eines deutschen Nationalkonzils, die
Aufrechterhaltung der Regensburger Formulierungen über die Rechtfertigungslehre und die allgemeine
Gewährung der Communio sub utraque und der Priesterehe. Wenn im Juli 1544 Theobald Billican als
Regens der Realistenburse in Heidelberg entfernt wird, so ist das eigentlich keine reformationsfeindliche
Maßnahme, sondern dient der Wahrung der alten Universitätsstatuten. Erst am Ostertag 1545 nimmt
Friedrich selbst das Abendmahl unter beiderlei Gestalt und bemüht sich um dieselbe Zeit, den Straßburger
Caspar Hedio in seine Dienste zu ziehen. Auch nimmt er den Prediger an Heiliggeist in Heidelberg,
Heinrich Stoll, dessen Predigten er und seine Hofleute besuchen, gegen die Anfeindungen des Stifts-
kapitels in Schutz. Jedenfalls vollzieht sich in diesen Jahren ein langsamer Umschwung in der kurpfäl-
zischen Haltung, dessen Motive teils in politischen Veränderungen, teils in der Entwicklung der religiösen
Verhältnisse zu suchen sind.
In Speyer hatte Karl V. am 23. Mai 1544 mit dem neugewählten Dänenkönig Christian III., nur
den niederländischen Interessen folgend und die pfälzischen Ansprüche mißachtend, einen Vertrag
geschlossen, der dessen Königtum garantierte. Damit waren Friedrichs Hoffnungen, denen er auch als
Kurfürst noch nachhing, endgültig enttäuscht. Aussichten in der dänischen Frage konnte ihm jetzt nur
noch ein Zusammengehen mit dem Schmalkaldischen Bunde eröffnen. Gleichzeitig begann der Kaiser
Verhandlungen mit den bayerischen Wittelsbachern, die Friedrich um seine Kur fürchten lassen mußten.
Und schließlich schien das kaiserliche Vorgehen gegen den Kölner Erzbischof Hermann von Wied ge-
eignet, auch den vornehmsten der weltlichen Kurfürsten um die fürstliche Libertät besorgt sein zu lassen.
So hat sich Friedrich stets energisch für die Belange des Kölner Erzbischofs verwandt und fand darin
eine erste Gemeinsamkeit mit den Protestanten. Die kriegerische Auseinandersetzung lag bereits in der
Luft. Daß bei einer solchen Karl V. die Wahlkapitulation hinsichtlich des Einsatzes fremder Truppen
auf Reichsboden verletzen würde, stand nach den Erfahrungen des Geldrischen Krieges zu befürchten.
Diese Lage trieb den Pfälzer in die Arme der Protestanten.
Auch in seinen Ländern drängte die Reformationssache zur Entscheidung. Die deutsche Konzils-
hoffnung war praktisch enttäuscht. Hingegen war die reformatorische Bewegung in der Pfalz zu einer
solchen Stärke angewachsen, daß ihre völlige Unterdrückung zu einer Unmöglichkeit geworden war.
Außer der Bevölkerung hatte sie besonders den Adel und die Städte ergriffen. Auch in der Regierung
saßen viele evangelisch Gesinnte. Selbst die Kurfürstin war zu einer energischen Befürworterin des
Evangeliums geworden. Des Kurfürsten Neffe Ottheinrich, der als Herzog von Neuburg 1542 dort die
Reformation offiziell eingeführt, 1543 eine Kirchenordnung erlassen, 1544 aber die Regierung des Lan-
des an die neuburgischen Stände hatte abtreten müssen und nun in Heidelberg und Weinheim lebte, be-
förderte die Reformation nach Kräften. Friedrich selbst bezeugt bei späterer Gelegenheit einmal, daß die
Teilnahme an den Regensburger Verhandlungen von 1541 einen Gesinnungswandel bei ihm bewirkt
hätte. Doch bleibt seine persönliche Haltung eigentümlich zwielichtig, wenn er gerade in der Zeit seiner
reformatorischen Erlasse gleichzeitig den Kaiser seiner unveränderten kirchlichen Stellung zu versichern
sucht. Politische Bedächtigkeit, zauderndes Schwanken zwischen den Machtgruppen, ängstliche An-
passung an die jeweilige politische Situation und vor allem das Bedürfnis, den Gegensatz zu Karl V.
nie zu einem endgültigen und unkorrigierbaren werden zu lassen, hindern den Kurfürsten daran, sein
unbestreitbar persönliches Interesse an der Reformation mit seiner Politik zur Deckungsgleichheit zu
bringen. Dies nimmt den ersten Reformationsmaßnahmen neben der rapiden Entwicklung der äußeren
Verhältnisse bis zum Schmalkaldischen Kriege hin die Eindeutigkeit und Folgerichtigkeit.

12
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften