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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0311

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48. Visitations- und Consistorial-Ordnung. 1574. 1577.

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rathe durch genade des almechtigen gottes.
zu bedenken. Denn unsere kirchenräthe wissen,
werden auch dessen mit ernste von uns gewarnet
sein sollen, das sie weder uf pfarherr, noch andere
leut leichtlich einen verdacht schepfen und darauf
procediren, es seien dan die verbrechungen gnug-
sam beweislich, notori oder vom schuldigen theile
bekentlich, damit ja niemand in diesem fall uber-
eilet , aus neid, zorn, widerwillen, und andern
dergleichen bewegnissen, unbillich beschwert oder
benachtheilet wird.“
[Die Abstimmung soll stets zu einhelligen
Beschlüssen führen. Wichtige Sachen sind mit
dem Erkenntnisse durch einen Theologen und
einen Juristen des Kirchenraths dem Landesherrn
einzuberichten, welcher dann das Nöthige an-
ordnen wird.]
Es folgt hierauf eine Motivirung für dieses
fürstliche Eingreifen:
„Welchs wir aber mit nichten dahin gemeint
oder verstanden haben wollen, als ob wir mit
dieser bedingung unsers mitwissens und zuthuns
den zugel eigens gefallens in unsern henden be-
halten.
Dann wir uns ja [christlich und wohl zu-
bescheiden wissen, dass wir als eine weltliche
obrigkeit in der kirchen gottes, von welcher
wegen dann dieser rath angestellet, nicht das
haupt, sondern ein mitglied, item ein pfleger
und nicht ein herr oder beherrscher derselben
sein sollen, derowegen wir allen verdacht un-
christliches suchens oder fürhabens zu decliniren
und abzuschneiden, hiermit bezeugen, dass unsre
kirchen räthe als für gott in ihrem befehl, amt
und gewissen frei, unverhindert gelassen sein,
und nicht gehen soll, wie Micheas über gottlose
gerichte klaget, was der fürst will, das spricht
der richter, auf dass er ihme wiederumb einen
dienst thuen soll, sondern was wir uns [bis hier-
hin ist der Text, den auch Juncker abschreibt,
durchstrichen und durch Verbesserung folgender
neuer Satzanfang gebildet, den Juncker nicht
hat:] Das wir uns auch dieses falls etwas vor-
behalten, beschicht der meinung1), dieweil wir
dennoch von fürstlicher obrigkeit wegen ein vor-
nehmes mitglied der kirchen, dass demnach gottes
befehl und unsers amtes, was wir beneben dem
ministerio denen pflichten nach, die auch wir
seiner allmächtigkeit in der h. taufe geschworen,
zu seinen ehren, zu förderung seines worts, heil
der kirchen und anrichtung christlicher disciplin,
zucht, und unergerliches guten wandels und lebens
bei unsern unterthanen an unserm orte selbst
auch mit rathen, helfen und fordern können, an

1) Ursprünglicher Text (so auch bei Juncker)
statt „beschicht der meinung“: ist das.
Sehling, Kirchenordnungen. Bd. II.

uns keinen müglichen treuen vleis erwinden und
mangeln zulassen, und soll nichts desto1) weniger
mit gesambleten und gemeinem, unserm gnädigen
und der kirchenräthe pflichtigen treuen bedenken,
consens, willen, und wolmeinung geschlossen werden,
und fortgehen, was göttlich, christlich, erbarlich,
auch obangesetzter norma gleichförmig und eben-
mässig.
Von der exequition und volstreckung
dessen, was in dem kirchenrath de-
cernirt oder geurtheilet.
[Der Fürst bittet Gott um Gnade, dass er
die Exekution der Urtheile richtig vornehmen
lasse. Zunächst die Exekution der Urtheile gegen
irrlehrende Pfarrer: sie werden abgesetzt, dürfen
sich zwar als Privatleute im Lande aufhalten,
aber nur wenn sie ihre Irrlehren für sich behalten.
Daneben aber sind sie, wenn sie nicht Busse thun, in
den „gottlichen bann“ zu erklären, und unter
Umständen sogar aus der Herrschaft zu entfernen.
Der Dekan hat der Gemeine in einer besonderen
Predigt Alles mitzutheilen, weil dieselbe vielleicht
schon von dem Irrthume angesteckt ist.
Bei sonstigen Verfehlungen der Pfarrer ist
mit Verweis, schlichter Suspensio oder Amts-
entsetzung , wenn nicht mit schwereren Strafen
vorzugehen. An Strafen gegen Laien verhängt der
Kirchenrath Verweise und Ermahnungen, Abbitten
vor dem Kirchenrathe oder dem Pfarrer, Geld-
strafen, Gefängniss. Mit der Geldstrafe, welche
in den Kirchenraths- oder auch den zuständigen
Kirchen-Kasten fliesst, soll dem Anspruche der
politischen Gemeinden nicht vorgegriffen werden.
Als schwerste Strafe wird der Bann verhängt und zwar
nur durch den gesammten Kirchenrath mit Billi-
gung des Landesherrn. Schriftliches Erkenntniss.
Vollstreckung durch den Pfarrer in der Kirche
am Ende der Predigt vor Beginn des Abendmahls.
Der Excommunicirte wird an einen besonderen,
hierzu bestimmten Ort gestellt und sowohl an
diesem wie an den folgenden Sonntagen vor der
Abendmahlsfeier hinausgeführt. Dem Amtmann
wird befohlen, „das er der excommunicirten per-
sonen alle hochzeiten, wirthsheuser und andere
ehrliche geselschaften oder wolleben, auch wehre
zu tragen bei unserer ungnedigen strafe verbiete,
desgleichen den andern unsern unterthanen ver-
kundige, wo sich einer oder mehr finden liesse,
die solche zu hochzeiten, wolleben und gastungen
lüden, oder mit deren in wirthsheusern und anderen
dergleichen ehrlichen versamlungen zecheten,
oder auch sonst gemeinschaft hielten, das solche

1) Ursprüngliche Fassung: „zu lassen, soll gleich-
wohl nichts desto weniger“. So auch Juncker.
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