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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0036

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Die vier geistlichen Gebiete Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen. I. Merseburg.

Vom eusserlichen wandel der prister1).
Als auch im anfang fur den dritten artikel
angezeigt2), welcher gestalt durch den ungebür-
lichen wandel der pristerschaft gros ergernis
erreget, auch derhalben der name gottes geunehret,
und was mit der lahr gebauet durchs leben wider
zubrochen wirt,
So wollen3) wir euch auch durch Christum unsern
herrn mit recht vermahnet haben, wollet euren
wandel nach dem gotlichen worte richten, und
nicht allein mit der zunge sondern auch mit dem
leben lehren, wie von Christo unserrn herren ge-
schriben cepit, Jesus facere et docere, und wollet,
wie der heilig Petrus sagt, exemplaria und gut
furbilde euer4) befolenen herd und scheflein sein,
die so sehr aufs leben als die lehr acht haben.
Und wiewol die fromme gotfurchtige pastoren
wissen sich das aus der heiligen schrift selber zu-
weisen, wie dan der heilig Paulus zu Timotheo
und Tito den rechten wandel christlicher bischof
und kirchendiener, auch wie sie ihre weiber und
hausgesinde halten sollen, beschreibet,, dohin wir5)
auch allesampt sollen remittirt haben6). Doch
weil von etlichen solche ungeschicklickeit vil fur-
genomen wirt, wollen wir auch7) etlicher artikel
deshalben erinnert sein. Und erstlichen fur allen
dingen sollen ihnen mit ernst vorboten sein, in
die schenken und krezschmer zugehen, darinne
mit den bauren zuzechen , daraus allerlei böses
und vorachtung ervolget, und wo sie darinne er-
griffen, sollen sie gewertig sein, das man sie auf
einen wagen setze und in das pfaffenloch anher
bringe8). Sollen aber in ihren heusern daheim
trinken, und so sie zu gaste zur hochzeit, oder
sonsten bei ehrlichen leuten sein, das sie sich
erbar halten, und zeitlich heim gehen, und nicht
der letzten kandel warten9).

1) B.: und ander kirchendiener.
2) A.: ursprünglich: „proponiert“, B.: angezeiget.
3) Grundtext im Merseburger Exemplar: „So wollen
wir euch auch durch Christum unsern herrn mit ernst
vermahnet haben, wollet euren wandel“, ist in „Sollen die
pfarher ermahnet sein, das sie ihren wandel nach dem
gottlichen worte richten wollen“ korrigirt. A. hat den
Merseburger Grundtext, B. den veränderten Text im
Merseburger Exemplar.
4) Dieses „euer“, ist dann korrigirt in „der“. So A.
5) Merseburger Grundtext „wir“, korrigirt „sie“.
A.: wir. B.: sie.
6) Merseburger Grundtext „haben“, korrigirt
„werden“. A.: haben, B.: werden.
7) Merseburger Grundtext „wollen wir auch“, A.:
„wollen wir euch“, korrigirt „sollen sie auch“, B.:
„sollen sie auch“.
8) Ebenso A.: „in das pfaffenloch anher brenge“.
Im Merseburger Ex. dann verändert in: „an die orte der
consistorien in die pristerliche verwarung fuhre oder
sonsten ernstlichen strafe“. Ebenso B.
9) Hier ist dem Merseburger Grundtext von schwer
leserlicher Hand hinzugefügt worden: „Desgleichen

Dergleichen sol ihnen das toppelspiel bei
voriger poen auch vorboten sein. So sollen sie
sich auch untereinander, ader mit ihren kirchen-
dienern in der kirchen ader sunst, mit den bauern
und nachparn nicht hadern, ader ihren weibern
das gestaten. Wo aber solches an uns gelangen1)
wirdet, sollen die schuldigen und ursacher, auch
wol beide theil, in gebürliche straf genomen
werden.
Dergleichen sollen sie sich schentliches fluchens
und gotslesterns bei harter straf, nach befindung
enthalten.
Unzuchtige, ergerliche wort sollen sie meiden,
auch auf den predigstulen nicht unvorschampt
reden, wie von etlichen gesagt wirt, sondern
sunst die sachen mit bescheidenheit anzeigen.
Dergleichen sollen sie unerhare, unehrliche
liantirung und wucher hendel oder betrug der leute
meiden. Wo sie in dem bruchfellig gefunden, sollen
sie herter dan die leihen gestraft werden.
Sollen sich auch procurirens und regiments
in stedten ader dorfern, do sie sein, eussern, ader
wein und hierschenkens und gastgebens enthalten,
und ihres ampts vleissig warten, damit sie nicht
wie S. Peter sagt, als alienarum rerum curiosi2)
strafbar werden.
Weil es auch got lob dahin gebracht, das sie
den heiligen ehestand widerumb erlanget, wollen
sie in sonderheit ermahnet sein, sich in den stand
christlich, ehrlich, und ahne ergernis zuhalten. So
aber erfaren, das sie den uberschreiten wurden,
(da got fur sei) sollen sie deshalben viel herter
dan die leien gestraft werden3). So4) wollen
wir auch derjenigen unser jurisdiktion
zugethan, so im ehestand nicht sein,
ihren ungeburlichen coucubinat nicht
dulden, sondern auch mit ernste hir -
mit dieselben concubinen zuvorlassen
auferlegt haben.
Es ergern sich auch vil an etlicher habit,
tracht und kleidung als der ihren ampt ubel an-

sollen sich auch halten ihre weiber, redlich sein, nicht
lesterinen, nuchtern, einer gotseligen geberde und
wandel, treu in allen dingen, 1. Tim. 3.“ In A. in den
Text aufgenommen.
1) Ebenso in A.: „an uns gelangen wirdet“. Merse-
burger Grundtext dann korrigirt in „erfaren“. B.: „er-
faren“.
2) Im Merseburger Grundtext und A.: als aliena-
rum rerum curiosi. Im Merseburger Text dann verbessert
in „als die do in frembde amt griffen“. So auch B.
3) Hier ist im Merseburger Exemplar folgender
Satz hinzugeschrieben: „Welche auch noch im con-
cubinat weren sol denselbigen himit zuvorlassen auf-
erlegt sein.“ Ebenso B. Fehlt in A.
4) „So wollen — auferlegt haben“ stand im Merse-
burger Grundtext und in A., ist dann im Merseburger
Ex. unter- und in B. durchstrichen.
 
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