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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0472
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Isny
Ehegerichts proceß |23v|

So solle ahn disem Ehegricht procediert und gehan-
delt werden wie hernach volgt.
Deß Beclagten ungehorsamb außbleiben betref-
fende:
Erstlich, wo auff der Clagenden Parthey gegen
dem thail, so sich zuebeclagen fürhat, außgebrachts
und wie recht verkhündte ladung oder fürbott (de-
ren jedes zue befürderung der sachen endtlich und
peremptorie sein soll) solcher thail, so mann becla-
gen woltt oder zueantwortten schuldig were, nicht
erschiene, sondern ungehorsamb außblibe oder
gantz nicht erscheinen woltt, so solle (inn ansehung,
das die Ehesachen zum wenigsten in ihrem anfang
die gegenwerttigkait beyder Partheyen gewißlich er-
vordern und nicht durch Gewaltthaber gehandelt
und vertretten werden mögen) gegen solcher unge-
horsammer Persohn mit straff, erstlich gelts, und,
solches nicht helffen woltte, deß Leibs, alß gefäng-
nuß, ge-|24r | handelt und procediert werden so lang
und vil, biß sie zue gericht und billichem gehorsamb
gepracht werden.
Cläger solle sein clag thun:
Wann dann die Partheyen von beeden seiten vor
Ehegericht erschienen, alßdann solle die Clagende
Parthey durch Ihren erlaubten fürsprechen inn ge-
genwerttigkait der widerparthey summarie zum
kürtzesten, glümpffigsten und züchtigsten ihr clag
für- und einpringen.
Der Partheyen ältern oder Pfleger mögen die
winckhel Ehe anfechten:
Darneben ist der Partheyen (so minderjährig |24v|
und noch inn ihrer ältern oder vögten gewaltt we-
ren) Vatter, Muetter, Pflegern oder Vögten unbe-
nommen, auch inn dem Gericht zuerscheinen und
sich rechtlich einzuelassen (ob sie woltten und sich

4 Vgl. Ehegerichtsordnung von 1566/1600, siehe oben,
S. 439.

die geschicht dermassen hielt), die angemasst oder
angezaigt Ehe alß im winckhel und ohne Ihr wissen
und willen und also wider unser aufgerichts ord-
nung4 und verbott beschehen, wie Recht, anzuefech-
ten, mit pitt und begehr, die selb dermassen mit urt-
tel zueverrichten und abzuerlernen.
Ayd für gefärd und erkantnuß der abschrifft
und schubs5:
So dann also der krieg6 rechtens durch vermainen,
wie oblauth, bevestiget ist, solle den richtern die
Partheyen, wo sie das begehren wurden, zue dem
gewohnlichen aydt calumniae zue zelassen oder für
sich, sich selbs im fahl der Notturfft von ihnen zu-
ervordern, unbenommen, auch den Partheyen, |25r |
wo sie nicht alßbaldt weiter handlen sondern ab-
schrifft und weiter auffschub zur handlung begehren
wurden, solch abschrifft und schub zuegelassen sein.
Die beweisung belangende:
Auff gehabte abschrifft, bedacht und schub sollen
die Partheyen widerumb vor Gericht erscheinen,
und was ihnen vernaint were, sich zuebeweisen zue-
zelassen begehren.
Darauff sollen die Richter den begehrenden thail
zue solcher beweisung zuelassen, sovern sie anderst
befinden, das solche beweisung erhöblich und
dienstlich ist und anderst nicht.
Der beweisung mögen sich |25v | die Partheyen
nicht verzeichen:
Auch ob sich auß der handlung befunden, das sich
die Partheyen zuebeweisen nicht begehrten zueze-
lassen, sondern der beweisung verzeichen oder die
nicht thun woltten, und aber dannoch zue ergrün-
dung der warhait die beweisung von Nöthen sein
wurden und die Richter vermuethen könden, das sie

5 Aufschub.
6 Rechtsstreit, vgl. Grimm, DWb 11, Sp. 2214f.

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