Schwäbisch Hall
III. Von der Kirchen Visitation auff dem Landt
Zu erhaltung reiner Lehr und nutzlicher Ceremonien dienet
auch nit wenig, sondern eben vil die Visitation der Kirchen
auff dem Landt, Darumb daruber vest und ernstlich zuhal-
ten. Ein Christliche und nutzliche Kirchen Visitation aber
anzustellen, sollen nachfolgende Stuck wol observiert und
practiciert werden.
I. Anfangs sollen zu solchem Werck verordnet werden Geist-
lichs und Weltlichs Standts Personen [marginal:
I. Chron. 17, V. 7). Geistlichs Standts Personen sollen zur
Kirchen Visitation gebraucht werden, damit sie desto besser
beydes, an den Pfarrern und Pfarrkindern auff dem Landt,
mercken und wahrnemmen können, wo es zu allen Theylen
am H. Gottesdienst manglen und fählen wölle, und dann sol-
che Fähl unnd Mängel nach der Regel und Richtschnür
Göttlichs Worts corrigieren und verbessern. Weltlichs
Standts Personen aber sollen zur Kirchen Visitation gezogen
werden, damit sie dem gantzen Werck bey den Underthanen
desto ein grössers ansehen machen unnd mit dem Gewalt,
welchen sie von Gott und der Obrigkeit empfangen, die ein-
gerissenen ärgernussen abschaffen und was zur Besserung
dienet, entweder alßbald anrichten oder doch mit desto meh-
rerm Ernst und Eyfer befurdern mögen. Sollen also hie die
Lehrer und Regenten einander die Händ bieten. Pax sit in
choro et foro, zu Teutsch: Frid sey in Geistlichem und Welt-
lichem Regiment [,,zu Teutsch ... Regiment“ fehlt Entwurf
1614],
II. Darnach soll bey der Kirchen Visitation von solchen Sa-
chen gehandelt werden, dardurch Gottes Ehr, wahrer Got-
tesdienst, Gottseligs Leben und der Menschen ewige Seelig-
keit befürdert, Dargegen aber falsche Lehr und ärgerliches
Leben abgeschafft werde, Als da seind von schuldiger Pflicht
beydes, der Lehrer und der Zuhörer, von der Schüler und
Schuolmeister Lection, vom Kinder Tauff und Gevatter-
schafft, von Ehesachen unnd Hochzeiten etc. Und diß alles
soll auff nachfolgende Weiß verrichtet werden:
Erstlich, wann man an den Orth kompt, da man Visitieren
will, soll nach vollendeter gewöhnlicher Predigt deß Pfarrers
daselbst zu vorderst der Superintendens oder wer sonst auß
dem Ministerio neben Ihm zur Visitation verordnet ist, vor
dem Altar an das Pfarrvolck ein Christliche Erinnerung thuon
vom Ampt Christlicher Obrigkeit, was Christlicher Obrigkeit
Ampt sey, Nemblich under anderm sich auch der Kirchen
fleißig annemmen nach dem Exempel deß frommen Königs
in Juda, Josaphats, darvon 2. Chron. 17 [1-19], und darauff
das Examen Catecheticum gegen das Jung, ledige Volck für-
nemmen, zusehen, wie es im Catechismo underwisen sey, wie
es wachße und zunemme in Gottes seeligmachender Er-
kandtnuß etc. In dem Examin aber soll das Junge, ledige
Volck ordentlich, ein Hauff nach dem anderen (wann die
Kirch zu Eng unnd deß Jungen Volcks zu vil ist), für den
Altar gestellet und examiniert werden, nit allein auß dem
Catechismo (darzu dann auch gehört der Morgen- und
Abendtsegen, Item die Tischgebett) [Luther, Kleiner Ka-
techismus, BSLK 521-523], sondern auch zum Theyl auß der
Christlichen Haußtafel [ebd., S. 523-527] und dem H. Psal-
ter. Es soll auch das Junge Volck auff die fürgelegte Fragen
laut und verständtlich antworten, und wann andere ihren
Theyl auffsagen, still und züchtig auffmercken und alles
heimblich nachsprechen, damit sie deß Catechismi desto bes-
ser gewohnen und denselben desto leichter und bälder lernen.
