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Das Fürstenthum Anhalt.
dachte möglichst lange an Erhaltung der alten Formen. Der Superintendent mit seinen Zu-
geordneten war als eine provisorische Behörde gedacht. Solange Georg dann lebte— 1548/49
mochte er vielleicht erst recht nicht mit durchgreifenden Neuerungen in äusseren Dingen ver-
gehen —- war die nothwendige Autorität ja thatsächlich vorhanden, und an Consistorial-Ord-
nungen war eigentlich auch kein Mangel. Georg hatte ja die Celler Consistorial-Ordnung für
Merseburg und Meissen ausgearbeitet. Nach ihnen richtete man sich offenbar auch in dem
nichtformirten Consistorium zu Zerbst, und nicht ohne Grund finden wir daher diese Consistorial-
Ordnungen noch heute in den Zerbster Archiven in seltener Vollständigkeit vor.
4. Das innere kirchliche Leben wurde unter Oberaufsicht Georg’s nach dessen bewährten
Vorbildern von Fabricius und seinen Genossen durch die Visitationen eingerichtet und gefördert.
Es verdienen in diesem Zusammenhange zwei Ausschreiben Erwähnung. Das eine von Georg von
Anhalt, von Mittwochs nach Palmarum (13. April) 1541, welches die Geistlichen vor Zechen und
Disputiren warnte und zur Publication eines offenen (nicht mehr vorhandenen, aber wohl ebenfalls
die Zucht betreffenden) Schreibens an die Gemeinden aufforderte (Dessau, Superintendentur-Archiv,
I. Hauptabtheilung, 7. Unterabtheilung, Nr. 8), und ein Ausschreiben Johann Georg’s und Joachim’s
von Visit. Mar. (2. Juli) 1546, betr. eine allgemeine Landesbusse. Dieses Ausschreiben befindet
sich im Superintendentur-Archiv Dessau ebenda, im Original, mit den Siegeln der drei Fürsten
versehen. Die Pfarrer der Pflege Dessau, nämlich Johann Böttiger zu Raguhn, Georg Freitag
zu Jessnitz, Erasmus Riegel zu Capelle, Johann Jahn zu Quellendorf, Conrad Siegel zu Reupzig,
Bartholomäus Voitländer zu Lausigk, Johann Mohr zu Mosigkau, haben die Mittheilung des
Reskriptes durch Unterschrift bestätigt. Wir drucken das Ausschreiben erstmalig ab. (Nr. 114.)
Für die Kirchenzucht hatte Georg in seinem Stift Merseburg hervorragende Ordnungen
erlassen und zur Anwendung gebracht (vgl. oben S. 8). Und man sollte meinen, dass er
diese Einrichtungen auch auf Anhalt ausgedehnt hätte. Das ist aber keineswegs der Fall ge-
wesen. Bis zum Jahre 1552 wurde ein öffentliches Bussverfahren nicht vorgenommen, hat ein
eigentlicher „Kirchenzwang“ nicht bestanden. Es offenbarte sich dies bei einem speciellen An-
lass im Jahre 1552, der zu einem stürmischen Verlangen der Geistlichkeit nach Einführung
einer ordentlichen Kirchenzucht führte. Die darüber zwischen Fabricius, als dem Vertreter der
Geistlichkeit, und dem Fürsten Georg gewechselten Schriftstücke bieten so gründliche Einblicke
in diese wichtige Seite des kirchlichen Lebens, dass wir die Vorgänge auf Grund dieses Brief-
wechsels ausführlicher schildern wollen. Leider ist die Correspondenz in St.A. Zerbst, K. 55,
Vol. V, fol. 206, Nr. 43 wohl nicht vollständig erhalten.
In einem Schreiben vom 27. Mai 1552 (Original in Zerbst, St.A., a. a. O.) klagte der
Superintendent Fabricius dem Fürsten Georg seine Noth. In Folge zu gelinder Strafen der
weltlichen Obrigkeit seien die Laster, namentlich dasjenige des Ehebruchs, zahlreich geworden.
Die Kirchendiener empfänden es sehr schwer, dass sie öffentliche Ehebrecher „an alle abbitten
und versumung der öffentlichen ergernuss“ zum Sacrament zulassen müssten. Sie hätten sich
deshalb um Rath an das Wittenberger Consistorium gewendet und dieses habe die Weise vor-
geschlagen, welche es selbst nach dem Vorgange Luther’sbeobachte. Ein öffentlicher Ehebrecher
habe sich bereits zu öffentlicher Abbitte bereit erklärt, die Handauflegung werde er sich wohl
auch noch gefallen lassen. Der Fürst möge ihnen diese Form gestatten.
