Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0541
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung

untergebracht war, bis sie 1547 in das ehemalige Augustinerkloster am Neckar umziehen konnte, das fortan
als Evangelisches Stift bezeichnet wurde.43 1551 wurde die Zahl der Stipendiaten von 50 auf 70, 1559
nochmals auf 100 erhöht.44 1565 legte der Landtagsabschied die Anzahl schließlich auf 150 fest.45 Die
Studenten, die durch das herzogliche Stipendium eine einheitliche und gründliche Ausbildung erfuhren,
nahmen also innerhalb weniger Jahre sprunghaft zu, worin die große Bedeutung, die das Stift für die
Ausbildung der angehenden Pfarrer besaß, zum Ausdruck kommt.46 Geleitet wurde das Stipendium vom
Magister domus, der von zwei Theologieprofessoren - den beiden Superintendenten - beaufsichtigt und
unterstützt wurde.47
Herzog Ulrich hatte am 12. März 1541 eine erweiterte Stipendiatenordnung48 und im Frühjahr 1547 die
Statuten erlassen.49 Beide Regelwerke steckten in aller Kürze den institutionellen und ökonomischen Rah-
men des stiftischen Zusammenlebens ab.50 Herzog Christoph schuf 1557 erstmals eine umfassende Ordnung
des Stipendiums,51 die ohne die Vorrede und mit nur wenigen Änderungen in die Große Kirchenordnung von
1559 übernommen wurde.52 Hatten die bis dahin für das Stipendium erlassenen Ordnungen und Statuten
vornehmlich die institutionellen und ökonomischen Bedingungen des Stipendiums festgelegt, so regelte die
Ordnung von 1557/1559 erstmals auch inhaltliche Aufgaben des Studiums bis hin zur vorgesehenen Lek-
türe.53
Die Ordnung von 1559 hatte eine außerordentlich lange Geltungsdauer, denn neue Statuten für das
herzogliche Stipendium wurden erst Mitte des 18. Jahrhunderts erlassen.54

42o. Ordnung für adelige Schüler und Studenten (Text S. 580)
Sollten in den Schreib- und Rechenschulen die Verwaltungskräfte für den gehobenen Dienst ausgebildet
werden,55 so sah die Große Kirchenordnung auch den Bildungsgang für den höheren Verwaltungsdienst - für
Räte und Amtleute - vor. Für diese Laufbahn waren vorwiegend Adelige vorgesehen. 20 adelige Landes-
kinder sollten zunächst in der Lateinschule und anschließend auf der Tübinger Universität durch ein Sti-
pendium unterstützt werden. Auch die drei- bis vierjährige Kavaliersreise ins Ausland, die einer ausgewähl-
ten Anzahl von Stipendiaten zugute kam, wurde aus öffentlichen Geldern finanziert. Als Gegenleistung
mussten die Studenten zusagen, nach ihrer Ausbildung in württembergische Dienste zu treten.56
Während ihres Studiums in Tübingen sollten die Stipendiaten im Franziskanerkloster untergebracht
werden, das für diesen Zweck umgebaut werden sollte. 1594 wurde anstelle des inzwischen abgebrannten
Klosters das Collegium Illustre als eine der ersten Ritterakademien für den Adel im deutschen Sprachraum
errichtet und eröffnet.57

43 Deetjen, Stift, S. 24; Brecht, Evangelisches Stift,
S. 217-222; Reformation in Württemberg, S. 223.
44 Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte, S. 335.
45 Reyscher, Gesetze II, S. 126; vgl. Reformation in
Württemberg, S. 223.
46 Reformation in Württemberg, S. 224.
47 Brecht, Konzeptionen, S. 31; Hahn/Mayer, Stift,
S. 16f.; Reformation in Württemberg, S. 223.
48 Abdruck bei Reyscher, Gesetze XI/2, S. 11-20.
49 Abdruck ebd., S. 17-19.
50 Deetjen, Stift, S. 23f.; Brecht, Konzeptionen, S. 29;
Hahn/Mayer, Stift, S. 14f.
51 „Ordinatio unseres gnädigsten Fürsten und Herrn Sti-
pendii novo confirmirt, erklärt und gemehrt de dato 15.
Mai 1557“, Archiv des evangelischen Stifts Tübingen K
2, F 13,1.

52 Leube, Stift, S. 17; Brecht, Konzeptionen, S. 30;
Hahn/Mayer, Stift, S. 20-22. Zum Inhalt der Ordnung
von 1557/59 siehe ausführlich Leube, Stift, S. 17-19;
Hahn/Mayer, Stift, S. 20-26, 104-109.
53 Ehmer, Bildungsideale, S. 22; Brecht, Konzeptionen,
S. 29.
54 Brecht, Konzeptionen, S. 31.
55 Siehe die Ordnung Nr. 42r.
56 Setzler, Collegium Illustre, S. 185-189.
57 Ebd.; Reformation in Württemberg, S. 230, Brecht/
Ehmer, Reformationsgeschichte, S. 335; Ehmer, Bil-
dungsideale, S. 22; ders., 450 Jahre, S. 134; Stahlek-
ker, Lateinschulwesen, S. 35f.

521
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften