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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0399
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5. Almosenordnung 1532

rer furdrung und hilf der rechten armen angesehen,
das man furohin alle wochen nur uff ainen |118v|
tag, namlich uff den suntag, allen notturfftigen
frömbden ain gmains allmusen geben wil, damit sy
die andern sechs tag dahaimen sin, ouch arbaiten
und die kind zur arbait ziehen mogind und allso nit
zu ewigen bettlern werdint.
Und am suntag, so die mittagpredig im munster
uß ist, sollend sich alle frombde arme menschen
(dann die haimschen haben sunst by den raiti-
nern5 ir sunder oder aigne hilf) in Sant Steffans kir-
chen6 versamlen und die predig oder hermanung, die
ain diener der kirchen inen uff ain halb stund lang
thun soll, hören, und deren vlyßig uffmerckenβ.
Nach der predig sollend die armen all in den
chor gon und hinin gezelt werden, damit man das
allmüsen in so vil thail, als vil der armen sind, thai-
len möge. Darnach sollend die raytiner sy widerumb
harus gon lassen und jegklichem menschen sin al-
müsen, was sich zu sinem thail trifft, in die hand
geben, jegklichem, nach dem es ellend, arm oder
notturfftig ist, wie sy für gut ansehend. Welhes dann
das almüsen empfangen hat, das soll hinweg und
haim gon |119r | und in der statt nit pliben, es habe
dann ehafftig7 zeschaffen.
Item, die raytiner söllend alle, die das almüsen
innemment, mit iren aignen und zunammen, ouch
wannen8 sy syen, uffzaichnen, deßglich wievil jedes
kind by im hab und wie die haißint. Darnach sol-
lend sy an jegkliche ort ir kuntschafft by der ober-
kait und sunst machen und haben, ob dise lüt arm,
frumm, wercksam oder deß almüsens notturfftig
oder wert syen. Und wie sy erlernent, das ettliche
maisterloß wärind, unerber husetint, müßig gien-
gent, das almüsen ubel anlegten, den selbigen sol-
lend sy darnach nichtz mer geben. Wo sy aber er-
farend, das man der hilf und almüsens notturftig ist,

β Es ist nachmals verordnet, das dise predig und ußtailung
deß almusens vor der mittagpredig bschehen soll.
5 Als Raitinen werden die vier Almosenspenden bezeich-
net, die 1262 erstmals erwähnt wurden, Raitiner sind die
Raitepfleger, vgl. Maurer, Konstanz 1, S. 129.
6 Pfarrkirche St. Stephan.

da sollend sy alle suntag das almusen ußtailen.
Und so offt lüt kumment, die sy (die raitiner) nit
kennent oder in iren rödlen9 der waren armen nit
habent, söllend sy inen den ersten suntag das al-
müsen geben und sy uffzaichnen und darnach er-
kundigung haben und wyther oder zu andern sun-
tagen inen nichtz mer geben, sy habint dann vorhin
kuntschafft irer notturft erlernet. |119v|
Item und zu disem almusen wurt man zur wo-
chen zwen tag, namlich den mittwoch und sambs-
tag, durch die ganzen statt samlen. Namlich wer-
dent zwen rayteknecht mittainander harumb gon
und mit ainer glogken wie der siechen klingler lüten;
und was dann jegklicher mensch durch gots willen
zu uffenthalt der armen gibt, es syg gelt, brot,
schmaltz, mel oder anders, das werdent sy getruw-
lich versorgen und bhalten.
Am suntag darnach würt man alles, das allso in
der wochen gsamelt ist, ganz und gar on ainichen
abzug under die armen ußtailen. Item, es sollend die
raytepfleger all, oder doch ettlich von inen, sampt
irm schriber und den knechten all suntag bym uß-
tailen sin und, so vil inen möglich, gut vlyß haben,
das kainem unnotturfftigen oder maisterlosen, be-
sunder10 allain rechten armen und torfftigen11, das
almüsen werd ußgethailt.
Und was in die stöck, die vor den kirchen stond,
gefalt, das wurt ouch in dises sunentäglich almüsen
den frombden geraicht werden. |120r | Was man aber
an fyrtagen in der kirchen in die säckli samlet, das
wurt man in das gmain almusen im seelhus12, zu uff-
enthalt der burger und anderer, wie vorhar, geben,
dann die selbig ordnung irn fürgang nicht destmin-
der haben soll. Item und was dem siechen klingler
geben wurt, das wurt ouch wie vorhar den frömbden
siechen pliben.

7 Rechtmäßig, rechtschaffen, vgl. Grimm, DWb 3,
Sp. 43.
8 Von wo, woher.
9 Rödel, Rolle, Register, Dokument, vgl. Grimm, DWb
14, Sp. 1107.
10 Sondern.
11 Bedürftigen.
12 Siehe oben, Anm. 4.

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