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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0234
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Schwäbisch Hall

ner freundtschafft, sondern einander damit zu ei-
chen6 und uberfüllen, angesehen, welche aber zur
feindschafft und, obiger andeuttung nach, höchster
beschwerung ausschlagen, wie zumal auch besser,
dann bishero geschehen, |98r| inn Achtung nemen,
daß man der Zeitt halb seine und unverweißliche7
maß haltte, nicht vergesse, widerumben uffzustehn,
dadurch dann gemeinsamlich auch alle ordnungen
baldt uberschritten, ja gar verlohren, verderbliche
Unordnungen eingefüert werden, der Zuversicht, es
werde ein jeder, der eines Erbarn christlichen ge-
müetts, vor sich selber ohne grossen Zwang sich der
schuldigkeit gegen Gott, dem allmechtigen, unnd
der obrigkeit dermassen so beschaiden unnd löblich
zuerzeigen, gemeint sein, uff das er nicht allein an-
dere verwiß8 und verdienter straffen geübrigt, son-
dern vilmehr dessen vor sein Person danckh und
nutzen gehaben möge.
Zum widerigen, unversehenen fall aber, einer
oder mehr unserer Burger, underthon unnd ver-
wandten erfunden, welche hierinnen gebürende
Massen vermesslich uberschreitten, dadurch zu
sträfflicher füllerey gerathen oder andere darzu rait-
zen unnd bringen, dardurch also auch zu unord-
nung, ubel-I98v | standt, Sünd und anderm verweiß-
lichen wesen ursach und anlaittung geben wurden,
die sollen nach befundener beschaffenheit nit allein
ahn gelt, eines oder mehr, den vorigen ordnungen
nach9, besonders auch, da ein solcher verächtlicher
ungehorsamb und vermessenheit gespüret, auch
ahm leib herttiglich gestrafft werden.
Wie es dann, zum andern, der straff halb gleiche
mainung mit dem fluechen und schweren, verleumb-
dungen und Affterreden, lesterungen und schmä-
hungen (welche bei vilen leichtferttigen Leutten
fast10 gemein und ohngescheucht getriebn) nicht we-
niger auch haben solle, daß sich meniglich vor sol-

6 „Den Bauch eichen“ sprichwörtlich für „Saufen“, vgl.
Grimm, DWb 3, Sp. 80.
7 Unverweislich, unverwerfbar = nicht verwerfliche, ein-
wandfreie, vgl. Grimm, DWb 24, Sp. 2119. Siehe auch
folgende Anm.

chen lastern Yppig- und Leichtferttigkeit mit ernst
zuhüetten wisse, so lieb ime sei, hertte straff zuver-
meiden. Daferr es sich fürtter auch zutragen sollte,
daß einer oder mehr solcher und anderer gleichfor-
miger Laster berechtigt, vorbescheiden oder durch
mittel rechtlichs Proceß fürkommen, der selbß er-
kandten und inn sein gewissen I99r | uberzeugten
warheit zu mehrer bemüehung der Inquisitionen
oder anderer alßdann nottwendigen beweisungen
widersprechen, solcher gestallt auch grösserer be-
müehung, uncosten und verdrießliche beschwerun-
gen verursachen wurde, Inn massen, biß daher vil-
fälttig geschehen und nu schier der gemeine Proceß
sein will, daß sie eher das eusserst zuversuchen,
dann den grundt selbßbewuster11 warheit mit gera-
dem hertzen frei zubekennen, daher dann auch täg-
lich sovil unnd so weitleuffige beschwerliche Recht-
ferttigungen erwachsen, die sollen hiemit wissen,
daß welche hienach inn solcher verschlagenheit er-
funden, für ir gedoppelt unrecht mit zweyfacher
straff büessen sollen.
Fürs dritte, unzucht und Ehebrecherey belan-
gendt, derowegen dann vil anseheliche Herrschaff-
ten, Landt und Leutt erschröckhlich zu grundt gan-
gen, so würdet die straff nach underschied der Per-
sonen und verbrechens uf nachgesetzte maß vorge-
nommen und ohnnachleßlich gebraucht werden.
I99v |
Daß erstlich die ledige Personen, welche mitein-
ander verpottener weise unzucht treiben, ein jedes
zehen tag lang, die Mannß Person im Thurn, das
Weib inn der Frawen gefängkhnus, mit Brodt und
wasser gespeist und getränckhet, büessen und dan-
noch hernach bei unß, dem Rhat, stehn solle, solche
Personen ferners zuverweisen.
Zum andern, welche dann, ain mal gestrafft, sich
daran nicht gestossen, sondern inn gleichem ver-

8 Jemanden verweisen = jemandem einen Vorwurf ma-
chen, jemanden tadeln, Grimm, DWb 25, Sp. 2194.
9 Vgl. die Sitten- und Kirchenzuchtmandate aus der ersten
Hälfte 1527, siehe oben, S. 71-80.
10 Sehr.
11 Selbst erkannter.

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