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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Bergholz, Thomas [Oth.]; Goeters, J. F. Gerhard [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0365
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4. Kirchenordnung 1574

Weren aber etwan sondere personen in einem
dorff undt flecken, die es ubertretten, dero jede soll,
so offt die ubertritt, uns vier gulden zur straffbueß
geben undt unsere beampten die unnachleßig ein-
bringen.
Also auch sollen die sontags tentze sonderlich under
der predigt undt kinderlehre, darzu auch alle andere
leichtfertige uppigkeiten, so nach heidnischer weiße
zur fastnacht, walpurgis,13 pfingsten, johannistag
undt andere zeiten mehr durchs jahr mit mumme-
reien, lehenaußruffen,14 ergerlichen eyerheischen,
nechtlichen, heimlichen winkel dentzen, spinstu-
ben,15 leichtfertigen heidnischen gesengen undt bue-
ben liedern vom gemeinen man geubt undt vorge-
nohmen werden, gentzlich verpotten sein und die
uberfahrene jedermahls nach gestalt der geubten
leichtfertigkeit durch unsere beampten ernstlich ge-
straft und uns die straf einbracht werden.

Wen aber hochzeiten sindt, mag man zimlich tant-
zen, doch das solches nit under der predigt oder zu
der zeit, wen man den cathechismum helt, darzu
ehrlicherweis geschehen und dan das nacht tantzen,
deßgleichen das abloßen am tantzen, auch das he-
rumbwerffen und sonst alle unzuchtige geberden
und |78r| wort gentzlich underlaßen und vermieden
werden. Darzu dan an einem jeden ort bei uns in
stedten undt dorffern unsere beampten neben dem
rath in stetten und vorstehern in dorffern etzliche
redliche personen ordnen sollen, die jedes mahle bey
den tentzen sein undt pleiben undt daruff gute ach-
tung geben, das dieser unser ordnung gelebt, zu
rechter zeit angefangen undt uffgehoret und die ub-
erfahrer den beampten angezeigt undt von densel-
ben in geburender straff gezogen werden.

Von heimlichen verlobnußen und fleischlichen vermischungen.

Nachdem auch die heimliche verlobnuße undt
fleischliche vermischungen weidt einreißen undt
uberhand nehmen, das es schier vom jungen volck
darfur geachtet werden will, wen nur eines von dem
andern ein heimliche zusage und verwenung der ehe
halber erlangt oder sich mit ein ander fleischlich
vermischen, das darus ein eliche verkundung ervol-
gen müße.
Solches aber nicht allein dem von Gott, dem al-
mechtigen, eingesatzten undt gesegneten ehestandt
zu sondern unehrn, darzu den elter[n] zu abbruch
ires vetterlichen undt geburenden gehorsams, dem
vierdten gebott Gottes zuwieder gereicht, sondern
auch durch solche vielfaltige schandt und uppigkei-
ten der zorn Gottes geheufft undt gemehret wurdt.
Damit dan dieser leichtfertigkeit mit ernst begeg-

13 1. Mai.
14 Aus den Generalartikeln der Hinteren Grafschaft Spon-
heim 1608: Das nemlich die junge gesellen einen könig jär-
lich unter ihnen erwehlen und derselbig einem jeden er-
wachsenen knaben ein mägdlein zue lehe gibt und ernennet,
die [er] sontäglich zum tantz und ins wirtshauß führen muß

net, auch das gemein obermelt volck ires hierinnen
gefasten wahns undt unverstandts offentlich berich-
tet werde undt so viel mehr ursachen haben moge,
sich vor solcher Gott, dem herrn, mißhelligen undt
zum hochsten strafbaren hendlen zu hutten, setzen,
ordnen undt wollen wir, das hinfuro in unser gra-
veschaft, landen undt gebiet menniglichen, wes
standts ein jeder sey, der heimlichen ehelobnußen
undt viel mehr der unordentlichen, Gott, dem hern,
zum hochsten mißfelligen, fleischlichen vermischun-
gen sich gentzlich |78v| bey ungnediger straff, die
nicht allein den persohnen, so sich heimlich verloben
undt zur ungebuer vermischen, sondern auch allen
denen, die darbey sein oder sonsten in einig andern
weg darzu hulff, rath oder vorschub geben, unnach-
leßlich wiederfahren soll, eußere undt enthalte, undt
die ehe anders nicht dan nach Gottes ordnung in

und derselben ein kirb, so etwa eines gulden oder mehr
werth ist, kauffen. In: Sehling, EKO XVIII, S. 683.
15 Das (meist nächtliche und deswegen moralisch verdäch-
tige) Zusammenkommen der Frauen zum Spinnen, vgl.
HWDA Nachträge Sp. 786f.

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