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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0019

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I. Das Bisthum Merseburg.

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Ordnung zur praktischen Geltung. Auch dem dritten Theil jener Beschlüsse — der Agende —
hat er wohl thatsächlich (wenigstens zum Theil) zur Anerkennung verholfen. Diese drei Ord-
nungen sind im ersten Bande dieser Sammlung S. 291 ff. abgedruckt.
Über die Thätigkeit des Consistoriums, zumal über seine Ehe-Rechtsprechung, habe ich
in der oben genannten Schrift manches beigebracht, auch gezeigt, wie Georg’s Bestreben, die
Competenz des geistlichen Gerichts auszudehnen, auf den Widerstand des Fürsten und der
Stände stiess.
Einen weiteren Einblick in die rührige Thätigkeit des Consistoriums und in die Schwierig-
keiten, mit denen dasselbe zu kämpfen hatte, giebt uns eine Zusammenstellung von Beschwerden
und Anregungen des Consistoriums, die sich in Zerbst, St.A., Vol. V, fol. 213, Nr. 20, erhalten
hat und den Titel führt: „Notwendigste artikel, so bisher im consistorio zu Merseburg vor-
gefallen und derhalben viel sachen gehindert und sonst in iren unrichtigkeiten verblieben.“ Hier
wird namentlich über die weltliche Obrigkeit geklagt, sie exekutire die Urtheile des Consisto-
riums in Ehesachen nicht; Amtleute und Schösser hätten Sachen, die vor das Consistorium ge-
hörten, in eigener Machtvollkommenheit erledigt; der Adel habe trotz der Befehle des Con-
sistoriums nichts für die Erhaltung der Pfarrgebäude, auch den Pfarrern in ihren Einkünften
mancherlei Abbruch gethan, ja eigenmächtig Pfarrer eingesetzt. Verlobung mit Zweien werde für
eine geringe Sache gehalten. Weglaufen werde „sehr gemein“. Die Jahre, nach denen Geschiedene
eine andere Ehe eingehen könnten, müssten fixirt werden, jetzt stelle man Anträge auf Ge-
stattung der Wiederverehelichung nach drei, vier Jahren. Die Obrigkeit sei lässig in Bestrafung
der Desertionen. Die, welche andere zum „ehelichen gelubnus“ betrüglich beredeten, müssten
bestraft werden, ebenso die „trotz zusammentheidigung wieder von einander laufen“. Eine
Jungfrau habe sich mit zweien verlobt, sei dem ersten durch Urtheil und Rechte öffentlich zu-
getheilt worden, habe sich aber an den zweiten gehangen und den Befehlen des Consistoriums
die Antwort entgegengesetzt, dass sie sich lieber ersäufen wollten. Wie solle solcher Ungehor-
sam gegen Befehle des Consistoriums bestraft werden? „Das iuramentum calumniae ist nach
ausserung der Cellischen ordnung nicht mehr in ubung gehalten.“ Es komme vor, dass Männer
Jungfrauen wegen Ehegelöbnisses verklagten, keinen Calumnieneid leisteten, sich auf falsche
Zeugen beriefen, während sich hinterher herausstelle, dass alles nur Verleumdung gewesen und
die Kläger auch sogleich im ersten Verhöre von der Klage abständen. Wie seien solche Übel-
thäter zu bestrafen?
VI. Georg fasste seine Stellung als Bischof wesentlich im katholischen Sinne auf.
Hierüber und über die kirchenrechtlichen Anschauungen Georg’s habe ich mich ausführlich in
mehr genannter Schrift verbreitet. Es sei auf dieselbe verwiesen.
Georg’s Thätigkeit erstreckte sich auf alle Zweige des kirchlichen Lebens. Auch das
Schulwesen wurde gefördert. Die Domschule zu Merseburg, welche 1544 neu eingerichtet wurde,
gelangte zu hoher Blüthe.
Seine Gehülfen waren in erster Linie Antonius Musa, nach dessen Tode Georg Major,
und nach desseuFortgang Johann Forster.
Als Bischof hielt sich Georg für berechtigt, selbständig für sein Stift Verordnungen
zu erlassen.
Mit Georg von Anhalt beginnt eine Periode fruchtbarster Initiative. Seine Anord-
nungen sind aber nicht nur für das engere Merseburger Kirchenwesen massgebend gewesen,
sondern haben weit über dessen Grenzen hinaus anregend gewirkt; sie wurden nicht nur im
Anhaltischen zum Theil in Geltung gesetzt, auch im Kurfürstenthum Sachsen, im Erzstifte
Magdeburg sind sie vorbildlich geworden. Ja, die von Georg geschaffenen Vorbilder haben einen
derartig tiefen Eindruck hinterlassen, dass man sich noch lange nach seinem Tode an dieselben
erinnerte. So z. B. im Erzstifte Magdeburg. In Kursachsen wusste man im Jahre 1578, als
 
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