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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0207
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10. Kirchenordnung 1543/1615

Eheordnung [Vgl. unten, Nr. 14 und 15] zu gewißer und be-
stimbter Zeit in der Kirchen verlese unnd was dergleichen
mehr sein mag.
Nach den Pfarrkindern werden auch die Kirchenpfleger und
Hauptleuth verhört und gefragt auff nachfolgendte weiß:
Wie sich die Gemeyn verhalte, ob sie Ihnen von Obrigkeit
wegen gebürlichen Gehorsam leyste, Item, Was für Unord-
nung in der Gemein einreisse, Item, Ob auch die Armen ge-
bürlich versorgt werden, Item, Ob auch die Gemeyn mit
düchtigen unnd getrewen Hebammen versehen sey, Item,
Was es für ein Gelegenheit habe, mit den Kirchengebäwen
und Pfarrhäusern, ob dieselben auch im bawlichen Wesen er-
halten werden, Item, Ob die Kirchhöff und Begräbnussen
reinlich unnd sauber gehalten werden und anderm derglei-
chen.
Nach den Kirchenpflegern und Hauptleuten wirdt auch der
Schuolmeister verhört und befragt auff nachfolgendte weiß:
Wie sich die Schüler verhalten, ob sie auch fleißig in die
Schuol kommen und sich gern und willig underweisen lassen,
Item, Ob auch die Eltern ihre Kinder fleißig zur Schuol schik-
ken, Deßgleichen, ob auch die Gemeyn Ihm (wie auch dem
Pfarrer) seine Gebür trewlich raiche, Dann man soll Gott
auch das Seine geben [marginal: Proverb. [Spr] 3, V. 9; Ma-
lach. 3, V. 10], das ist das Jenige, so zu erhaltung Kirchen
und Schuolen gestifft worden, Trewlich raichen, und anderm
dergleichen.
Endtlich wirdt darbey auch vermeldet, da auch sonsten Ih-
rer einer oder mehr etwas fürzubringen haben, das sie ver-
meynen, zu solchem Werck der Kirchen Visitation dienstlich
sein, sollen sie dasselbe anzeigen.
Zum dritten, wann solche Inquisition oder Verhör füruber
ist, sollen die verordnete Visitatores sich mit einander ver-
gleichen, was man von den eingebrachten Puncten inn der
Kirchen der gantzen Gemeyn zum Abschied vermelden, was
man für Personen insonderheit fürfordern und was man in
die Relation für die Obrigkeit sparen wölle.
Zum vierdten soll man samptlich in die Kirchen gehen und
der Visitierende Kirchendiener widerumb für den Altar tret-
ten und vermelden, welcher massen alle sachen in der gehal-
tenen Verhör befunden worden. So dann keine besondere
Klagen fürkommen und das Jenige, so in vorgehendter Vi-
sitation mangelhafftig gewest, nun mehr verbessert worden,
so sollen die Pfarrkinder deßwegen gerühmet und in allem
guotem fortzufahren vermahnet werden.
Da aber etliche besondere Fähl und Mängel eingebracht wor-
den, so sollen dieselben Namhafft gemacht und auß Gottes
Wort dargethan werden, was für schwere Sünd dieselben sey-
en und wie Gott dieselben zu allen und jeden Zeiten gestrafft
habe. Darumb die Pfarrkinder von solchen Sünden abstehen
und sich bessern sollen, damit sie nit Gottes gerechten Zorn
wider sich selbst reitzen und auch die Obrigkeit zu billicher
Straff verursachen. Es soll aber auch zugleich der Pfarrer,
wann sein Fleiß unnd Trew in examine Catechetico und in
der gehaltenen Verhör befunden worden, gerühmet und die
gantze Gemeyn vermahnet werden, seiner getrewen Lehr zu-
gehorchen und Ihn umb seines Fleiß und Trew willen desto
lieber zuhaben, auch nach gelegenheit sich gegen Ihm danck-
bar zuerzeigen. Insonderheit aber soll den Kirchenpflegern
und Hauptleuten ernstlich aufferlegt werden, daß sie dem
Pfarrer zu Handthabung Christlicher Zucht das gantze Jahr
uber behülfflich sein sollen.