Es soll auch einem jeden, welches den Catechismum auffge-
sagt unnd gebettet hat, ein Newer Hällischer Pfenning ge-
geben werden. Wann nun das Junge Volck im Examine wol-
bestehet, soll es offentlich gelobt, in Glaubens Bekandtnuß
confirmiert und also fort zufahren vermahnet werden. Wann
es aber im Examine ubel bestehet, soll es ernstlich erinnert
werden, daß es Gott zu Ehren und Ihm selbst zur Wolfart
fleiß im Lernen anwenden wölle. Und diß ist die rechte Evan-
gelische Firmung, die vor Zeiten in der ersten Kirchen üblich
gewest ist, darvon Eusebius l[iber] 6. c. 2 [Eusebius von Cae-
sarea, Kirchengeschichte].
Zum andern, wann das Examen Catecheticum vollendet und
das Junge, ledige Volck sammt dem Weibervolck mit dem
Kirchensegen dimittiert ist, soll darauff die Inquisition oder
Verhör angehen. Vor der Verhör aber soll der Pfarrer sampt
den Kirchenpflegern unnd Hauptleuthen wie auch der gant-
zen Gemeyn fürgefordert und Ihnen durch [Entwurf 1614
gestrichen: einen Politicum, so zur Visitation verordnet] der
Visitatorn einen vermeldet werden, weßhalben sie jetz vor-
handen seyen, Nemblich die Kirchen Visitation zuhalten.
Darumb sie auff die Interrogatoria und Fragstuck [,,und
Fragstuck“ fehlt Entwurf 1614], so Ihnen in der Verhör wer-
den fürgehalten werden, guote achtung geben sollen. Dann sie
werden auff dieselben categorice rund und klar antworten
müssen. Hierauff nun heißt man sie Alle abtretten biß auff
den Pfarrer, der dann erstlich verhört unnd gefragt wirdt
auff nachfolgendte weiß: Wie sich seine Pfarrkinder verhal-
ten, Ob sie Predigten Göttliches Worts an Son-, Feyer- unnd
Wercktagen fleißig besuochen und das H. Abendtmal gern,
offt und würdig mit vorgehendter privat Confession gebrau-
chen, Item, Ob sie in der Kirchen auch mitsingen und also
das Kirchengesang helffen erhalten, Item, ob sie ihre Kinder,
die Ihnen Gott gegeben, zeitlich lassen Tauffen und Fromme,
Gottsförchtige Leuth zu Gevattern erbitten, Item, Ob sie
auch ihre Kinder unnd Gesindt zum Catechismo befürdern,
Item, Ob sie auch sonst ein guote Hauß- und Kinderzucht
üben gegen ihren Kindern und Gesindt, Item, Wie sich die
Kirchenpfleger und Hauptleuth verhalten, ob sie Ihm auch
zur erhaltung Christlicher Zucht und Erbarkeit die Hand
bieten, Item, Wie sich der Schuolmeister (so anderst einer an
demselben Orth ist) verhalte, ob er auch der Schuolordnung
[siehe oben, S. 160 Anm. h] fleissig nachkomme und andere
Ihm zugehörige Geschäfft verrichte, Item, Ob etliche under
der Gemeyn seyen, die entweder mit offentlichen Sünden
und Lastern oder aber mit falscher Lehr behafft und wer
dieselben seyen, Auff daß man Ihnen bey Zeiten begegnen
möge, damit sie nit andere mit Ihnen anstecken. Deßglei-
chen, ob auch etliche under der Gemeyn seyen, die wider die
Eheordnung [vgl. unten, Nr. 14 und 15] handeln und wer die-
selben seyen, Auff daß sie zur Straff gezogen werden. Und
was dergleichen mehr sein mag.
Nach dem Pfarrer werden gleichsfalls auch die Pfarrkinder
verhört und befragt auff nachfolgendte weiß: Wie sich ihr
Pfarrer verhalte, ob er sein Ampt mit Predigen, Sacramenta
raichen, Catechismum halten, Betten, Krancken besuochen
etc. Trewlich verrichte, Item, Ob er ein ärgerlichs Leben füh-
re, Item, Ob er seinem eygnen Hauß wol vorstehe, Item, Ob
er auch der Schuol (wo es Eine hat) sich fleißig annemme,
Item, Ob er auch die Kinder, die er Taufft, und die Ehen, die
er Einsegnet, in ihre besondere Register fleißig auffzeichne
[siehe oben, S. 123 und 155], Deßgleichen, ob er auch die
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III. Von der Kirchen Visitation auff dem Landt
Zu erhaltung reiner Lehr und nutzlicher Ceremonien dienet
auch nit wenig, sondern eben vil die Visitation der Kirchen
auff dem Landt, Darumb daruber vest und ernstlich zuhal-
ten. Ein Christliche und nutzliche Kirchen Visitation aber
anzustellen, sollen nachfolgende Stuck wol observiert und
practiciert werden.
