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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0194

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180 Die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein und Stift und Stadt Quedlinburg.
Grafen von Mittelort und Hinterort waren dagegen schon 1525 der neuen Lehre beigetreten;
insonderheit war Graf Albrecht VII. ein eifriger Förderer des Lutherthums1). In Eisleben
wirkten in diesem Sinne Caspar Güttel und Johann Agrikola, in Mansfeld Seligmann, Stiefel,
Michael Cölius2). In den den katholischen Grafen allein gehörenden Städten Artern, Heldrungen
und Gerbstedt wurde die Reformation zurückgehalten bis nach dem Tode des Grafen Hoier.
Graf Hoier starb 1540 unbeerbt; Günther IV. war bereits 1526 gestorben; die Regierung
über den Vorderort übernahmen die Söhne Ernst’ II. Dadurch zerfiel der Vorderort in sechs
Linien3). An deren Nachkommen, die zumeist der neuen Lehre beitraten, ging nach dem Aus-
sterben des Mittel- und Hinterorts die ganze Grafschaft über. Am längsten widerstanden der
Reformation die Klöster. Über die Reformation des Klosters Gerbstedt, welches die letzte
Stütze der alten Lehre unter den Grafen Hans Georg und Peter Ernst geblieben war, vgl.
Magdeburger Staatsarchiv, Erzstift Magdeburg II, Nr. 333.
Im Jahre 1570 erfolgte wegen Schuldenüberlastung die Sequestration durch Kursachsen,
Magdeburg, Halberstadt, und gegen Ende des 16. Jahrhunderts verlor die Grafschaft ihre terri-
toriale Unabhängigkeit. Über Zerwürfnisse, die wegen der Besetzung von Pfarrstellen, nament-
lich der Superintendentur, durch die Grafen mit Sachsen entstanden, vgl. die interessanten
Akten im Eislebener Andreas-Archiv, Loc. 1, Ad. 23 ad communia. Immerhin konnten die
Grafen noch eine gewisse kirchliche Hoheit behaupten, wie sie denn noch 1586 eine Consistorial-
Ordnung erliessen.
2. Über die Anfänge der Reformation in Mittel-und Hinterort sind wir nur dürftig unter-
richtet. Über eine Visitation des Amtes Eisleben, das zum Hinterorte gehörte, vom Jahre 1526
sind einige Nachrichten im Superintendentur-Archiv zu Eisleben erhalten, welche Könnecke,
a. a. O. 11, 58 ff. mittheilt.
Die erste Visitation, welche im Vorderort stattfand, führte die Reformation dortselbst
ein. Die sechs Söhne Ernst’s II., welche nach Graf Hoier’s Tode (1540) die Regierung im
Vorderort übernahmen, ordneten diese Visitation 1542 an. Als Visitatoren fungirten, wie erzählt
wird, Caspar Güttel von Eisleben und Michael Cölius von Mansfeld. Wahrscheinlich wird nach
sächsischem Muster visitirt worden sein. Die vorhandenen Visitationsprotokolle bieten für uns
keine Ausbeute; sie betreffen fast nur finanzielle Dinge. Vgl. darüber Könnecke, a. a. O. 11, 69 ff.
Aus demselben Bande des Eislebener Archivs publicirt Könnecke, a. a. O. 11, 90 ff.
die Protokolle einer zweiten, in dem Mansfelder Vorderort vorgenommenen Visitation vom Jahre
1545. Diese Visitation bietet interessante Einblicke in die kirchlich-sittlichen Verhältnisse der
Gemeinden. Für unsere Sammlung enthält sie nichts.
Das Visitationswesen gewann einen bedeutenden Aufschwung durch den dritten General-
superintendenten Erasmus Sarcerius.
Wie unten zu zeigen, hatten die Grafen ein Consistorium eingerichtet und bestellten
einen Generalsuperintendenten. Der Erste, der diese Function bekleidete, war Johannes Spangen-
berg (1546—1550). Ihm folgte 1552 Georg Major, der sein Amt aber noch in demselben Jahre
verliess. Von 1553—1559 bekleidete Erasmus dieses Amt und von 1560—1590 Hieronymus Mencel.
Erasmus Sarcerius4) erwarb sich um die Hebung der kirchlichen Verhältnisse die grössten
Verdienste. Er hielt drei Visitationen ab, die sich allerdings nur auf Mansfeld-Vorderort
erstreckten. Von der ersten Visitation, die im Sommer 1554 stattfand, ist das Protokoll erhalten,
aber zur Zeit nicht mehr aufzufinden.

1) Vgl. Grössler, Graf Albrecht VII. von Mansfeld, in: Ztschr. des Harzvereins, 1885, S. 365 ff.
2) Vgl. hierzu Könnecke, a. a. O. 11, 56; Gustav Kawerau, Kaspar Güttel. Halle 1882; Derselbe,
Johann Agrikola von Eisleben. Berlin 1881.
3) Vgl. über die sechs Linien des Vorderorts im Einzelnen Könnecke, a. a. O. 11, 68 ff.
4) Litteratur über Sarcerius s. Zusammenstellung von Könnecke, „Mansfelder Blätter“ 12, 55.
 
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