Konstanz
als der weltlichen Obrigkeit unterstellt werden.35 Die einzelnen Maßnahmen sind in einem Katalog zusam-
mengefasst: Die neue Lehre müsse von der alten abgegrenzt, schriftgemäße Predigt eingeführt, Feiertage
und Fastengebote sollten abgeschafft, Gottesdienste von Missbräuchen und überflüssigen Zeremonien gerei-
nigt und das Kirchengut zum gemeinen Nutzen verwendet werden. Daneben nimmt der Ratschlag Stellung
zu Wahl und materieller Versorgung der Geistlichen, Neuordnung der Ehegerichtsbarkeit, Klosteraustritt
der Konventualen sowie zu weiteren Einflussmöglichkeiten der weltlichen Obrigkeit gegenüber den Geist-
lichen.
Der Magistrat nahm die Kleriker in das Bürgerrecht auf, seit Sommer 1526 wurden sie zu städtischen
Auflagen herangezogen, mussten sich am Wehrbau beteiligen und wurden der weltlichen Gerichtsbarkeit
unterstellt.36 Weitere Ordnungen und Mandate, die der Rat in den kommenden Jahren erließ, knüpfen
immer wieder an das im Reformationsratschlag erstmals entworfene Konzept für ein evangelisches Gemein-
wesen an.
Neben dem Exemplar des Textes in der St. Galler Vadiana,37 das hier als Textvorlage dient, ist ein
weiteres im Stadtarchiv Schwäbisch Hall38 überliefert. Dem Haller Exemplar fehlt jedoch die kurze Vor-
rede. Daneben sind die Textabschnitte des Haller Textes stärker untergliedert und die Überschriften aus-
führlicher gehalten.39
2. Konstanzer Reformationsordnung 1524-1529
Seit 1525 lag die Führung der Stadt in den Händen bewusst evangelisch Gesinnter. Die herausragenden
Köpfe der Konstanzer Reformation entstammten dem Stadtpatriziat. Es waren im wesentlichen die beiden
Brüderpaare Ambrosius und Thomas Blarer sowie Johannes und Konrad Zwick.40 Ambrosius Blarer und
Johannes Zwick waren Theologen, Thomas Blarer und Konrad Zwick Ratsherren. Diese vier standen in
lebhaftem Briefwechsel mit den Reformatoren in Ulm, Memmingen, Lindau, Straßburg, St. Gallen, Zürich
und Basel.41 Mit dem Speyerer Reichstag vom Sommer 1526 erhielt die Konstanzer Reformation weiteren
Vorschub. Der Rat hoffte zudem, mit der Reformation auch ein altes politisches Ziel verwirklichen zu
können, nämlich den Bischof und das Domkapitel zu entmachten.42 Dies gelang im Sommer 1526, als die
fortwährenden Eingriffe des Rates in angestammte Machtbereiche der römischen Kirche dazu führten, dass
Bischof und Domkapitel die Stadt verließen und nach Meersburg übersiedelten. Im darauf folgenden Jahr
zogen auch die übrigen altgläubigen Geistlichen aus der Stadt aus. Innenpolitisch stellte der Auszug von
Bischof und Klerus einen Glücksfall für den Rat dar, der nun unumstrittener Herrscher des Gemeinwesens
war und die Reformation ungehindert forcieren konnte.43
Zwischen 1524 und 1529 ordnete der Konstanzer Rat zahlreiche Belange des kirchlichen Lebens, zu
denen Predigt, Ehescheidung, Eheschließungs- und Taufzeremonie sowie die Anzahl der Feiertage gehörten,
mittels einzelner Mandate neu. Die mit „Costenzische Ordnung“ überschriebene Zusammenstellung von
fünf Erlassen wurde 1529 zusammen mit einem Ratsbericht44 nach Ulm gesandt, da man die Konstanzer
35 Rublack, Einführung, S. 31f.; ders., Situation, S. 323-
327; Dobras, Konstanz, S. 52f.; Brecht/Ehmer,
Reformationsgeschichte, S. 64.
36 Dobras, Konstanz, S. 53-55; Buck/Fabian, Refor-
mationsgeschichte, S. 110-120.
37 Siehe unten, S. 347 Anm. a.
38 Der Haller Rat hatte sich in Konstanz erkundigt, wie
man hier die Reformation einführe, siehe oben, S. 21.
39 Vögeli, Schriften II/I, S. 656 Anm. 21; Rublack,
Situation, S. 320 Anm. 29.
40 Zu Konrad Zwick siehe Rublack, Einführung, S. 336
Anm. 149; zu Johannes Zwick siehe Moeller, Zwick;
vgl. Buck/Fabian, Reformationsgeschichte, S. 48-61.
41 Moeller, Reformation, S. 18; ders., Zwick, S. 79f.
42 Moeller, Reformation, S. 10.
43 Dobras, Konstanz, S. 68.
44 StaatsA Ludwigsburg B 207 Bü 68 und StadtA Kon-
stanz, Missivenbuch 1529, B II, Bd. 32, fol. 181r-188r.
Abdruck bei Buck/Fabian, Reformationsgeschichte,
S. 438-446; Buck, Anfänge, S. 523-531. Teilabdruck bei
Ficker, Bekenntnis, S. 278-279.