I. Anfangs sollen zu solchem Werck verordnet werden Geist-
lichs und Weltlichs Standts Personen [marginal:
I. Chron. 17, V. 7). Geistlichs Standts Personen sollen zur
Kirchen Visitation gebraucht werden, damit sie desto besser
beydes, an den Pfarrern und Pfarrkindern auff dem Landt,
mercken und wahrnemmen können, wo es zu allen Theylen
am H. Gottesdienst manglen und fählen wölle, und dann sol-
che Fähl unnd Mängel nach der Regel und Richtschnür
Göttlichs Worts corrigieren und verbessern. Weltlichs
Standts Personen aber sollen zur Kirchen Visitation gezogen
werden, damit sie dem gantzen Werck bey den Underthanen
desto ein grössers ansehen machen unnd mit dem Gewalt,
welchen sie von Gott und der Obrigkeit empfangen, die ein-
gerissenen ärgernussen abschaffen und was zur Besserung
dienet, entweder alßbald anrichten oder doch mit desto meh-
rerm Ernst und Eyfer befurdern mögen. Sollen also hie die
Lehrer und Regenten einander die Händ bieten. Pax sit in
choro et foro, zu Teutsch: Frid sey in Geistlichem und Welt-
lichem Regiment [,,zu Teutsch ... Regiment“ fehlt Entwurf
1614],
II. Darnach soll bey der Kirchen Visitation von solchen Sa-
chen gehandelt werden, dardurch Gottes Ehr, wahrer Got-
tesdienst, Gottseligs Leben und der Menschen ewige Seelig-
keit befürdert, Dargegen aber falsche Lehr und ärgerliches
Leben abgeschafft werde, Als da seind von schuldiger Pflicht
beydes, der Lehrer und der Zuhörer, von der Schüler und
Schuolmeister Lection, vom Kinder Tauff und Gevatter-
schafft, von Ehesachen unnd Hochzeiten etc. Und diß alles
soll auff nachfolgende Weiß verrichtet werden:
Erstlich, wann man an den Orth kompt, da man Visitieren
will, soll nach vollendeter gewöhnlicher Predigt deß Pfarrers
daselbst zu vorderst der Superintendens oder wer sonst auß
dem Ministerio neben Ihm zur Visitation verordnet ist, vor
dem Altar an das Pfarrvolck ein Christliche Erinnerung thuon
vom Ampt Christlicher Obrigkeit, was Christlicher Obrigkeit
Ampt sey, Nemblich under anderm sich auch der Kirchen
fleißig annemmen nach dem Exempel deß frommen Königs
in Juda, Josaphats, darvon 2. Chron. 17 [1-19], und darauff
das Examen Catecheticum gegen das Jung, ledige Volck für-
nemmen, zusehen, wie es im Catechismo underwisen sey, wie
es wachße und zunemme in Gottes seeligmachender Er-
kandtnuß etc. In dem Examin aber soll das Junge, ledige
Volck ordentlich, ein Hauff nach dem anderen (wann die
Kirch zu Eng unnd deß Jungen Volcks zu vil ist), für den
Altar gestellet und examiniert werden, nit allein auß dem
Catechismo (darzu dann auch gehört der Morgen- und
Abendtsegen, Item die Tischgebett) [Luther, Kleiner Ka-
techismus, BSLK 521-523], sondern auch zum Theyl auß der
Christlichen Haußtafel [ebd., S. 523-527] und dem H. Psal-
ter. Es soll auch das Junge Volck auff die fürgelegte Fragen
laut und verständtlich antworten, und wann andere ihren
Theyl auffsagen, still und züchtig auffmercken und alles
heimblich nachsprechen, damit sie deß Catechismi desto bes-
ser gewohnen und denselben desto leichter und bälder lernen.
