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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0030

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16

Die vier geistlichen Gebiete Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen. I. Merseburg.

sollen. Sunst sollen sich die pfarher imandes
offentlich anzugreifen ad er von der kirchen zu
sondern, ader in ban zu thun nicht understehen,
dan solches mus mit genungsamer erkentnus ge-
schehen. Wollen sich auch dafur hueten, zwischen
leuten zu mengen, ader was heimlich und sonder-
lich in der beichte ihnen vortrauet, nicht offen-
baren, sondern wie ihrem ambt geburt, durch got-
liche schrift, wie oben gesagt, die laster strafen,
und gottes zorn exempla anzeigen und die, so zu
christlicher erkentnus kommen, dieselben hin-
furder nicht allein ex timore servili sed filiali1)
zu meiden, lehren.
Und wen sie also das unkraut, das ist boese
laster auswurzeln, sollen sie nicht allein in strafung
der laster vorharren, sondern auch dargegen gute
tugent und sitten (davon sonderlich die armen
pauren nichts wissen, so es ihnen die pfarher
nicht lehren) pflanzen, als rechtschaffene frucht
der busfertigen und gläubigen leute.
Und dieweil die ganze schrift, und S. Paulus
ad Galatos 5, die frucht des geistes beschreibet,
ists ahne noth, darvon izo sonderliche erzehlung
zuthun. Allein furnemlich die leute zu zuchtigem
wandel, nüchternheit, messigkeit, et ad mortifica-
tionem carnis anhallen, welchs das vornunftige
opfer und gottesdinst ist, so wir gotte thun sollen.
Ad. Ro. 12.
Derhalben sie auch mit gedult das heilige
creuz zutragen vleissig erinnern, und des nicht
allein exempla aus dem alten testament, sondern
auch von den lieben heiligen und inertem, was
man der in bewerten historien der schrift gemess
allerlei schone exempel des glaubens, und liebe,
und bestendickeit in bekentnis unsers lieben
herren Christi befindet, als von S. Agatha, Agnete,
Laurentio, Mauritio, und dergleichen mehr fur-
bilden. Dan ob wol der abgottische heiligen dinst
und falsch vortrauen auf ihre vorbit etc. zuvor-
werfen, so sol man doch von ihnen ehrlich reden
und halten, sonderlich auch von der gebenedeieten
mutter gottes, und ihr gedechtnus, und christliche
exempel und werk, so der heilig geist durch sie
gewirket, hochhalten und zur ehr gottes und unser
besserung gebrauchen. Wie dann auch der liebe
Petrus die jenigen, so widerwertickeit leiden,
unter andern mit dem exempel der andern bruder,
so gleiches leiden ertragen mussen, sterket, auch
Christus der herr die junger trostet, also spricht
er, haben sie vorvolget die propheten, so für euch
gewesen sein. Zuvorderst aber sol man das
exempel unsers lieben herrn Christi vorbilden,
wie der liebe Petrus thut auch Paulus ad Philip. 2.
Und wil vonnoten sein, die leute ofte zu be-
stendig bekentnus christliches glaubens zuermahnen,

1) B.: aus knechtischer sondern kintlicker furcht.

ob ein mal der herr umb der sünde willen und
zur probe ein vorvolgung vorhengen wurde, da
man bekennen müsse, das sie als dan so viel darzu
getroster sein.
Auch 1) dem negsten durch die liebe zu dienen
und zu helfen, und was man den obrickeiten
gleichmessigen und unterthanen zu thun schuldig,
zu pflegen, und mit vleis zu almosen sie zu reizen,
durch gnedige vorheischung von unsern herrn
Christum vielfeltig in der schrift gethan.
Auch selber sich der armen treulichen an-
nehmen, wie auch die hohen apostel S. Peter,
Jacobus und Johannes Paulo und Barrabe nicht
anders aufgelegt ad Gal. 2.
Und erstlich und letzlich zu rechter got-
selickeit innerlich und eusserlich vormahnen und
halten2).
Sonderlich aber das gebet und danksagung
mit vleis treiben und fodern. Und darumb auch
nach der predigt fur das gotliche wort, die diener,
alle stende, obrigkeit, kais. majestät landesfürsten
und gegenwertige noth und alle betrübte herzen und
gefangene unter dem türken vleissig bitten lassen.
Und in allewege im ende das vater unser für-
sprechen von wort zu worte, und darneben sunst,
wie etliche pflegen, alle neue zeitung in der nach-
predigt auf den predigstul zu bringen unterlassen3).
Von4) ceremonien.
Von5) ceremonien oder eusserlichen kirchen
gebreuchen ist auch noth, die leute recht zuunter-
richten. Erstlich von ceremonien, die got selbs ein-
gesazt hat, als die hochwirdigen sacrament. Die
seint unvoranderlich, und sollen nicht anders, den
Christus vorordent, gehandelt werden, unangesehen
was menschen ader vormeinte concilia darinnen
zu ordenen sich wider gottes befel einlassen.
Darnach von ceremonien von menschen eingesatzt.
Der sein etliche wider gottes wort, als im anfange

1) Hinzugeschrieben in beiden Handschriften „vleis-
sig anhalten“.
2) Zusatz in B.: Zudem sollen sie auch die artikel
des heiligen christl. glaubens enzlen (sic!) und vleissig
erkleren, und durch gewisse sprüche der gotlichen
schrift bewehren und den leuten umbilden. Auch das
heilige vater unser mit vleis auslegen und sonderlich
das volk zum gebet und danksagung treiben und führen.
3) Zusatz in B.: Die litanei sollen sie auch an der
vorher ausgelegene zeit, und zuweilen des sontags nach
der epistel vleissig halten, und das volk darbei zu sein,
ermahnen.
Von dem hochwürdigen sacrament und desselbigen
nutz und frucht sollen sie das volk auch bescheident-
lich unterrichten, was die sein, und wie sie dieselben
sollen gebrauchen, und für der schwermer und sacra-
ment feinde irrthumb den leuten vleissig verwarnen.
4) B.: Handlung des hochwürdigen sakrament und
ceremonien.
5) B. Zusatz: den hochwürdigen sacramenten.
 
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