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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0351
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Einleitung

1. Die Reichsstadt Konstanz

Konstanz am Bodensee war seit dem 6. Jahrhundert Bischofssitz. Der Bischof war jedoch nicht nur Herr
der größten Diözese des Reiches, sondern lange Zeit auch der Stadt. Erst im 12. Jahrhundert begann sich
Konstanz allmählich aus dem Griff des geistlichen Stadtherrn zu lösen. 1192 befreite Kaiser Heinrich VI.
die Stadt von bischöflichen Steuern, 1212 erhielt sie von Friedrich II. das Recht, einen Rat zu wählen.
Dieser drängte den bischöflichen Stadtherrn immer mehr zurück. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts galt
Konstanz zwar als reichsfrei,1 von einer Selbstverwaltung der Stadt kann jedoch erst im frühen 14. Jahr-
hundert gesprochen werden. Im Gegensatz zu anderen Reichsstädten am Bodensee, wie Überlingen,
Ravensburg oder Lindau, konnte Konstanz keinerlei nennenswerten Landbesitz erwerben. Die wenigen
Besitzungen der Stadt lagen südlich des Sees im eidgenössischen Thurgau; die Kompetenzen des Rates
beschränkten sich im wesentlichen auf den Raum innerhalb der Stadtmauern.2
Das Konstanzer Stadtbild war von zahlreichen Kirchen geprägt. Die zentrale Domkirche war umgeben
von einem Kranz weiterer Gotteshäuser: St. Stephan3 und St. Johann,4 beides Stifts- und Pfarrkirchen,
sowie die Pfarrkirche St. Paul und die Kirche St. Lorenz, in der sich die Ratskapelle befand. Daneben lagen
zahlreiche kirchliche Institutionen im Einflussbereich der Reichsstadt: fünf Männerklöster (Augustiner,
Franziskaner, das Schottenkloster, Benediktiner in Petershausen, Dominikaner auf der Reichenau) und
drei Frauenkonvente, die beiden Dominikanerinnenklöster St. Peter an der Fahr und Zoffingen sowie das
Sammlungsfrauenkloster franziskanischer Drittordensfrauen. Die geistliche Landschaft der Stadt wurde
zudem von zwei Spitälern, dem an der Marktstätte und dem Heilig-Geist-Spital, bereichert.5 Die Pfrün-
denbesetzung lag weitgehend in der Hand geistlicher Institutionen, der Konstanzer Rat hatte nur wenig
Mitspracherechte. Er vergab lediglich drei der 54 Altarpfründen im Münster sowie drei der 17 Pfründen in
St. Stephan.6
Die im 13. Jahrhundert erreichte politische Emanzipation der Stadt von ihrem bischöflichen Stadtherrn
wurde 1312 durch den Zusammenschluss der Städte Konstanz, St. Gallen, Schaffhausen und Zürich zu
einem Städtebündnis bekräftigt und erreichte mit dem seit 1388 von Konstanz geführten Bund der Reichs-
städte am Bodensee ihren Höhepunkt.7 Gleichzeitig wuchs die Bedeutung der Stadt als Wirtschaftszen-
trum. Der Tuchhandel, vor allem mit italienischen Kaufleuten, machte Konstanz im 15. Jahrhundert zu
einer der reichsten und angesehensten Städte Süddeutschlands.8

1 Zur Geschichte von Konstanz im Mittelalter siehe Mau-
rer, Konstanz 1 und 2.
2 Buck/Fabian, Reformationsgeschichte, S. 35f. Zu den
Besitzverhältnissen der Konstanzer Bischöfe siehe
Arend, Bischof, S. 1 und Anm. 3 mit weiterführender
Literatur.
3 St. Stephan war Stifts- und Pfarrkirche, später Haupt-
pfarrkirche der Bürgergemeinde, seit Ende des 15. Jahr-
hunderts Ort der jährlichen Schwörtage. Der Rat hatte
zunächst nur die Aufsicht über das Fabrikvermögen,
nach 1527 unterstand die Pfarrkirche dem Rat vollstän-
dig, siehe unten, S. 344f.

4 Das Patronatsrecht lag in den Händen der Erzbischöfe
von Salzburg.
5 Buck/Fabian, Reformationsgeschichte, S. 36-38 mit
ausführlichen Literaturangaben zu den einzelnen geist-
lichen Institutionen.
6 Vgl. Dobras, Konstanz, S. 33, 87f.
7 Maurer, Konstanz 1, S. 176-179; Köbler, Lexikon,
S. 320.
8 Moeller, Reformation, S. 7.

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