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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0505
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5. Kirchenzuchtordnung 1600

und gelöcher bey kirmessen, jahrmärckten und mey-
spilen, so dann deß unnutzen gesängs, braten- und
eyrheischens in der faß- und johanßnacht, auch sol-
lichen braten- oder eyrheischer, sie seyen inn- oder
außlendige, gebens und damit inn irer boßheit
halßstarckens, wie in gleichem deß ungebürlichenn
inn andere herrschafften zum gedentz außlauffens,
deß abgöttischen lehen außruffens,7 item zu winters
zeiten der bißhero im brauch gehabter ärgerlicher
spinnstueben,8 sommerszeiten aber deß jungen
volcks gewohnlicher nachts arbeiten,9 dardurch offt-
mals zu unzucht und heimlichen gelübden ursach
gegeben würdt,d gentzlichen zu mueßigen und ent-
haltenn.

Mitt der verwahrnungk, da ein oder ander, es seye
gleich under was schein es wolle, ferner hiergegen
thuen und sich ungehorsam erzeigen wurdt, das alß-
dan der- oder dieselbige vonn jedes orts kirchen-
diener, sendtscheffen, schultheiß oder kirspelsge-
schwornene (denen sampt und sonder die ufsicht hie-
mit ahnbevolhen) ufgezeichnet, der oberkeit ange-
bracht und mit obbemelter straf gegen sie verfahren
werden solle. Im fall aber die jetztbenante verordt-
nete ufseher etwan selbsten hierin brüchig oder inn
ahnbevolhener ufsehung und ahnbringungk fahrle-
ßig befunden wurden, sollen alßdann der- oder die-
selbige, so offt sie dergestalt betrettenn, der ober-
keitt die obberuerte 10 goldtfl. straff dobbell zu ge-
ben und unnachleßig zu erlegen schuldigk sein.

[Beschluss]

υEntdlichenn und damit auch dieße unser ordt-
nungk undt bevelch inskunfftigk steht, vest unnd
unverbruchlich [17| gehaltenn, gehandthabt unnd inn
gueter gedechtnuß verbleibe, auch dero desto rich-
tiger nachgelebt werde, so ordtnenn und bevelhen
wir, Wilhelm, Grave zu Wiedt etc. obgemelt, das
dieselbige järlichs uf den sontagk nach dem newenn
jahrstagk durch alle und jede unsere fdisses ampts
Dierdorfff kirchendienere offentlich und verstendt-
lich von den cantzeln abgelesen und dergestalt zu
menniglichs besserer nachrichtungh gund behaltg’
auch uff sontag nach Johannis Baptistae widerholet
werde.10

υ Disse ordnung solle umb bessern behalts und gelebens
willen alle jars zweymal, benantlichen sontags nach dem
newen jarstag und sontags nach Johannis Baptistae, von
der cantzel durch jedes kirspels pastoren offenlich abge-
lesen werden.

e Entwurf: heimberger.
f-f Entwurf: dieser herrschafft Runckell.
g-g Fehlt Entwurf.
h Entwurf: schultheißen, heimbergern.
7 Zum Lehenausrufen heißt es in den Generalartikeln der
Hinteren Grafschaft Sponheim von 1608: Das nemlich
die junge gesellen einen könig järlich unter ihnen erwehlen

Gebieten auch daruf allenn und jeden unserenn be-
velchabern, amptleutenn, kirchendieneren, schult-
heißen,h burgermeisteren, sendt-, gerichtsscheffen
und geschwornen, auch allen und jeglichenn unseren
underthonenn undt inwohnern, das sie diesser un-
serer ordtnungh und bevelch in allen puncten und
artickulen gemeß handlen, selbiger, soviel sie ein je-
den beruert, strackh gelebenn und darwider nicht
thuen noch schaffen gethuen werde, alß lieb ihnen
und einem jedenn ist, unsere ungnadt und obang-
deute, auch fernere nach befindungh unnachleßige
oberkeits straffen zu vermeiden.

und derselbig einem jeden erwachsenen knaben ein mägd-
lein zue lehe gibt und ernennet, die [er] sontäglich zum tantz
und ins wirtshauß führen muß und derselben ein kirb, so
etwa eines gulden oder mehr werth ist, kauffen (Sehling,
EKO XVIII, S. 683). Vgl. dazu auch Grimm, DWb 2,
Sp. 506f, Grimm, DWb 12, Sp. 538.
8 Das (oft nächtliche und deswegen moralisch verdächti-
ge) Zusammenkommen der Frauen zum Spinnen, vgl.
HWDA Nachträge Sp. 786f.; Grimm, DWb 16,
Sp.2548.
9 Bestimmte traditionelle, unbeaufsichtigte „Arbeiten“
und Vergnügungen der Jugend.
10 24. Juni.

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