334
als der weltlichen Obrigkeit unterstellt werden.35 Die einzelnen Maßnahmen sind in einem Katalog zusam-
mengefasst: Die neue Lehre müsse von der alten abgegrenzt, schriftgemäße Predigt eingeführt, Feiertage
und Fastengebote sollten abgeschafft, Gottesdienste von Missbräuchen und überflüssigen Zeremonien gerei-
nigt und das Kirchengut zum gemeinen Nutzen verwendet werden. Daneben nimmt der Ratschlag Stellung
zu Wahl und materieller Versorgung der Geistlichen, Neuordnung der Ehegerichtsbarkeit, Klosteraustritt
der Konventualen sowie zu weiteren Einflussmöglichkeiten der weltlichen Obrigkeit gegenüber den Geist-
lichen.
Der Magistrat nahm die Kleriker in das Bürgerrecht auf, seit Sommer 1526 wurden sie zu städtischen
Auflagen herangezogen, mussten sich am Wehrbau beteiligen und wurden der weltlichen Gerichtsbarkeit
unterstellt.36 Weitere Ordnungen und Mandate, die der Rat in den kommenden Jahren erließ, knüpfen
immer wieder an das im Reformationsratschlag erstmals entworfene Konzept für ein evangelisches Gemein-
wesen an.
Neben dem Exemplar des Textes in der St. Galler Vadiana,37 das hier als Textvorlage dient, ist ein
weiteres im Stadtarchiv Schwäbisch Hall38 überliefert. Dem Haller Exemplar fehlt jedoch die kurze Vor-
rede. Daneben sind die Textabschnitte des Haller Textes stärker untergliedert und die Überschriften aus-
führlicher gehalten.39
2. Konstanzer Reformationsordnung 1524-1529
Seit 1525 lag die Führung der Stadt in den Händen bewusst evangelisch Gesinnter. Die herausragenden
Köpfe der Konstanzer Reformation entstammten dem Stadtpatriziat. Es waren im wesentlichen die beiden
Brüderpaare Ambrosius und Thomas Blarer sowie Johannes und Konrad Zwick.40 Ambrosius Blarer und
Johannes Zwick waren Theologen, Thomas Blarer und Konrad Zwick Ratsherren. Diese vier standen in
lebhaftem Briefwechsel mit den Reformatoren in Ulm, Memmingen, Lindau, Straßburg, St. Gallen, Zürich
und Basel.41 Mit dem Speyerer Reichstag vom Sommer 1526 erhielt die Konstanzer Reformation weiteren
Vorschub. Der Rat hoffte zudem, mit der Reformation auch ein altes politisches Ziel verwirklichen zu
können, nämlich den Bischof und das Domkapitel zu entmachten.42 Dies gelang im Sommer 1526, als die
fortwährenden Eingriffe des Rates in angestammte Machtbereiche der römischen Kirche dazu führten, dass
Bischof und Domkapitel die Stadt verließen und nach Meersburg übersiedelten. Im darauf folgenden Jahr
zogen auch die übrigen altgläubigen Geistlichen aus der Stadt aus. Innenpolitisch stellte der Auszug von
Bischof und Klerus einen Glücksfall für den Rat dar, der nun unumstrittener Herrscher des Gemeinwesens
war und die Reformation ungehindert forcieren konnte.43
Zwischen 1524 und 1529 ordnete der Konstanzer Rat zahlreiche Belange des kirchlichen Lebens, zu
denen Predigt, Ehescheidung, Eheschließungs- und Taufzeremonie sowie die Anzahl der Feiertage gehörten,
mittels einzelner Mandate neu. Die mit „Costenzische Ordnung“ überschriebene Zusammenstellung von
fünf Erlassen wurde 1529 zusammen mit einem Ratsbericht44 nach Ulm gesandt, da man die Konstanzer
35 Rublack, Einführung, S. 31f.; ders., Situation, S. 323-
327; Dobras, Konstanz, S. 52f.; Brecht/Ehmer,
Reformationsgeschichte, S. 64.
36 Dobras, Konstanz, S. 53-55; Buck/Fabian, Refor-
mationsgeschichte, S. 110-120.
37 Siehe unten, S. 347 Anm. a.
38 Der Haller Rat hatte sich in Konstanz erkundigt, wie
man hier die Reformation einführe, siehe oben, S. 21.
39 Vögeli, Schriften II/I, S. 656 Anm. 21; Rublack,
Situation, S. 320 Anm. 29.
40 Zu Konrad Zwick siehe Rublack, Einführung, S. 336
Anm. 149; zu Johannes Zwick siehe Moeller, Zwick;
vgl. Buck/Fabian, Reformationsgeschichte, S. 48-61.
41 Moeller, Reformation, S. 18; ders., Zwick, S. 79f.
42 Moeller, Reformation, S. 10.
43 Dobras, Konstanz, S. 68.
44 StaatsA Ludwigsburg B 207 Bü 68 und StadtA Kon-
stanz, Missivenbuch 1529, B II, Bd. 32, fol. 181r-188r.
Abdruck bei Buck/Fabian, Reformationsgeschichte,
S. 438-446; Buck, Anfänge, S. 523-531. Teilabdruck bei
Ficker, Bekenntnis, S. 278-279.
334