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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0564
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Nachtrag zu Band XVI

stand und urtheil zusamen und haben nit acht auff
die puritatem linguae. In dem Emediern soll der
Paedagogus mit fleiß anzeigen, wa sie in inventione
et collocatione rerum und dann in elocutione ver-
borum geirret haben und wie sie es sollen verbes-
sern, sonst wissen sie nit, wann sie es gut oder böß
gemacht haben. Auch soll er rationem punctorum
nit negligiern, das sie die commata, membra unnd
periodos lernen kennena. | cxxxiia |
Auff solche fürgeschribne weiß sollen die Prae-
ceptores und Paedagogi in allen Classibus mit den
Knabenb umbgehen, damit sie nachmals mit wolge-
legtem grund auff der Universitet unverhindert an-
dere und höhere Studia fürnemen und darinnen

nutzlich fürfarn mögen. Dann gemeinlich die jheni-
gen, so nit ein gut Fundament mit sich auff die ho-
hen Schulen bringen, gar wunder selten ettwas nam-
haffts für andere außrichten, sonder eintweder
gantz unnd gar im Studio verzagen oder doch unge-
lerte Leut, inen selbst und andern zu nachtheilc,
bleiben.
Die Grammatic, Dialectic und Rhetoric sollen
bey jederd Classe, da sie gelert, allwegen in einem
Jar außgelesen, besonder aber auff Georgii73 ange-
fangen und geendet werden, Damit man bey der Su-
perintendentz dest eher der Knaben profectum und
der Preceptorn fleiß spüren möge und die Knaben in
iren Studiis nit unordenlich auffgehalten werden.

Der ander Teil
Von Gottesforcht, Disciplin und zucht der Pedagogen und Knaben beides, in
eusserlichen Sitten und der Gottseligkeit, auch Statutis, Privilegiis und Vacantzen | cxxxiib |

Damit nun die Eruditio nicht sey on gutte Disci-
plin, Zucht und Gottsforcht, so ewöllen wir, dase fü-
rohin auch hierinn nachgeschribne Ordnung gehal-
ten werdef.
Von Gottesforcht
Sovil dann die pflantzung der Gottsforcht bey den
Knaben belangt, soll Morgens vor dem anfang der
Lection von der gantzen Schul das Veni sancte
etc.74 und nach Mittag zum anfang der Lection der
erst und letste Verß auß dem Hymno Veni creator
Spriritus75 neben den gewonlichen Collectis mit an-
dacht latine gesungen werden. Es soll auch allwegen
zu end der letsten Lection vor und nach Mittag, ehe

a KO Württemberg 1582: kennen. Und ob gleich ein solche
fleissige emendatio scriptorum ein halben tag erfordert,
ist doch solche zeit wol angelegt.
b Separatdruck 1559: Jungen.
c Separatdruck 1559: nachtheil und schaden.
d KO Württemberg 1582: der.
e-e Separatdruck 1559: soll.
f Separatdruck 1559: werden.

73 23. April.

man die Knaben heim gehn laßt, einer under inen
ordenlich und deutlich ein stuck auß dem Ca-
techismo76, das es die andern alle hören, memoriter
recitiern. Darnach soll ein Classis nach der andern
auffstehen und je zwen und zwen mit einander zur
Thür, und einer jeden Classis Praeceptor neben den
seinen, ettwann weit für die Schul hinauß gehn, da-
mit Unzucht auff der Gassen von inen vermitten
bleib.
Und alle Tag vor essens umb zehen, nach Mittag
umb zwey Uhr, ehe sie außgelassen, inen ausser dem
Cisio Ianus77, wie der bey den quaestionibus Gram-
maticae assigniert, ettwas fürgegeben, gesungen und
der Jugent mit fleiß eingebildet werden.

74 Veni, sancte spiritus, Wackernagel, Kirchenlied I,
S. 177.
75 Veni, creator spiritus, Liber Usualis, S. 885; Anti-
phonale Monasticum, S. 518, 1254; Wackerna-
gel, Kirchenlied I, S. 75.
76 Siehe oben, Anm. 30.
77 Cisiojanus, beliebtes mnemotechnisches Hilfsmittel, mit
dem durch Merkverse der Festkalender eingeprägt wer-
den sollte, vgl. LMA II, Sp. 2101; Henkel, Schultexte,
S. 234f.

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