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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0472
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Regierungszeit Friedrichs III. 1559-1576

48. [Bericht des Kirchenratspräsidenten Wenzel Zuleger an Kurfürst Friedrich III.
über die Einrichtung von Classicalconventen und Presbyterien
[vom Frühjahr 1571]1

Gnedigster her.
Dieweil wir in den zweien jungst gehaltenen visi-
tationibus im ampt Dirmstein und Starckenbergk
neben andern puncten fürnemblich zwen verrichtet,
welche e.[uren] churf.[ürstlichen] g.[naden] und
dero rethen wissens zu haben vonnoten, so haben wir
nit underlaßen wollen, di schrieftlich, wi wir di ver-
richtet, zu referiren.
Erstlich ist den kirchen- und schuldienern bevol-
hen, das sie alle monat einmal uf iren kosten sollen
an bestimpten orten zusamenkhommen. Doselbst
soll einer auß inen ein locum scripture teutsch in
conventu predigtweiß erkleren. Wan solchs gesche-
hen, soll er abtreten, di andere kirchendiener urthei-
len, ob er di meinung deß texts recht verstendtlich
und erbeulich dargeben, auch di lehr, vermanung
und straf daraus recht und zu erbauung angezogen.
Wo er gefelt, soll im das freundtlich undersagt und
zur beßerung ermanet werden. Hernach soll durch
den praesidem, welcher in jedem vorgehenden con-
ventu mit gemeinen suffragiis soll under inen ge-
welet werden, ein par quaestiones theologicas pro-
poniren, sie latine under sich oder theutsch, wo es
erbeulich, tractiren und sonderlich, wi den wider-
sachern, secten und andern uf di sprüch, so sie zu
bescheinung ires irthumbs anziehen, mit grundt
gottlichs worts zu andtworten seye, domit sie zu
studirn geneigt, inen di schrieft gemein und sie in
ableinung der irthumb kreftig werden. Hernach soll
censura morum under inen gehalten, einer nach dem
andern abtreten, was an einem oder dem andern fur
mangel, an seinem oder der seinen vleiß, leben und
halten, undersaget und gestraft, uf das ergernus
zeitlich vermiten oder, do es ein falsch erdicht ge-
schrei, demselben zeitlich mit grund begegnet wer-
den mochte. Fur eins2.

1 Druckvorlage: Originalkonz. von Zulegers Hand
in Staats-A. Amberg, Oberpfälz. Religions- und
Reformationswesen Nr. 67, fol. 133 recto-134 verso.
2 Vgl. unsere Nr. 44, oben S. 436-441.

Zum andern ist e.[urer] churf.[ürstlichen] g.[na-
den] underthanen jedes orts fürgehalten worden,
das dieselbige bei hievor außgangner kirchenord-
nung3 und catechismo4 stragks zu pleiben und die-
selbe ins wergk zu richten gedencken. Und dieweil
dieselbige vermag, das an jedem ort etliche erbare,
gotsfurchtige menner gewelet werden sollen, welche
uf die gantze gemeind ein aufsehens haben sollen, so
ist inen durch unß neben und mit den kellern ufer-
legt, das jedes orts schultheißen und gericht etliche
aus inen und der gemein erwehlen sollen, welche nit
allein uf di laster, in der policeiordnung5 begriffen,
sollen ein aufsehens haben, sonder auch erstlich uf
den pfarrer selbst, wi vleißig, treulich, verstendig
und erbeulich oder unvleißig, untreulich, unver-
stendig oder unerbeulich er predige, auch wi er und
di seinen leben und wandel füren, hernach auch
neben und mit dem pfarrer uf di gantze herdt und
gemein, wi in derselben dem wort Gottes nach ge-
hauset oder dem zuwider gelebt werde, und alle
Sontag nach der mittagpredigt in der kirchen oder,
wo sie eins werden, zusamenkhomen, wo einicher
mangel am pfarrer, wi obgemelt, ime daßelb under-
sagen, das vleyßig behalten, uf das mit sich zu jedem
synodo oder visitatio bei inen des pfarrers wol- oder
ubelhaltens halben in specie khonne satten bericht
referirn können. Wo aber kein mangel vom pfarrer
vorhanden, sonder er sein ampt treulich thut, aber
in der gemein offendtlich ergernus, in Gottes wort
verboten, furliefen, als abgotterei, gotslesterung,
endtheiligung der feyertag, vater und mutter verach-
ten und schlagen und verharlicher unwill zwischen
eheleuten und ander neid und haß, darumb man sich
auch viel jar deß nachtmals endthelt, wi dan ex-
empla vorhanden weren, unzucht und, was der-
gleichen ergernus mehr seyen, di offendtlich im
3 Vgl. oben S. 333-408.
4 Vgl. oben S. 342-368.
5 Unsere Nr. 26.

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