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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0444
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Isny

1. Zuchtherrenordnung [1533] (Text S. 429)
Der Isnyer Rat blieb jedoeh nicht so untätig, wie es Blarers Klagen nahe legen. Der Magistrat war zunächst
darum bemüht, gegen die öffentlichen Laster in der Bevölkerung vorzugehen. Anfang 1533 fragte man in
Memmingen an, wie dort in Belangen der Sittenzucht vorgegangen würde, und bat um Übersendung der
Memminger Zuchtordnung von 1532.31 Diese stellte nicht nur das Vorbild für die Isnyer Ordnung dar,
sondern wurde in einigen Teilen sogar wörtlich übernommen.32
Die Isnyer Zuchtherrenordnung umfasst drei Abschnitte: Der erste benennt ein Gremium von Rats-
herren, den elf Zunftmeistern sowie den Prädikanten. Diese als kirchenpfleger bezeichneten Zuchtherren
sollten alle fraglichen Belange öffentlicher Laster beraten, über die der Rat letztlich das Urteil fällte. Im
zweiten Teil sind die Laster einzeln aufgelistet. Die Zuchtherren sollten die Übertreter bis zu drei Mal
ermahnen. Im dritten Abschnitt werden schließlich Maßnahmen der Kirchenzucht, etwa der Ausschluss
vom Abendmahl, geregelt.33
Gegenüber der Memminger Vorlage ist die Isnyer Ordnung wesentlich kürzer. Detaillierte Bestimmun-
gen über die Kompetenzen der Zuchtherren, wie sie in Memmingen erscheinen, fehlen in Isny. Auch die
Memminger Artikel zum Ehestand werden nicht aufgegriffen. Stattdessen wurde in Isny 1566 eine eigene
Ordnung zu Belangen des Ehegerichts abgefasst (Nr. 3). Die Isnyer Zuchtherrenordnung ist nicht datiert.
Da der Memminger Text vom Isnyer Rat Anfang 1533 angefordert worden ist und nur mit wenigen Ver-
änderungen übernommen wurde, ist davon auszugehen, dass die Zuchtherrenordnung noch im selben Jahr
entstanden ist. Entgegen Kammerer, der annimmt, dass die Zuchtherrenordnung lediglich in Abschriften
des 17. und 18. Jahrhunderts überliefert ist,34 wurde ein zeitgenössischer Text aus dem 16. Jahrhundert in
Straßburg aufgefunden.35
Die Isnyer Reformation war mit der Zuchtherrenordnung auf eine schriftlich fixierte Grundlage gestellt
worden. Ein weiterer Schritt auf dem Weg reformatorischer Maßnahmen erfolgte von privater Seite. Am
14. April 1534 rief der Isnyer Kaufmann Peter Buffler eine Stiftung ins Leben, mit deren Mitteln die
Ausbildung evangelischer Geistlicher sichergestellt werden sollte.36 Diese sogenannte Bufflersche Schulstif-
tung war nicht nur für Isny relevant, sondern auch für die daran beteiligten Städte Konstanz,37 Lindau und
Biberach und hatte damit über die Grenzen Isnys hinaus Bedeutung für die Reformation. Die beiden
Stipendiaten, die jede Stadt aus ihren Einwohnern auszuwählen hatte, sollten in Straßburg ausgebildet
werden.38
Die Tatsache, dass mit der Einführung der Reformation in Württemberg im Jahre 1534 weite Land-
striche Südwestdeutschlands evangelisch wurden, leistete auch der Reformation in Isny Vorschub. Die
Auflösung des Schwäbischen Bundes einerseits und die Festigung des Schmalkaldischen Bundes anderer-

aufgefordert, das Kloster in seinen Zeremonien sowie in
Sachen des Kirchenschmucks und der Bilder unangetas-
tet zu lassen, Kammerer/Pietsch, Urkunden, S. 119
Nr. 730.
31 Kammerer, Reformation, S. 32; Köhler, Ehegericht
II, S. 215 und Anm. 56.
32 Die Memminger Ordnung geht nach der Edition bei
Sehling, EKO XII, S. 247-255 und Einleitung S. 229
ihrerseits auf die Konstanzer Zuchtordnung (1531)
zurück, stellt aber einen eigenständigen Text dar.
33 Kammerer, Reformation, S. 32-35.
34 Ebd. S. 32. Diese liegen im Kirchenarchiv Isny. Kam-

merer, Reformation, S. 61 Anm. 73 verweist darauf,
dass hier auch eine moderne Abschrift vorhanden ist.
Diese fertigte er selbst an, wobei er die Varianten der
Memminger Ordnung einfügte.
35 Siehe unten, S. 435 Anm. a.
36 Abdruck des Stiftungsbriefes bei Pressel, Blaurer,
S. 570-576; weitere Nachweise bei Moeller, Zwick,
S. 156 Anm. 92. Zum Inhalt siehe Kammerer, Refor-
mation, S. 25f.; Geschichte des humanistischen Schul-
wesens 2/1, S. 590.
37 Siehe oben, S. 331.
38 Kammerer, Reformation, S. 26.

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