Das Gutachten der Wittenberger datirt vom 19. Mai 1552, ist mehrfach erhalten
(so in Zerbst, Superintendentur-Archiv XXIX, Bl. 73 ff.; in Zerbst, St.A., K. 55, Vol. V, fol. 206,
Nr. 43) und besagt: „Der sünder solle nach der landesgewohnheit beichten; nach geschehener con-
fession solle der fall in der predigt mit den worten erwähnt werden, es sei einer in ehebruch ge-
fallen, welches ihm von herzen leid sei, dass er die gemeinde Christi so gröblich geärgert, er
begehre, sie wolle ihm diese sünde und ärgerniss vergeben. Nach der predigt solle er vor dem
Das Fürstenthum Anhalt.
dachte möglichst lange an Erhaltung der alten Formen. Der Superintendent mit seinen Zu-
geordneten war als eine provisorische Behörde gedacht. Solange Georg dann lebte— 1548/49
mochte er vielleicht erst recht nicht mit durchgreifenden Neuerungen in äusseren Dingen ver-
gehen —- war die nothwendige Autorität ja thatsächlich vorhanden, und an Consistorial-Ord-
nungen war eigentlich auch kein Mangel. Georg hatte ja die Celler Consistorial-Ordnung für
Merseburg und Meissen ausgearbeitet. Nach ihnen richtete man sich offenbar auch in dem
nichtformirten Consistorium zu Zerbst, und nicht ohne Grund finden wir daher diese Consistorial-
Ordnungen noch heute in den Zerbster Archiven in seltener Vollständigkeit vor.
4. Das innere kirchliche Leben wurde unter Oberaufsicht Georg’s nach dessen bewährten
Vorbildern von Fabricius und seinen Genossen durch die Visitationen eingerichtet und gefördert.
Es verdienen in diesem Zusammenhange zwei Ausschreiben Erwähnung. Das eine von Georg von
Anhalt, von Mittwochs nach Palmarum (13. April) 1541, welches die Geistlichen vor Zechen und
Disputiren warnte und zur Publication eines offenen (nicht mehr vorhandenen, aber wohl ebenfalls
die Zucht betreffenden) Schreibens an die Gemeinden aufforderte (Dessau, Superintendentur-Archiv,
I. Hauptabtheilung, 7. Unterabtheilung, Nr. 8), und ein Ausschreiben Johann Georg’s und Joachim’s
von Visit. Mar. (2. Juli) 1546, betr. eine allgemeine Landesbusse. Dieses Ausschreiben befindet
sich im Superintendentur-Archiv Dessau ebenda, im Original, mit den Siegeln der drei Fürsten
versehen. Die Pfarrer der Pflege Dessau, nämlich Johann Böttiger zu Raguhn, Georg Freitag
zu Jessnitz, Erasmus Riegel zu Capelle, Johann Jahn zu Quellendorf, Conrad Siegel zu Reupzig,
Bartholomäus Voitländer zu Lausigk, Johann Mohr zu Mosigkau, haben die Mittheilung des
Reskriptes durch Unterschrift bestätigt. Wir drucken das Ausschreiben erstmalig ab. (Nr. 114.)
Für die Kirchenzucht hatte Georg in seinem Stift Merseburg hervorragende Ordnungen
erlassen und zur Anwendung gebracht (vgl. oben S. 8). Und man sollte meinen, dass er
diese Einrichtungen auch auf Anhalt ausgedehnt hätte. Das ist aber keineswegs der Fall ge-
wesen. Bis zum Jahre 1552 wurde ein öffentliches Bussverfahren nicht vorgenommen, hat ein
eigentlicher „Kirchenzwang“ nicht bestanden. Es offenbarte sich dies bei einem speciellen An-
lass im Jahre 1552, der zu einem stürmischen Verlangen der Geistlichkeit nach Einführung
einer ordentlichen Kirchenzucht führte. Die darüber zwischen Fabricius, als dem Vertreter der
Geistlichkeit, und dem Fürsten Georg gewechselten Schriftstücke bieten so gründliche Einblicke
in diese wichtige Seite des kirchlichen Lebens, dass wir die Vorgänge auf Grund dieses Brief-
wechsels ausführlicher schildern wollen. Leider ist die Correspondenz in St.A. Zerbst, K. 55,
Vol. V, fol. 206, Nr. 43 wohl nicht vollständig erhalten.
In einem Schreiben vom 27. Mai 1552 (Original in Zerbst, St.A., a. a. O.) klagte der
Superintendent Fabricius dem Fürsten Georg seine Noth. In Folge zu gelinder Strafen der
weltlichen Obrigkeit seien die Laster, namentlich dasjenige des Ehebruchs, zahlreich geworden.
Die Kirchendiener empfänden es sehr schwer, dass sie öffentliche Ehebrecher „an alle abbitten
und versumung der öffentlichen ergernuss“ zum Sacrament zulassen müssten. Sie hätten sich
deshalb um Rath an das Wittenberger Consistorium gewendet und dieses habe die Weise vor-
geschlagen, welche es selbst nach dem Vorgange Luther’sbeobachte. Ein öffentlicher Ehebrecher
habe sich bereits zu öffentlicher Abbitte bereit erklärt, die Handauflegung werde er sich wohl
auch noch gefallen lassen. Der Fürst möge ihnen diese Form gestatten.
Das Gutachten der Wittenberger datirt vom 19. Mai 1552, ist mehrfach erhalten
(so in Zerbst, Superintendentur-Archiv XXIX, Bl. 73 ff.; in Zerbst, St.A., K. 55, Vol. V, fol. 206,
Nr. 43) und besagt: „Der sünder solle nach der landesgewohnheit beichten; nach geschehener con-
fession solle der fall in der predigt mit den worten erwähnt werden, es sei einer in ehebruch ge-
fallen, welches ihm von herzen leid sei, dass er die gemeinde Christi so gröblich geärgert, er
begehre, sie wolle ihm diese sünde und ärgerniss vergeben. Nach der predigt solle er vor dem