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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0079

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13. Kirchen-Ordnung für die St. Wenzelskirche zu Naumburg von 1537/1538.

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kastenherrn den andern und die zwolf bitherrn
den dritten und vierten haben sollen, die alsdan
allewegen sembtlich das geld, so man heraus nimbt,
zahlen, und vier bittherrn, welche die zuekunftige
zeit bis auf das neheste aufnemen, darvon den
armen leuten das almosen geben und austheilen,
uberantworten sollen.
Und wen dann zue eim jedenmal die zwölf
bittherrn das einnehmen und ausgeben dieses
almosen vleissig verzeichen und aufschreiben werden,
so wird man daraus wissen mugen, ob man den
armen leuten ihr almosen je bisweilen bessern
oder mindern, desgleichen, ob man frembden bett-
lern was darvon geben, und endlich von dem uber-
lauf, ob einer vorhanden, den armen leuten, so es
am nötigsten bedurfen, jerlich im winter kleidung
oder andere noturft erkaufen möchte. Wie dan
von diesem erbetenem gelde kein sonder vorrath,
ohne was man zue jerlicher zuebuss bedurfe, be-
halten werden soll, auf das mit der zeit nicht ein
geiz daraus erwachsen möchte, dardurch die armen
leute vorseumet wurden, besondern das auch der
spruch Christi alhier vleissig gehalten werde, do
er sagt Luca am 6. gebet so wird euch1) gegeben
werden, dan wird reichlich und viel gefallen, so
soll auch wiederumb reichlich und viel ausgetheilet
werden. Wan aber der pfarrer uf der canzel
allezeit solch werk treulich und vleissig promo-
viren und fördern wird, desgleichen die armen
leute treulich zue gott bitten und rufen werden,
so wird ohne allen zweifel desto mehr almosen
gefallen, und das werk allenthalben desto bass von
statten gehen.
Von brot kasten.
Es soll auch bei jeder thür in der kirchen
ein kasten stehen, darein man brot, kese oder
anderes den armen leuten zue gut legen mag, ob
jemand dasselbe bass den geld zuegeben ver-
mochte, welches dan, so etwas alda gefunden wirdet,
den armen leuten und sonderlich den noturftigsten
zue ihren gewönlichen almosen, das man ihnen
sonst pfleget zuegeben, zuegeleget soll werden.
Und soll auch ein sonder käst in die kirche ge-
sazt werden, darein man das brot, so von den
becken zur buss genommen wird, legen soll.
Von frembden betlern.
Von dem almosen, so in der kirchen ge-
samlet wird, mag man auch zueweilen frembden
personen, so des noturftig und begehren, ein
zehrung geben, damit sie weiter kommen können.
Derhalber aber sonst keinem frembden2) betler

1) Dresden: „euch“ fehlt.
2) Dresden: kein fremder.
Sehling, Kirchenordnungen. Bd. II.

in der stadt oder so weit sich eins erbarn raths
gebiet erstrecket, das almosen zue bitten zue-
gelassen werden soll, darzue dan zue jeder zeit
ein bettelvoigt geordnet werden soll, der ein
frommer, armer und gotfurchtiger man sei, welcher
keinem betler in der stadt, auch keinem knaben
oder mägdlein auf der gassen nach dem almosen
zue singen oder dasselbe zuebitten gestatten soll,
es sei dan, das dieselben knaben oder mägdlein
in die schul gehen, von denen mit der zeit zue
hoffen were, das sie gemeiner christenheit nuze
mochten werden.
Von den s p i t a 1 n.
Desgleichen wo der spitäl einkommen, die
armen leute, so darinnen sind, noturftiglicli zue-
erhalten zue gering were, mag man auch, so es
vorhanden ist, aus diesen gesamleten almosen in
der kirchen den spitaln wöchlich eine steuer thun
nach erkentnus der obersten castenlierren.
Die spital aber und ein jedes insonderheit
sollen bei allen ihren alten gebrauch und gerechtig-
keiten bleiben, wie sie dieselben bishero gehabt,
sollen auch alle wegen wie zuvorn die wochen
uber das almosen in der stadt bitten und winter-
zeit ihren trank in den brauheusern samlen lassen
und auf das den armen leuten alles dasjenige,1)
so ihnen verordnet zuegeben ist, recht treulich
und wol gereichet werde, so sollen die obersten
zwene castenherrn des jares zum wenigsten vier-
mal, ein jedes spital insonderheit besuchen und
sich do an den armen leuten erkundigen, wie es
allenthalben mit ihnen gehalten werde. Und ob
aldan2) die armen leute beschweret werden, ab-
bruch oder noth leiden wurden, das sollen die
obersten castenherrn nach ihrem erkentnus wenden
und abschaffen; wo sie es aber vor ihre person
nicht abschaffen konten, so sollen sie es ferner an
einen erbarn rath gelangen lassen.
Von armen leuten, welche man in die
spital nehmen oder sonst das almosen
geben soll.
Bishero hat menniglich erfahren, das gemeinig-
lich diese leute an den bettelstab gerathen sein,
die ihr leben zuvorn unordentlichen zuebracht
haben. Dieweil dan dieses des heiligen geistes
meinung nicht ist, das man solche unordentliche
leute, wie der heilige apostel Paulus 2. Thessal. 3
lehret, in einer christlichen gemeine leiden oder
dulden, vielweniger das man dieselben von der
kirchenguter ernehren solde, wie auch Paulus
weiter 1. Thimo. 5 gebeut und lehret, das man

6 Dresden: „alles das jenige den armen leuten“.
a) Dresden: alsdann.

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