Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0531

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Das Fürstentum Anhalt. 517
„Sehen aber e. f. g. vor gut an, das man die öffentliche kirchenbusse noch eine weile sol lassen
beruen, des bin ich wol zufrieden, mein gewissen ist nu hierin frei.“
Damit schliesst die uns erhaltene (Correspondenz ab. Zu erwähnen ist noch eine Im-
mediateingabe des Cranz an den Fürsten vom 13. October 1552 (Original im St.A. Zerbst,
a. a. O.), in welcher er den Fürsten bittet, mit ihm nicht nach dem Wittenberger Gutachten
verfahren zu lassen, da er sonst aus der Innung ausgeschlossen werden und damit seine bürgerliche
Nahrung verlieren würde; er wäre zufrieden, wenn ohne Namensnennung sein Vergehen und
seine Reue angezeigt werden würden; Christus habe die Ehebrecherin auch ohne einige publica
satisfactio absolvirt; es wäre unbillig, dass mit dieser in Anhalt bisher unbekannten Form zu-
erst gegen ihn verfahren werden solle; anders wäre es für die Zukunft, wenn durch öffentliches
Decret die neue Ordnung Jedermann bekannt gemacht worden wäre.
Die endliche Regelung der Kirchenzucht lässt sich aus dieser Correspondenz nicht er-
sehen, wohl dagegen aus dem unter Nr. 121 zum Abdruck gelangenden Bericht des Fabricius
von 1567. Dieser schildert die thatsächlich beobachtete Praxis. Noch der Superintendent Ulrich
berief sich 1575 auf dieselbe (vgl. unten S. 526). Eine ausdrückliche Billigung des Landesherrn
kann er für sie nicht anführen, sondern stützt sich auf das Stillschweigen der Obrigkeit. Hiernach
wurde bei öffentlichen, von der Obrigkeit bereits bestraften Lastern die Wittenberger Form mit
öffentlicher Abbitte unter Namensnennung und öffentlicher Absolution mit Handauflegung be-
obachtet, dagegen bei den der Obrigkeit unbekannt gebliebenen Lastern nur eine „gemeine“
Abbitte ohne Namensnennung durch den Pfarrer verlesen. Als Zuchtmittel kennt die An-
haltische Kirche bis 1575 nur die Verweigerung der Sacramente, der Pathenschaft und die
Versagung des kirchlichen Begräbnisses.
Welch’ein bescheidenes Rüstzeug gegenüber dem Strafapparat der alten Kirche! Wie
wenig mochte dasselbe den Wünschen der Geistlichkeit entsprechen! Die Unzufriedenheit damit
spricht deutlich aus dem Berichte des Fabricius von 1567 (Nr. 121), und es ist leicht zu er-
klären, dass die Geistlichkeit jede Gelegenheit benutzte, ihre Competenzen zu erweitern, wovon
unter dem Fürsten Joachim Ernst S. 526 ff. Näheres zu berichten sein wird.
III. Hier empfiehlt es sich, einen zusammenfassenden Blick auf die kirchlichen Verhält-
nisse Anhalts in dieser Periode zu werfen.
Von den Fürsten getragen, war auch in Anhalt das Werk Luther's allenthalben zum
Durchbruch gelangt. Nach dem Vorbilde der kursächsischen Einrichtungen war die Kirchen-
neuerung durchgeführt worden. Im Vordergrunde stand die Persönlichkeit Georg’s. So sind
denn die folgenden Zeilen zugleich ein Nachtrag zu meinen Ausführungen in: „Die Kirchen-
gesetzgebung unter Moritz von Sachsen und Georg von Anhalt“, § 6, in welchem ich das
„Evangelische Kirchenrecht nach den Anschauungen Georg’s von Anhalt“ zu schildern versucht
habe. Man kann die dort gewonnenen Resultate auf Anhalt ohne Schwierigkeit übertragen.
Natürlich musste die kirchliche Verfassung in Anhalt eine andere sein als in Merseburg.
Hier war Georg an die Stelle des katholischen Bischofs getreten und fasste seine Thätigkeit
wesentlich im Sinne eines solchen auf. In Anhalt war er nur einer der Landesherrn. Ein
Summepiscopat des Landesherrn wäre für Georg ein unfassbarer Gedanke gewesen. Noch im
Jahre 1545 hielt er es für möglich, dass die Bischöfe sich auf ihre wahre Pflicht besinnen
würden, und gab in dem Superintendenten Fabricius und einigen Zugeordneten nur eine
provisorische Verfassung. Für den Fall der dauernd ablehnenden Haltung des Episcopats fasste
er die Ernennung eines Generalsuperintendenten (der also dann gewissermaassen die Rolle des
Episcopus zu führen gehabt hätte) in’s Auge.
Der Passus in der Instruktion von 1545 lautete: „Begebe sichs auch (in mangel das die
bischof wie bisher der evangelischen lar entkegen und ire amt underlassen) das wir neben
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften