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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0284
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Regierungszeit Ottheinrichs 1556-1559

befragen, ob sy ihrem kirchendienst vermög unserer
außgangenen kirchenordnung4 getreulich und fleis-
sig außwarten, auch ihre predigten dohien richten,
das sy zu allen artickhln der Augspurgischen Con-
fession, anno dreissig der kheyserlichen mayestet
zu Augspurg ubergeben5, gemeß seien. Item, was sy
von den furnembsten secten, so in etlichen jaren
hero durch ehrgeilzige und furwitzige, eygensynnige
undt unruhige leut in der kirchen eingerissen, hal-
ten, als nemlich dem widertauf, verneynung der
gegenwertigkheyt des herrn Christi, so im nachtmal
mit brot und wein gereycht wirdt, dem Schwenck-
feldianismo6, von der gerechtigkheyt, die fur Gott
gilt7, ob gute werckh zur seeligkheit8 und andern
dergleichen irrthumben etc. Aus solchen fragen sich
unser superintendens leichtlich zu erlernen, wie die
kirchendihner in ihrer erudition geschaffen, ob sy
erstlich den rechten grundt evangelischer lehr ver-
stehen, auch zwuschen reyner und falscher lehr ein
underscheydt zu machen wissen und uf der cantzl
im fall der noth oder, wo es die materi fuglich geben
wurde, ermelte secten zu widerlegen und umbstossen
khunden. Dann nit allein in der gemeyn Gottes von-
nöten, das evangelium von Christo fruchtbarlich
und mit nutzs wissen zu pflantzen und zu bauen,
sonder das man auch dem unkraut, so gern daneben
durch des sathans neidt und haß undergeseet [vgl.
Mt. 13, 25] und ufwechset, wehre und die armen
schäflein Christi bei gesunder und heylsamer weyde
götlichs worts erhalte, daruf dan einem fromen, ge-
treuen seelsorgern mit sonderm fleiß und. ernst zu
sehen.
[Predig des pfarrers.] Am andern hat sich unser
superintendens bei dem pfarrhern und diacono zu
erkhundigen, wivil mahl sy an den Sonn- und feir-
tägen, auch sonst in der wochen predigen und zu
waß zeit und stundt, auch wie es mit den gesengen,
taufen, übung des catechismi, administrirung des
herrn nachtmals, besuchung der kranckhen, absolu-
tion,leichpredigen,begrebnußen etc. und andern kir-
chenübungen gehalten, ob er die dominicalia evan-

4 Oben Nr. 7.
5 Bekenntnisschriften, 44-137.
6 Spiritualismus, Lehre Caspar Schwenckfelds von
Ossig (1489-1561).
7 Im Gegensatz zur Lehre des Andreas Osiander

gelia, auch, was sonst fur bucher alts und neues testa-
ments, außlege. Und soll unser superintendens den
pfarrhern etwan ein argument furgeben, doruf in
voller gemeyn und beiwesen der amptleut ein pre-
digt zu thun, auch sonst seiner administration in
andern kirchensachen mit zusehen und achtung
haben, wie solche abgehen, ob sy bei pfarrvölckh-
lein frucht schaffen oder nit. Und ob er einichen
feel oder mangel vermerckhen wurde, der zu wen-
den und zu bessern, hat er solchs dem pfarrherr nach
volendter predigt und verrichtung der sacramenten
mit ernst und doch glimpflich zu undersagen mit
underweisung, wie es furter zu halten, darneben
auch vermahnen, das er sich eins bessern befleissige
und zu nechster visitation mit mehrer geschickh-
ligkheyt erfunden werde.
Darneben soll er nit underlassen, der pfarrher
bucher zu besichtigen, damit er wissens hab, warauß
sy ihre predigt nemen und, wo er dermassen bucher
finden wurde, die entweder unzuchtig oder sonst mit
schedlichen opinionen beschmeyst und unserer
Augspurgischen Confession zuwider und entgegen
weren, soll er daran sein, das sy dero mussig stehen
und ihre lectiones und studia in biblischer schrift
und approbirten interpretibus zubringen. Es were
dann sach, das ein pfarrherr oder kirchendihner eins
solchen juditii und also beschreyt, das er in evange-
lischer lehr just und solche bucher mehr zu wider-
fechten dann zu vertheydigen brauchte, da man sich
dan mit conferirung der schrift und freuntlicher ad-
hortation eins andern zu verhalten.
[Leben und wandel der pfarrer, diacon, schul-
meistern.] Ferner hat er sich zu erkhundigen, wie
sich die caplän und diaconi in ihrem ampt, leben
und wesen verhalten, ob sy dem pfarrher geburli-
chen gehorsamb leysten und wie sy sich gegen ihren
pfarrkhindern erzeygen, gleicher gestalt, wo schulen
an einem ort, den schulmeister befragen, wie und
welcher gestalt er der schule vorstehe, was er fur ein
ordnung im lesen halte, was die knaben fur ein pro-
fect haben, sonderlich aber, wie sy im catechismo
(1498-1552) von der einwohnenden und wesenhaften
Gerechtigkeit.
8 Von der Notwendigkeit guter Werke zur Seligkeit,
Lehre des Georg Major (1502-1574).

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