Es soll auch einem jeden, welches den Catechismum auffge-
sagt unnd gebettet hat, ein Newer Hällischer Pfenning ge-
geben werden. Wann nun das Junge Volck im Examine wol-
bestehet, soll es offentlich gelobt, in Glaubens Bekandtnuß
confirmiert und also fort zufahren vermahnet werden. Wann
es aber im Examine ubel bestehet, soll es ernstlich erinnert
werden, daß es Gott zu Ehren und Ihm selbst zur Wolfart
fleiß im Lernen anwenden wölle. Und diß ist die rechte Evan-
gelische Firmung, die vor Zeiten in der ersten Kirchen üblich
gewest ist, darvon Eusebius l[iber] 6. c. 2 [Eusebius von Cae-
sarea, Kirchengeschichte].
Zum andern, wann das Examen Catecheticum vollendet und
das Junge, ledige Volck sammt dem Weibervolck mit dem
Kirchensegen dimittiert ist, soll darauff die Inquisition oder
Verhör angehen. Vor der Verhör aber soll der Pfarrer sampt
den Kirchenpflegern unnd Hauptleuthen wie auch der gant-
zen Gemeyn fürgefordert und Ihnen durch [Entwurf 1614
gestrichen: einen Politicum, so zur Visitation verordnet] der
Visitatorn einen vermeldet werden, weßhalben sie jetz vor-
handen seyen, Nemblich die Kirchen Visitation zuhalten.
Darumb sie auff die Interrogatoria und Fragstuck [,,und
Fragstuck“ fehlt Entwurf 1614], so Ihnen in der Verhör wer-
den fürgehalten werden, guote achtung geben sollen. Dann sie
werden auff dieselben categorice rund und klar antworten
müssen. Hierauff nun heißt man sie Alle abtretten biß auff
den Pfarrer, der dann erstlich verhört unnd gefragt wirdt
auff nachfolgendte weiß: Wie sich seine Pfarrkinder verhal-
ten, Ob sie Predigten Göttliches Worts an Son-, Feyer- unnd
Wercktagen fleißig besuochen und das H. Abendtmal gern,
offt und würdig mit vorgehendter privat Confession gebrau-
chen, Item, Ob sie in der Kirchen auch mitsingen und also
das Kirchengesang helffen erhalten, Item, ob sie ihre Kinder,
die Ihnen Gott gegeben, zeitlich lassen Tauffen und Fromme,
Gottsförchtige Leuth zu Gevattern erbitten, Item, Ob sie
auch ihre Kinder unnd Gesindt zum Catechismo befürdern,
Item, Ob sie auch sonst ein guote Hauß- und Kinderzucht
üben gegen ihren Kindern und Gesindt, Item, Wie sich die
Kirchenpfleger und Hauptleuth verhalten, ob sie Ihm auch
zur erhaltung Christlicher Zucht und Erbarkeit die Hand
bieten, Item, Wie sich der Schuolmeister (so anderst einer an
demselben Orth ist) verhalte, ob er auch der Schuolordnung
[siehe oben, S. 160 Anm. h] fleissig nachkomme und andere
Ihm zugehörige Geschäfft verrichte, Item, Ob etliche under
der Gemeyn seyen, die entweder mit offentlichen Sünden
und Lastern oder aber mit falscher Lehr behafft und wer
dieselben seyen, Auff daß man Ihnen bey Zeiten begegnen
möge, damit sie nit andere mit Ihnen anstecken. Deßglei-
chen, ob auch etliche under der Gemeyn seyen, die wider die
Eheordnung [vgl. unten, Nr. 14 und 15] handeln und wer die-
selben seyen, Auff daß sie zur Straff gezogen werden. Und
was dergleichen mehr sein mag.
Nach dem Pfarrer werden gleichsfalls auch die Pfarrkinder
verhört und befragt auff nachfolgendte weiß: Wie sich ihr
Pfarrer verhalte, ob er sein Ampt mit Predigen, Sacramenta
raichen, Catechismum halten, Betten, Krancken besuochen
etc. Trewlich verrichte, Item, Ob er ein ärgerlichs Leben füh-
re, Item, Ob er seinem eygnen Hauß wol vorstehe, Item, Ob
er auch der Schuol (wo es Eine hat) sich fleißig annemme,
Item, Ob er auch die Kinder, die er Taufft, und die Ehen, die
er Einsegnet, in ihre besondere Register fleißig auffzeichne
[siehe oben, S. 123 und 155], Deßgleichen, ob er auch die
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