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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0352
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Konstanz

Nach 1500 begann jedoch der wirtschaftliche und politische Niedergang, bedingt nicht zuletzt durch den
Schwabenkrieg von 1499. Die Stadt ging politisch isoliert, ohne Ansehen und Einfluss aus dem Krieg
hervor. Da sich die Eidgenossenschaft im Laufe des 15. Jahrhunderts immer mehr vom Reich löste, wurde
Konstanz aus der Position einer Binnenstadt in die einer abgelegenen Stadt im äußersten Süden des Reiches
manövriert.9 Außenpolitisch stand die Reichsstadt fortan vor der Frage, sich enger an das Reich oder an die
Eidgenossenschaft anzulehnen.10 Seit 1502 bestand ein Schirmvertrag mit Österreich,11 1510 entwarf Maxi-
milian I. eine Verfassung für die Stadt,12 in der die reichstreuen Zünfte die absolute Mehrheit im Rat
erhielten, um die zur Eidgenossenschaft tendierenden Gruppen zu schwächen.
Mit rund 5000 Einwohnern war Konstanz zu Beginn des 16. Jahrhunderts die größte Stadt am Boden-
see. Durch die Pestepidemie 1518/19, bei der zahlreiche Einwohner umgekommen oder geflohen waren, ging
die Bevölkerung jedoch stark zurück.13 Am Vorabend der Reformation stand die Reichsstadt auf verschie-
denen Ebenen in zum Teil heftigen Spannungen. Diese waren zum einen politischer Art, sie betrafen das
Verhältnis zu Bischof, Reich und Eidgenossenschaft, zum anderen sozialer Art, sie betrafen das Miteinander
der Konstanzer Bevölkerung.14

2. Die reformatorische Bewegung 1519-1523

Seit 1518 kursierten Luthers Schriften in Konstanz und brachten erstes reformatorisches Gedankengut in
die Stadt. Der Rat behinderte dies nicht.15 Der erste lutherische Prediger war Jakob Windner,16 zunächst
Helfer des Pfarrers an St. Stephan und seit 1519 Pfarrer an St. Johann. Im Sommer 1521 formierten sich die
Anhänger der neuen Lehre zu einer Bewegung, die sich im September gegen die Publikation des Wormser
Edikts wandte.17 Die frühe reformatorische Strömung in Konstanz trat damit nicht allein als reine Fröm-
migkeitsbewegung auf, sondern auch als politisch motivierte Gruppe.
Der Humanistenkreis um den Domherrn Johann von Botzheim18 und den Generalvikar Johann
Fabri19 stand dem reformatorischen Gedankengut aufgeschlossen gegenüber.20 Von Botzheim sorgte Anfang
1522 dafür, dass Johannes Wanner21 die Münsterprädikatur erhielt. Windner und Wanner waren die beiden
führenden Konstanzer Prädikanten, die einen Kreis Neugläubiger um sich scharten.22 Zu den beiden Pre-
digern stieß im Juli 1522 der Konstanzer Patriziersohn Ambrosius Blarer,23 der soeben aus dem Benedik-

9 Maurer, Konstanz 2, S. 227-250; Moeller, Refor-
mation, S. 8f.
10 Vgl. Dobras, Konstanz, S. 21-23.
11 Maurer, Konstanz2, S. 255f.; Heuschen, Reforma-
tion, S. 36-47.
12 Buck/Fabian, Reformationsgeschichte, S. 42-48, 279-
284; Rublack, Einführung, S. 9; Maurer, Konstanz
2, S. 268f.; Dobras, Ratsregiment, S. 47-53; ders. Kon-
stanz, S. 17f.; Heuschen, Reformation, S. 36-47.
13 Dobras, Konstanz, S. 39; Rublack, Einführung,
S. 205 Anm. 2.
14 Moeller, Reformation, S. 8. Vgl. Schuler, Bischof,
S. 300-315; Rublack, Situation, S. 316-330; Feger,
Vorabend, S. 39-55.
15 Rublack, Einführung, S. 16f. und S. 205 Anm. 1;
Moeller, Reformation, S. 9f.

16 Zu Jakob Windner siehe Rublack, Einführung, S. 206
Anm. 5.
17 Ebd., S. 209 Anm. 22; Buck/Fabian, Reformationsge-
schichte, S. 29-35; Dobras, Konstanz, S. 39f.
18 Johann von Botzheim war Schüler Jakob Wimpfelings
und korrespondierte mit Erasmus. Er war seit 1510
Domherr, vgl. BBKLI, Sp. 717; Moeller, Zwick,
S. 66ff.; weitere Literaturangaben zu Botzheim bei Rub-
lack, Einführung, S. 17 sowie S. 210f. Anm. 25 und 26.
19 Zu Johann Fabri siehe Iserloh, Theologen 1, S. 90-97;
TRE 10, S. 784-788; Rublack, Einführung, S. 17.
20 Rublack, Einführung, S. 17.
21 Zu Johannes Wanner siehe Rublack, Einführung,
S. 18f., S. 213 Anm. 50; Zoepfl, Wanner.
22 Vgl. Buck/Fabian, Reformationsgeschichte, S. 62-74.
23 Zu Ambrosius Blarer siehe Moeller, Blarer, S. 11-38;
Brecht, Wirksamkeit, S. 140-171; Pressel, Blaurer.

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