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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0404
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Konstanz

8. Zuchtordnunga
5. April 1531

Wir, Burgermaister, ouch clain unnd groß Rät der
Statt Costantz, embietenn allen unnd jeden unsern
burgern, underthonen, verwandten unnd Insäßen
Gnad von Gott, unsern fruntlichenn willenn unnd
günstigen grus.
Der sun Gots, Christus Jesus, ansagt den jhenen
wee unnd ungnad gottes, durch welche schand unnd
ergerniß beschehend1. So ist grosser laster unnd an-
stoß nit klaine ursach, wann die Oberkayt, die zu
straf der bösen und das die gutenn by frid unnd ru-
wen plibenn mögind2, ist uffgesetzt, schläfrig ob den
lasternn halt unnd die onunderläßigb nit ußsbannt.
Dann ob mann glichwol mit höchstem vlys den las-
tern wert, wurt dannocht nit beschehenn, das kaine
laster syen. Hat aber die Oberkayt ain ersammen
ernst unnd unvorthaylige dapfferkayt in straf des
ublen, so laistet sy Gott irenn schuldigen dienst
unnd schaffet ir selbs ain frundholde3, Eererbietliche
forcht by den Underthonen unnd den burgern lieb
unnd ainhertzigkait gegen ainandern, das die best
stattmur ist. Harwiderumb, obs in straf der laster
hinläßig ist unnd schillet4, so bschicht gwißlich, das
die laster nemend uberhand unnd mann ab dem bö-
ßenn kain schühen5 hat; darzu in gmainen bruch
kumpt unachtung göttlicher gepott unnd Erenn,
ouch ungerechtec Regierung der Obern, ungehorsa-
mer fräfel der Undern, und das yegklicher dem an-
dern sins schadens nit nur nit vor ist, bsonnder6 mer

a Textvorlage A (Handschrift): StadtA Konstanz A III
Bd. 8, fol. 122r-146o. Textvorlage B (Handschrift): Zen-
tralbibliothek Zürich Nr. A 106, p. 638-678. Abdrucke:
Vögeli, Schriften I, S. 442-464 (ohne die Zusätze nach
1531); Hauss, Zuchtordnung, S. 77-110; Pressel,
Blaurer, S. 547-569; Feger, Statutensammlung, Nr. 52
S. 55-62 (nur mit einem Teil der Zusätze nach 1531).
b B: on underlaß.
c B: ungeachte.
d B: so sy.
e B: schuld.
f B: burgerreehts.

den sucht unnd aignen nutz mit andrer nachtail
handelt, dardurch dann der zornn gots angeraitzt
unnd letstlich der sunder in sin sunden mitsampt
den jhenen, die den sunden, sosd gemögt7, nit gewert
habent, mit swärer rut gestrafft wurt. |122v |
So nun wir ouch sind ain Oberkayt, so wellend
wir gott und sinem Christo zun erenn unnd dienst-
barkait, ouch von Oberkaitlicher schuldenne wegen,
sovil unns uß gnadenn gots wurt möglich sin, den
sunden weren unnd die laster erstlich by unns selbs
unnd darnach by den unsernn unnd in unser Ober-
kayt verpannen.
Dwyl aber vil wäger8 ist, in laster nit fallenn
dann begwonete verlassenn, so bedenckent ouch wir,
das nutzer syg unnd besser, den lastern vor sin, ouch
die, so bald sy wurtzlen wellennd, furkummen, das
sy ußbrechenn oder zu früchten wachsenn nit mö-
gent unnd nit wartenn, das manns, sos besehennd,
strafen müße.
Von Verordnung der Zuchtherren
Unnd habent harumb jetzo verordnet unnd werdent
fürohin alwegen ettliche Zuchtherren verordnen,
welche by den Pflichtenn, die sy Rats oder burgk-
rechtsf halbenn thund, ob allenn unnd yeden erger-
nissenn, lastern unnd handlungen, die wider gott,
wider den gmainen nutz oder wider den nechsten

1 Mt 18,7.
2 Röm 13,4.
3 Freundhold, seinen Freunden oder Verwandten dienst-
fertig, ergeben, vgl. Grimm, DWb 4, Sp. 165; DRW 3,
Sp. 871.
4 Schielt, vorbei sieht, die Laster durchgehen lässt, vgl.
Fischer, Wörterbuch V, Sp. 835f.
5 Schuchern = Scheuen, Angst haben, vgl. Grimm,
DWb 15, Sp. 1824.
6 Sondern.
7 Bemerkt werden.
8 Besser, vgl. Grimm, DWb 27, Sp. 337.

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