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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Bergholz, Thomas [Oth.]; Goeters, J. F. Gerhard [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0323
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9. Visitations- und Täuferordnung 1609

Zum viertten, ob jemandt under seinen anbefohle-
nen pfarrkindern, wer oder was standts die auch sein
mögten, mit falscher oder irriger lehr behafftet?
Auch ob und was er mit ihnen deswegen tractirt
unndt gehandeltt, weßen sie sich erklert, auch ob
und bey welchen bekehrung ihrer irrigen mainung
zu verhoffen sei. |47r|
Ob sich nicht in seiner gemeinde etliche ärgerli-
che und straffbare personen befinden, alß die dem
abgöttischen götzendienst ahn benachbarten orten
nachlauffen? Gottslesterer, verächter Gottes worts
oder die sich des heyligen abendmahls lange zeitt
endhalten, eheleuth, die in beharrlicher, ärgerlicher
uneinigkeitt lebenn, ungehorsame, ungerathene kin-
der, hurer, ehebrecher, wucherer und dergleichen, ob
mit denselbigen vermög der kirchenordnung die gra-
dus gehalten? Unnd ob sie von der nachgesetzten
obrigkeit gebürlich gestrafft werden.
Ahn orten und enden, da es einen diaconum, auch
teutsche oder lateinische schulmeister hat, sollen sie,
die visitatores, bei ihme, pfarhern, zuvorderst flei-
ßige erfahrung einziehen, wie die |47v| selbige ihres
thuns, ambts, verrichtung, lehr und lebens halben
beschaffen? Ob und was ahn einem und dem andern
für fehl und mängell sich erzaigenn.
Zum siebenden sollen sie bey ihme, pfarrher, erkun-
digen, ob er das corpus oder eine gewiße competentz
unnd vonn wem er dieselbige habe? Eine under-
schiedliche verzeichnus seiner competentz oder
pfarrlichen einkommens von ihme erfordern, solche,
wo nicht, alßbaldt zu ubergeben, doch mit ehistem
und in der von ihnen, den visitatorn, bestimptten
zeitt zur harttenburgischen cantzley zu uberschik-
ken, auf die formb und underschiedliche rubricken,
wie sie hieneben zu empfahen; im fall etwas, das
pfarliche einkommen betreffend, strittig oder ver-
müthlich endwendet unndt vorgehalttent, soll er |48r|
hievon sonderlichen, eigendlichen unnd außfuhrli-
chen berichtt thun, wie oder womitt er sein oder der
pfarr habend ius zu behaubten und außzufuhren
vermaine, item was für briefliche documenta, saal-
1 Sic! Statt: vorenthalten.

bücher, stifftsbrieff unndt dergleichen bei einer je-
denn pfarr und kirchen vorhanden.
Gleicher gestalt sollen sie sich erkündigen, wie es
mitt der kirchen- oder heyligenn gefell gehalten wer-
de? Wer dieselbige underhandenn? Wie, wann und in
weßenn beysein die rechnungen auffgenommen,
auch das einkommen derselben angewendet unndt
verbeßert? Ob und was für uncosten bei abhörung
der rechnung uffgewendet werden? Ob bey der kir-
chen, pfarhauß, also auch schul- und meßnerheu-
ßern mängell sich erzeigen? Wer |48v| dieselbige zu
wenden und die gebür in guttem wesen zu erhalten
schuldig unnd uff den fall, an einem oder dem an-
deren etwas mangelhaffts fürkompt, sollen sie solche
bauwmängell selbsten zu besichtigen und nachfrag
zu gebrauchen, wie unndt mit was uncosten dieselbe
zu wenden, nicht underlaßen.
Sollen sie nachfragen, was bei einer jeden kir-
chen für fahrnuß9 an kelch, büchern, messen ge-
schirr, meßgewandt unndt dergleichen vor der
hanndt, auch ob und wie solche in verwahrung ge-
halten werden, und ob nicht eines oder das ander,
dessen man nicht bedürfftig, der kirchen in andere
weeg zu guttem angewendet werden möge.
Wie es mit underhaltung der armen gehalten werde,
ob gestiffte allmoßen oder pfandt vor der handt? Ob
unndt wie |49r| solche außgetheylt? Wie unndt von
wehm rechnung darüber gehalten, ob und wie das
almoßen wochendlich in der kirchen gesamblet unnd
außgepfendet werde?
Jedes orts kirchennregister der getaufften, commu-
nicanten, hochzeitten unndt verstorbenen sollen sie
jeder orts selbsten erfordern, ersehen und, wo da-
rinnen mangell, zu gutter verbeßerung anlaitung ge-
ben. Ebenmeßig sollen sie der pfarrer und anderer
kirchendhiener bibliothecas und sonderlich deren, so
der lehr halben etwas verdächtig oder unfleißig,
selbsten besichtigen unndt ihnen zur locupletation
deroselben gutte anweißung thun.

9 Fahrnis = bewegliche Habe, vgl. Grimm, DWb 3,
Sp.1263.

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