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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0116
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Speyer

2. Von der ordnung.

Wiewol in schrifften des altten und newen tes-
ta[ments] weittleufige und gnugsame ordnungen zu
finden, deren man zu verrichtung der göttlichen
ämpter christlicher gemaind geprauchen möchte,
dieweil aber die schrifft weittleuffig und auch zu den
|4r| zeitten des altten gesatzes anders dan zur zeit des
evangelii und der apostel in verrichtung der kirchen-
ämpter ist gehandelt worden, so ists billich, das erst-
lich ain rechte und der schrifft gemässe ordnung,
anzurichten in der christlichen kirchen, fürgenomen
werd, darmitt alle ding nach der regel des h. apostels
Pauli ordenlich und gleichförmig in der gemaindt
zugehe.ξ Dan wo kain ordnung, da ist kein gleich-
förmigkaitt, darauß dan große ergernus, baide von
den lerern und zuherern erfolgt.
Nitt das man an solche ordnung also gebunden sein
müße oder were, als ob sy den schrifften der pro-
pheten und aposteln gleich und iber dieselbige ge-
setzt sein soltte, dan dise seind allein die recht
grundvöste, und kan, auch soll kain andere gelegt
werdenο, darauf die kirchen Christi, so er durch sein
blut erlößt hatt, erbawet werden, sy zaigen und bil-
den für Christum allain als den waren eckstain,3 und
sol außerhalb dessen kainer gehört noch gelert wer-
denπ. So hapt ain vöstes, prophetisch Wort, sagt
Petrus, und ir thut wol, das ir darauff achtent als
auf ain liecht, das da scheinet an aim duncklen ortt,
biß der tag anpreche und der morgenstern aufgeet in
ewern hertzen.ρ
Dieweil aber auß diser schrifft die gemain regiert
und in verrichtung der göttlichen ämpter erhalten
werden muß, sol ain schriftlicher auszug geschehen,
darmit als in ainem compendio begriffen werd ain

ξ 1 Cor 14 [40],
ο 1 Cor 3 [11].
π Isa 28 [16]; 1 Pet 2 [6].
ρ 2 Pet 1 [19].
3 Mk 12,10; Apg 4,11.
4 Die Württembergische Kirchenordnung von 1553, vgl.
Sehling, EKO XVI, S. 223-276.

gemeiner extract, deße[n] man in der christlichen
kirchen notwändig geprauchen mög und nach gotes
befelch sich zehalten wiße, die schrifft aber allerding
solchs fursetzen und haltten. Dieweil aber solcher
gemäß und gleichförmig ist die württembergisch kir-
chenordnung,4 darauf auch e. e. w. sampt ainem be-
dencken geschlossen, ist unß onbeschwerlich, dersel-
ben zu geleben, wöllen auch ainmütiglich die kir-
chenämpter derselben gemäß fürohin darauß ver-
richten.5
Von den sonn- und feirtagen,
auch derselben predigen,
sampt den Catechismo etc.
Wiewol in göttlicher hailiger schrifft kein feirtag
dan allein der sabat kan erwißen werden, in anse-
hung das ine gott zur ruhe und heiligung seinem
volck gebotten und befolhen hatt, so ist doch der
kirchen zu gutt, der h. apostel acta und geschichten
an derselbigen festa zu heren, wol und recht verord-
net. Jedoch das in demselben nach gottes befelch
rechter prauch gehalten werd, dan obschon, die fes-
ta der apostel auß hohem bedencken der kirchen zu
halten, durch menschen aufgesetzt seind, so ist doch
von den altten nitt darumb geschehen, das die kirch
daran gebunden, als an die articul des glaubens zu
halten. Dieweil den christen im newen test[ament]
alle tag sabat und feirtag und inen von ongerechtig-
kaitt und allem bösen zu feiren befolhen und gebot-
ten ist,6 und sollen die gewißen an dise verbandte7
feirtag nitt gebunden sein, dan Christus ist der herr
auch des sabats und hatt alle gläubige an in also
gefreitt, das sie niemants mitt ain[i]cherlay men-
schensatzungen wider das wort binden mag, wie

5 Vgl. dazu Text 3, der 1557 den Gebrauch der württem-
bergischen Kirchenordnung festlegt.
6 Die altkirchliche allegorische Sonntagstheologie deutete
den Sonntag zunächst nicht als den Tag der Arbeitsruhe,
sondern als denjenigen, an dem die Christen von der
Sünde ruhen, z.B. Augustinus, In Ioh 3,19; vgl. Berg-
holz, Sonntag, TRE 31, S. 453.
7 Tage bannen = sie zu Feiertagen erklären, vgl. Grimm,
DWb 1, Sp. 1115.

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