Kirchenordnung 1556
Und hat als ein weiser meister die summa orden-
lich in zehen sprüche gefasset [Ex. 20, 1-17], die
man aber also verstehen soll, wie er sie selbs erkleret
hat. Darumb brauchen wir disen namen zehen ge-
bot, so oft wir von disem ewigen, unwandelbaren
gesetz reden.
Was nun sünde ist wider dise göttliche, ewige
weißheit, ist sünde in ewigkeit und ist Gott nicht ge-
fellig. Das aber dennocht Gott uns arme menschen
annimpt, billicht er darumb die sünde nicht, sonder
er hat seinen gerechten und grossen zorn derhalben
auf seinen son Jesum Christum ausgegossen und des-
selbigen leiden, der unschuldig war, für uns zur be-
zalung angenommen.
Disen heimlichen, wunderbarlichen" rat werden
wir in ewigkeit bey Gott klerer erkhennen. Dennoch 1
sollen wir in disem leben als die kindlein anfahen,
dise göttliche leere zu lernen und zu betrachten, das
wir bedencken, das sünde eine grausame, erschreck-
liche2 zerstörung ist, und dargegen, das dises über-
schwenckliche, grosse barmhertzigkeit ist, das uns
Gott dennocht annimpt, doch also, das sein3 ge-
rechter und grosser zorn über den unschuldigen und
liebesten son ausgegossen wirdt. Darvon redet Pau-
lus, da er spricht: Gratia exuberat supra delictum,
die gnade ist mechtiger denn die sünde [Röm. 5, 20].
Und also werden wir frey durch den son Gottes vom
ewigen zorn, welchen dises göttliche gesetz, das ist,
Gottes weißheit und gerechtigkeit auf uns hette aus-
gossen, wenn der herr Christus nicht mittler und
versüner worden were.
Wenn nun s.[anct] Paulus spricht: Wir sind ledig
von disem gesetz [vgl. Röm. 8, 2], so verstehe, von
der ewigen straf, so wir durch glauben an den herrn
Christum vergebung der sünden und gnad erlangen
und mit seiner gerechtigkeit bekleidet werden.
Und bleibt zugleich Gottes ewige weißheit und
gerechtigkeit, der wir forthin gehorsam sein sollen.
Und wirckt der son Gottes selbs in uns leben und
gibt seinen heiligen geist, das der gehorsam ange-
fangen werde. Und zerbricht Gott disen sündigen
leib, damit er bezeugt, das im die sünde nicht gefellig
ist und das er sie gewißlich zerstöret.
99 Neuburg 1554: wunderbaren.
1 Neuburg 1554: Demnach.
2 Mecklenburg 1554: schreckliche.
Darumb sollen die prediger die zehen gebot fleissig
predigen und aus Gottes wort erkleren, das man aus
göttlicher zeugknus wisse, was sünde sey und dar-
gegen, welche werck Gott gefellig sind. Und sollen
darbey die erlösung, gnad und seligkeit, die wir ha-
ben durch den son Gottes, dem volck auch treulich
fürtragen.
Vom eestand.
Der eestand ist ein zusammenfügung, durch Gott
mit besonderem rat und ausgedrucktem wort ge-
ordnet und unzertrennlich, allein zweyer menschen,
eines einigen mans und einer einigen frauen, welchen
personen Gott die vermischung zugelassen hat zur
geburt oder, 4verbotne vermischungen4 zu verhü-
ten. Und ist die verordnunge dises standes im para-
deis geschehen mit disen worten: Es sollen zwey ein
fleisch sein [Gen. 2, 24], das ist, unzertrennlich zu-
sammengefüget, und ist alsbald im paradeis mit di-
sen worten alle andere vermischungen ausser dem
eestand verboten. Und hat der herr Christus dise
wort erholet Matth. 19. [3-9] und den eestand wider-
umb in dieselbige5 erste ordnung gerichtet und re-
gulieret.
So sind nun alle vermischungen ausser dem ee-
stand sünde wider Gott, die Gott gewißlich strafet
in disem leben und in ewigkeit in allen, die nicht be-
kert werden, wie dise wort ausdrucklich sagen
Heb. 13. [4]: Die hurer und eebrecher wirdt Gott
strafen, und l.Cor. 6. [9-10]: Die hurer und eebre-
cher etc.6 werden das reich Gottes nicht erben.
Dises alles sollen die prediger mit grossem ernst
den leuten fürtragen und alle unzucht mit göttli-
chem wort und anzeigung der exempel, als Davids
[vgl. 2. Sam. 11-12], des stams Benjamin [Ri. 19-22],
Sodoma [Gen. 19] und anderer, strafen.
Es soll auch durch weltliche oberkeit ein ernst er-
zeigt werden, uneeliche beywonungen und eebruch
und andere unzucht unnachleßlich zu strafen, auf
das weniger leut in unzucht leben. Denn das ist ge-
wißlich war, das von wegen solcher sünden gantze
land gestraft werden, wie mit dem stamm Benjamin
3 Neuburg 1554: kein.
4-4 Neuburg 1554: verboten vermischung.
5 Neuburg 1554: die. 6 Fehlt Neuburg 1554.
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Und hat als ein weiser meister die summa orden-
lich in zehen sprüche gefasset [Ex. 20, 1-17], die
man aber also verstehen soll, wie er sie selbs erkleret
hat. Darumb brauchen wir disen namen zehen ge-
bot, so oft wir von disem ewigen, unwandelbaren
gesetz reden.
Was nun sünde ist wider dise göttliche, ewige
weißheit, ist sünde in ewigkeit und ist Gott nicht ge-
fellig. Das aber dennocht Gott uns arme menschen
annimpt, billicht er darumb die sünde nicht, sonder
er hat seinen gerechten und grossen zorn derhalben
auf seinen son Jesum Christum ausgegossen und des-
selbigen leiden, der unschuldig war, für uns zur be-
zalung angenommen.
Disen heimlichen, wunderbarlichen" rat werden
wir in ewigkeit bey Gott klerer erkhennen. Dennoch 1
sollen wir in disem leben als die kindlein anfahen,
dise göttliche leere zu lernen und zu betrachten, das
wir bedencken, das sünde eine grausame, erschreck-
liche2 zerstörung ist, und dargegen, das dises über-
schwenckliche, grosse barmhertzigkeit ist, das uns
Gott dennocht annimpt, doch also, das sein3 ge-
rechter und grosser zorn über den unschuldigen und
liebesten son ausgegossen wirdt. Darvon redet Pau-
lus, da er spricht: Gratia exuberat supra delictum,
die gnade ist mechtiger denn die sünde [Röm. 5, 20].
Und also werden wir frey durch den son Gottes vom
ewigen zorn, welchen dises göttliche gesetz, das ist,
Gottes weißheit und gerechtigkeit auf uns hette aus-
gossen, wenn der herr Christus nicht mittler und
versüner worden were.
Wenn nun s.[anct] Paulus spricht: Wir sind ledig
von disem gesetz [vgl. Röm. 8, 2], so verstehe, von
der ewigen straf, so wir durch glauben an den herrn
Christum vergebung der sünden und gnad erlangen
und mit seiner gerechtigkeit bekleidet werden.
Und bleibt zugleich Gottes ewige weißheit und
gerechtigkeit, der wir forthin gehorsam sein sollen.
Und wirckt der son Gottes selbs in uns leben und
gibt seinen heiligen geist, das der gehorsam ange-
fangen werde. Und zerbricht Gott disen sündigen
leib, damit er bezeugt, das im die sünde nicht gefellig
ist und das er sie gewißlich zerstöret.
99 Neuburg 1554: wunderbaren.
1 Neuburg 1554: Demnach.
2 Mecklenburg 1554: schreckliche.
Darumb sollen die prediger die zehen gebot fleissig
predigen und aus Gottes wort erkleren, das man aus
göttlicher zeugknus wisse, was sünde sey und dar-
gegen, welche werck Gott gefellig sind. Und sollen
darbey die erlösung, gnad und seligkeit, die wir ha-
ben durch den son Gottes, dem volck auch treulich
fürtragen.
Vom eestand.
Der eestand ist ein zusammenfügung, durch Gott
mit besonderem rat und ausgedrucktem wort ge-
ordnet und unzertrennlich, allein zweyer menschen,
eines einigen mans und einer einigen frauen, welchen
personen Gott die vermischung zugelassen hat zur
geburt oder, 4verbotne vermischungen4 zu verhü-
ten. Und ist die verordnunge dises standes im para-
deis geschehen mit disen worten: Es sollen zwey ein
fleisch sein [Gen. 2, 24], das ist, unzertrennlich zu-
sammengefüget, und ist alsbald im paradeis mit di-
sen worten alle andere vermischungen ausser dem
eestand verboten. Und hat der herr Christus dise
wort erholet Matth. 19. [3-9] und den eestand wider-
umb in dieselbige5 erste ordnung gerichtet und re-
gulieret.
So sind nun alle vermischungen ausser dem ee-
stand sünde wider Gott, die Gott gewißlich strafet
in disem leben und in ewigkeit in allen, die nicht be-
kert werden, wie dise wort ausdrucklich sagen
Heb. 13. [4]: Die hurer und eebrecher wirdt Gott
strafen, und l.Cor. 6. [9-10]: Die hurer und eebre-
cher etc.6 werden das reich Gottes nicht erben.
Dises alles sollen die prediger mit grossem ernst
den leuten fürtragen und alle unzucht mit göttli-
chem wort und anzeigung der exempel, als Davids
[vgl. 2. Sam. 11-12], des stams Benjamin [Ri. 19-22],
Sodoma [Gen. 19] und anderer, strafen.
Es soll auch durch weltliche oberkeit ein ernst er-
zeigt werden, uneeliche beywonungen und eebruch
und andere unzucht unnachleßlich zu strafen, auf
das weniger leut in unzucht leben. Denn das ist ge-
wißlich war, das von wegen solcher sünden gantze
land gestraft werden, wie mit dem stamm Benjamin
3 Neuburg 1554: kein.
4-4 Neuburg 1554: verboten vermischung.
5 Neuburg 1554: die. 6 Fehlt Neuburg 1554.
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