Zum fünfften sollen die Jenigen, von denen besondere Klagen
fürkommen, insonderheit fürgestellt, ihre Untugendten Ih-
nen fürgehalten, ihre Verantwortung angehört und darauff
ernstlich ermahnet werden, von dergleichen Sünden forthin
abzustehen und sich zubessern.
Zum sechsten und letzten soll der Pfarrer sampt den Kir-
chenpflegern und Hauptleuten widerumb fürgefordert und
Ihnen durch die verordnete Visitatores zu Gemüt geführet
werden, sie haben nun gnuogsam verstanden, wie alle Sachen
befunden worden und was für Fähl und Mängel zuverbessern
seyen, Darumb sie nit allein für ihr Person den andern ein
guot Exempel geben, sondern auch mit allem Ernst dahin ar-
beyten sollen, damit die befundene Mängel würcklich ver-
bessert und also Christliche Zucht und Erbarkeit under Ih-
nen befürdert und erhalten werden. Und soll also hiermit der
gantze Actus in der Kirchen beschlossen werden.
III. Wann dann, fürs Dritte und Letzte, die Kirchen Visi-
tation an allen und jeden Orten auff dem Landt auff ange-
zeigte weiß und maß ist verrichtet worden, so soll der Super-
intendens auß seiner und seinen Collegen, der andern Visitie-
renden Kirchendienern consignation ein Relation stellen, in
welcher umbständiglich, doch kürtzlich und ordentlich er-
zehlt wirdt, wie man alle Sachen an jedem Orth befunden
und was man an jedem Orth verbessert hab. Solche Relation
soll einem Erbarn Rath zu gelegener Zeit fürgelesen und alß-
dann Schrifftlich ubergeben, auch darauff deliberiert werden,
welcher massen auch die uberige Fähl und Mängel, welche
die verordnete Visitatores auff sich allein nit nemmen wöllen,
mögen verbessert und die Ungehorsamen gebürlich gestrafft,
auch was sonsten noch zuverrichten, ins Werck gesetzt wer-
den und also die Execution erfolgen. Durch solche Kirchen
Visitation werden beydes, Pfarrer und Pfarrkinder, gleich-
sam als im Zaum gehalten, damit sie zu beyden Theylen ihr
Ampt fleißig und trewlich außrichten, als die da wol wissen,
daß sie ihres Thuons unnd Lassens Rechenschafft werden ge-
ben müssen, Dardurch dann viel Böses vermitten und dar-
gegen vil Guots gestifft wirt. Darumb dann auch Niemandts
der Unkosten, so etwann darauff gehen, beschweren noch ey-
nige Mühe und Arbeyt rewen soll.
IV. Von Ehesachen
Es hat der Allmächtig, barmhertzig Gott gleich im Anfang,
da er den Menschen erschaffen, den Ehelichen Standt gestifft
und eingesetzt und dem Mann sein Ehelich Weib zugeordnet
mit disem Bescheydt, daß er seinem und sonst keinem an-
derm Weib Eheliche beywohnung thuon soll, etc. Darmit
dann Gott offentlich hat zu verstehen geben, daß er ein rei-
nes, keusches Wesen sey unnd aller unordentlichen, schändt-
lichen Unzucht von Hertzen feindt. Hat auch mit allerley
erschöcklichen Exempeln bewisen, daß er solche Unzucht
Zeitlich und, so man nit in der Gnadenzeit wahre Buoß thuot,
auch ewiglich straffen wölle. Darumb, weil die Weltliche Ob-
rigkeit zu Gottes Dienerin und dahin verordnet ist, daß sie
Gottes Ordnung fürdern, schutzen und handthaben soll, so
will Ihrem Ampt und Beruoff gebüren, daß sie sich der Ehe-
sachen ernstlich underfahe und darinn rechtmäßige Ordnung
halte, damit aller unordentlichen Unzucht so vil müglich ge-
wehret werde, sonderlich zu diser letzten Zeit, da der Muot-
will bey dem gemeynen Pöfel also uber Hand genommen,
daß die Unzucht schier für kein Sünd mehr geachtet werden
will. Volget demnach hierauff ein kurtzer Begriff eines Er-

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