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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0029

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3. Der Merseburger Synodalunterricht 1544, mit den Abänderungen etc. 1-545.

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auf unser wirdickeit und vordinst der werke
stunde, als dan wurde die ehr gotte entzogen und
den werken zugelegt, welchs ein warhaftige ab-
götterei ist1). Und dieweil doch darzu solche
werk nicht vorbracht, und wo sie gleich ge-
schehen unvolkommen seint, so wurde man der
selickeit ungewiss, als die nicht auf gottes blosse
warhaftige zusage ruhet, sondern daran gezweifelt,
dadurch gotte, als der für unwarhaftig gehalten,
die hoheste unehr zugefugt wurde, aus dem nicht
anders dan entliche verzweifelunge erfolgen müse.
Gleichwol aber, das sie dem volke vleissig
unterricht thun, wie solcher lebendiger glaube
nicht kalt und mussig, und das der an unterlass
würke durch die liebe2) wie auch das exempel
des schechers am creuze anzeiget, do Paulus nicht
sagt, das der glaube rechtfertige durch die liebe,
vielweniger die liebe und werk rechtfertigen,
sondern das der glaube, durch den wir gerecht-
fertigt, nicht mussig, sondern thetig sei, und durch
die liebe wirke, wie dan der heilige Paulus die
ganze summa dieser heilsamen lahr zusammen
fasset, do er spricht, ad Ephe. 23): Aus gnaden
seit ihr selig worden durch den glauben und das-
selbe nicht aus euch, gots gabe ist es, nicht aus den
werken, auf das sich nimand rüme, den wir sind
sein werk geschaffen in Christi Jesu zu guten
werken, zu welchen uns got zuvor bereitet hat,
das wir darinnen wandeln sollen. Sagt aldar auch
nicht, das sie durch die werk selig werden,
sondern durch den glauben, aber das wir in werken,
so gott in uns4) bereitet, wandeln sollen.
Darumb aldieweil das volk rohe, und zu
allem guten lass, ist von noten, das man sie vleissig
zu rechten guten werken und christlichem wandel
mahne, wie Paulus ad Titum lehret5), ut discant
bonis operibus preesse qui crediderunt deo Tit. 3.
Demnach so ists auch vonnoten, dem volk
claren unterricht zuthun, welchs rechte gute werk
sein, als die der heilige geist in den gleubigen
wirkt von got geboten, und sollen demnach die
pfarher aus den zehen geboten den leuten6)
und andern gotlichen schriften, do auch moralia
gelert, furhalten, und aus der schrift ihnen des

1) „welchs — abgötterei ist“ ist im Merseburger
Exemplar hinzugeschrieben, bei A. im Text enthalten.
2) Im Merseburger Exemplar am Rande geschrieben
„als Paulus ad Gal. zeigt“. In A. in den Text auf-
genommen.
3) Die folgende Stelle ist im Merseburger Exemplar
an den Rand hinzugeschrieben, in A. in den Text auf-
genommen worden.
4) Im Merseburger Exemplar verbessert „zu welchen
uns gott bereitet“ u. s. w. So in A.
5) B.: „Das die so an got gläubig sint werden sich
vleissigen in guten werken fürtrefflich zu sein.“
6) In B. sind die Worte „den leuten“ hinter „do
auch moralia gelert“ gestellt worden.

gute exempel furbilden, und wie der almechtig
die aus gnaden und nicht vordinst belohnen wil,
doch das man allewege mit anhange, das wir dar-
durch die vorgebung der sünde, und ewige selic-
keit nicht vordienen, sondern dieselbe durch den
glauben allein aus lauter gnade erlangen, aber
das sie die guten werk got zugehorsam und lob,
zu beweisung des glaubens, dem negsten zu nutz
und gutem exempel thun sollen.
Und wie die umb des glaubens willen an
Christum got angenehm sein, wie auch gute werke,
ausser dem glauben nicht gut, noch got angenehm,
sondern sunde sei (Rom. 14).
Und wie S. Paulus ad Titum einen christ-
lichen wandel in ein fein kurz summa fasset, in
disen worten (Tit. 2) : Es ist erschinen die heil-
same gnod gottes unsers heilandes, und züchtiget
uns, das wir sollen vorleuknen das gottlos wesen
und die weltliche lusten, und zuchtig und gerecht
und gotselig leben in diser welt etc. Und wie
der psalmist sagt declina a malo et fac bonum,
also sollen die frommen getreuen pfarher ihr be-
folen volk, sonderlich weil das arme paurvolk
nicht weis, was gut oder boese ist, mit vleis in
specie unterweisen, was sie flihen und meiden
sollen, dan sie sunst nimandes, dan die pfarher
haben, von denen sie des mochten gelert werden.
Darumb sollen sie auch die innerlichen und
eusserlichen laster, wie obenberurt, als unglauben,
got von herzen nicht furchten, nicht lieben und
vortrauen, gottes lestern, fluchen, abgotterei, zeu-
berei, ehebruch, hurerei, wucher, betrug, fressen,
saufen, und dergleichen, wie die schrift die fructus
carnis beschreibet, in catechismo und sunst, do es
die gelegenheit gibt, mit ernst strafen, mit an-
zeigung, wu got in der schrift solche sunde vor-
boten, und gestraft habe. In strafung aber der
laster sollen sie in genere reden, und nimandes
in specie angreifen, wil sich aber imandes an solch
gemein vormahnung nicht keren, sol der pfarher
denselben gutlich vormahnen, und do sich der
daran nicht keren wil, sol der pfarher, so er
es fuglich thun kan, mehr leute, durch die
er vormant werden mag, nach der regel des evan-
gelii zu sich nehmen, wo aber alsdan besserung
nicht volget, es2) anher, weil es in diser
superattendenz gelegen, gelangen. Und,
so der nach weiter vormahnung sich nicht bessern
wil, sol alsdan durch das consistorium derselbe in
ban gethan 3) werden, solchs die pfarher, ihren
pfarleuten, das sie es wissenschaft tragen, anzeigen
1) Diese vorhergehenden Laster sind im Merse-
burger Exemplar nachträglich hinzugeschrieben. In A.
stehen sie im Text.
2) B.: statt „es anher—gelangen“: sol an ides orts
superattendenten gelanget werden.
3) Zusatz in B.: oder sonst nach gelegenheit ge-
straft werden.
 
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