Einleitung
2. Kirchenordnung 19. Februar 1527 (Text S. 42)
Der mit „Reformation der kirchen in dem Hellischen Land“ überschriebene Text stellt den von Johannes
Brenz verfassten Entwurf einer ersten Kirchenordnung für Schwäbisch Hall dar. Im Frühjahr 1527 übergab
er ihn dem bezüglich der Reformation immer noch zögerlichen Rat in der Hoffnung, ihn hiermit in religi-
onspolitischen Fragen stärker in die Pflicht nehmen zu können.40 Dieser Entwurf gilt als eine der frühesten
evangelischen Kirchenordnungen überhaupt.41
Der Text eröffnet ein weit gespanntes Spektrum neu zu regelnder Belange, die vom gottesdienstlichen
Bereich - Predigt, Taufe, Abendmahl - bis hin zu Fest- und Feiertagen, Kirchenstrafe und Bann, Unter-
stützung der Armen durch den Gemeinen Kasten, Eheschließung, Begräbniszeremonien, die Praxis in der
Schule42 sowie Anweisungen für die Pfarrer auf dem Land reichten.43 Eine Vielzahl dieser Regelungen hatte
Brenz bereits in seiner zwischen 1524 und 1525 verfassten Schrift Underrichtung der zwispaltigen Artickel
cristenlichs Glaubens44 formuliert. Auch auf die Frühmessliturgie, die Brenz 1526 in der Frühmessordnung
(Nr. 1) entworfen hatte, griff er in der „Reformation“ zurück.45
Von dem Text „Reformation der kirchen“ konnten für diese Edition erstmals fünf überlieferte Abschrif-
ten nachgewiesen werden: Exemplar A im Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Exemplar B in der Württember-
gischen Landesbibliothek Stuttgart, Exemplar C im Stadtarchiv Straßburg, Exemplar D im Staatsarchiv
Nürnberg und Exemplar E in der Bibliotheca Vaticana in Rom.46 Das Exemplar B weist als einziges
zusätzlich noch einen Beschluss auf, der dem Schlussteil Wofür kirchen ordnung zu halten in der Frühmess-
ordnung (Nr. 1) gleicht. Bei der zeitlichen Einordnung des Textes finden sich Unterschiede: Während die
Exemplare A, C und D nicht datiert sind, weist B eine Datierung für das Jahr 1527 und E das genaue
Datum des 19. Februar 1527 auf. Als Textvorlage (A) wurde das in Schwäbisch Hall überlieferte Exemplar
gewählt, da es sich durch die Überlieferung in der Reichsstadt selbst sowie durch seinen reinschriftlichen
Charakter auszeichnet.
Während die Kirchenordnung von Johann Isenmann und Michael Gräter, den Pfarrern an der Micha-
els- und der Katharinenkirche, befürwortet wurde,47 weigerten sich die Priester der Schuppach- und der
Johanniterkirche hingegen, die Bestimmungen anzunehmen.48 In welchem Umfang Brenz’ Kirchenordnung
umgesetzt wurde, ist unklar. Vor allem die neuartige Einrichtung eines als synodus bezeichneten Sittenge-
richts als Ersatz für das bisher zuständige bischöfliche Sendgericht stieß offensichtlich nicht auf Zustim-
mung, da entsprechende Bestimmungen in der gedruckten Kirchenordnung von 1543 (Nr. 10) fehlen.49
Brenz’ Tätigkeit in Hall und vor allem seine Bemühungen um die dortige Sittenzucht wirkten jedoch über
die Grenzen der Stadt hinaus. So schickte er 1528 im Zuge der Beratungen über die brandenburg-nürnbergi-
40 Zur Datierung siehe unten, S. 42 Anm. c und S. 65
Anm. o; vgl. Mauerer/Ulshöfer, Brenz, S. 60.
41 Maurer/Ulshöfer, Brenz, S. 59; Weismann, Johan-
nes Brenz, S. 57f.
42 Siehe hierzu Ehmer, Brenz als Reformator, S. 241-252.
43 Zum Inhalt siehe Maisch, Ordnung, S. 60-72; Hart-
mann, Brenz, S. 26-35; Kantzenbach, Theologie,
S. 20-32; Weismann, Gottesdienstordnung, S. 9-11;
Gmelin, Reformationszeit, S. 117f.; ders., Reforma-
tions-Jahrhundert, S. 21f.
44 Abdruck bei Brenz, Frühschriften 1, S. 55-111.
45 Brecht, Anfänge, S. 328.
46 Zu den einzelnen Nachweisen siehe unten, S. 42 Anm. a.
47 Kantzenbach, Brenz, S. 68.
48 1529 forderten die Haller Geistlichen Isenmann, sein
Helfer Nikolaus Trabant, Brenz und Gräter den Rat auf,
an der Schuppachkirche und an St. Johann ebenfalls die
evangelische Ordnung durchzusetzen. Sie forderten, dass
der Magistrat die ergernus des Bepstlichen missglaubens,
noch zum tail allhie in der Stat aufrichtig, mit fuglichen
mitel, sovil einer Cristenlichen Oberkait muglich, furkomen
wollen, denn man halte noch teglich on underlass in der
Schupach die Bepstlich mess, auch zu sant Johans, Pres-
sel, Anecdota, Nr. XX; vgl. Kantzenbach, Theolo-
gie, S. 31f.
49 Vgl. Maurer/Ulshöfer, Brenz, S. 60; Brecht,
Anfänge, S. 331; ders., Ordnung, S. 11-15; Brecht/
Ehmer, Reformationsgeschichte, S. 156; Kantzen-
bach, Brenz, S. 68.
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2. Kirchenordnung 19. Februar 1527 (Text S. 42)
Der mit „Reformation der kirchen in dem Hellischen Land“ überschriebene Text stellt den von Johannes
Brenz verfassten Entwurf einer ersten Kirchenordnung für Schwäbisch Hall dar. Im Frühjahr 1527 übergab
er ihn dem bezüglich der Reformation immer noch zögerlichen Rat in der Hoffnung, ihn hiermit in religi-
onspolitischen Fragen stärker in die Pflicht nehmen zu können.40 Dieser Entwurf gilt als eine der frühesten
evangelischen Kirchenordnungen überhaupt.41
Der Text eröffnet ein weit gespanntes Spektrum neu zu regelnder Belange, die vom gottesdienstlichen
Bereich - Predigt, Taufe, Abendmahl - bis hin zu Fest- und Feiertagen, Kirchenstrafe und Bann, Unter-
stützung der Armen durch den Gemeinen Kasten, Eheschließung, Begräbniszeremonien, die Praxis in der
Schule42 sowie Anweisungen für die Pfarrer auf dem Land reichten.43 Eine Vielzahl dieser Regelungen hatte
Brenz bereits in seiner zwischen 1524 und 1525 verfassten Schrift Underrichtung der zwispaltigen Artickel
cristenlichs Glaubens44 formuliert. Auch auf die Frühmessliturgie, die Brenz 1526 in der Frühmessordnung
(Nr. 1) entworfen hatte, griff er in der „Reformation“ zurück.45
Von dem Text „Reformation der kirchen“ konnten für diese Edition erstmals fünf überlieferte Abschrif-
ten nachgewiesen werden: Exemplar A im Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Exemplar B in der Württember-
gischen Landesbibliothek Stuttgart, Exemplar C im Stadtarchiv Straßburg, Exemplar D im Staatsarchiv
Nürnberg und Exemplar E in der Bibliotheca Vaticana in Rom.46 Das Exemplar B weist als einziges
zusätzlich noch einen Beschluss auf, der dem Schlussteil Wofür kirchen ordnung zu halten in der Frühmess-
ordnung (Nr. 1) gleicht. Bei der zeitlichen Einordnung des Textes finden sich Unterschiede: Während die
Exemplare A, C und D nicht datiert sind, weist B eine Datierung für das Jahr 1527 und E das genaue
Datum des 19. Februar 1527 auf. Als Textvorlage (A) wurde das in Schwäbisch Hall überlieferte Exemplar
gewählt, da es sich durch die Überlieferung in der Reichsstadt selbst sowie durch seinen reinschriftlichen
Charakter auszeichnet.
Während die Kirchenordnung von Johann Isenmann und Michael Gräter, den Pfarrern an der Micha-
els- und der Katharinenkirche, befürwortet wurde,47 weigerten sich die Priester der Schuppach- und der
Johanniterkirche hingegen, die Bestimmungen anzunehmen.48 In welchem Umfang Brenz’ Kirchenordnung
umgesetzt wurde, ist unklar. Vor allem die neuartige Einrichtung eines als synodus bezeichneten Sittenge-
richts als Ersatz für das bisher zuständige bischöfliche Sendgericht stieß offensichtlich nicht auf Zustim-
mung, da entsprechende Bestimmungen in der gedruckten Kirchenordnung von 1543 (Nr. 10) fehlen.49
Brenz’ Tätigkeit in Hall und vor allem seine Bemühungen um die dortige Sittenzucht wirkten jedoch über
die Grenzen der Stadt hinaus. So schickte er 1528 im Zuge der Beratungen über die brandenburg-nürnbergi-
40 Zur Datierung siehe unten, S. 42 Anm. c und S. 65
Anm. o; vgl. Mauerer/Ulshöfer, Brenz, S. 60.
41 Maurer/Ulshöfer, Brenz, S. 59; Weismann, Johan-
nes Brenz, S. 57f.
42 Siehe hierzu Ehmer, Brenz als Reformator, S. 241-252.
43 Zum Inhalt siehe Maisch, Ordnung, S. 60-72; Hart-
mann, Brenz, S. 26-35; Kantzenbach, Theologie,
S. 20-32; Weismann, Gottesdienstordnung, S. 9-11;
Gmelin, Reformationszeit, S. 117f.; ders., Reforma-
tions-Jahrhundert, S. 21f.
44 Abdruck bei Brenz, Frühschriften 1, S. 55-111.
45 Brecht, Anfänge, S. 328.
46 Zu den einzelnen Nachweisen siehe unten, S. 42 Anm. a.
47 Kantzenbach, Brenz, S. 68.
48 1529 forderten die Haller Geistlichen Isenmann, sein
Helfer Nikolaus Trabant, Brenz und Gräter den Rat auf,
an der Schuppachkirche und an St. Johann ebenfalls die
evangelische Ordnung durchzusetzen. Sie forderten, dass
der Magistrat die ergernus des Bepstlichen missglaubens,
noch zum tail allhie in der Stat aufrichtig, mit fuglichen
mitel, sovil einer Cristenlichen Oberkait muglich, furkomen
wollen, denn man halte noch teglich on underlass in der
Schupach die Bepstlich mess, auch zu sant Johans, Pres-
sel, Anecdota, Nr. XX; vgl. Kantzenbach, Theolo-
gie, S. 31f.
49 Vgl. Maurer/Ulshöfer, Brenz, S. 60; Brecht,
Anfänge, S. 331; ders., Ordnung, S. 11-15; Brecht/
Ehmer, Reformationsgeschichte, S. 156; Kantzen-
bach, Brenz, S. 68.
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