520
Das Fürstenthum Anhalt.
Das Consistorium, welches für die Ehestreitigkeiten geschaffen werden musste,
wurde daher auch nicht über ihm, sondern neben ihm gebildet. Superintendent Fabricius
bildete mit den Zugeordneten das Consistorium. Dieses, ursprünglich nur als Ehegericht ge-
dacht, wurde allmählich auch mit sonstigen Aufgaben betraut. Aber es war keine festgefügte
Behörde, mit einer festen Organisation und sicheren Competenzen. Wie verschieden daher auch
die formale Behandlung der Eheprocesse gewesen ist, haben wir oben gezeigt.
Der Superintendent in Zerbst war die erste kirchliche Autorität des Landes. Persön-
lichkeiten wie Fabricius und Amling haben daher nach dem Tode Georg’s der Kirche Anhalts
ihre Signatur verliehen. Wegen der Tüchtigkeit dieser Männer und wegen des persönlichen
Einflusses der frommen Landesherrn hat sich das Land trotz dieser ziemlich unklaren Ver-
fassung wohl befunden.
Soviel über die Gesammtkirche. — Was die Einzelgemeinde anlangt, so entsprach eine
besondere Betonung des Gemeindegedankens und der Selbstverwaltung nicht den Wünschen Georg’s
(Sehling, Kirchengesetzgebung unter Moritz von Sachsen und Georg von Anhalt, S. 56, 88).
Fabricius fand bei seiner ersten Visitation, dass das Kirchenvermögen ausschliesslich
von den Kirchen vorstehern verwaltet wurde und der Pfarrer auf die Verwaltung und die Ver-
wendung des Kirchengutes gar keinen Einfluss besass. Fabricius änderte dies: „Und das der
pfarherr hier der oberster vorstender der kirchen sein, die schulde und zinse ufzeichnen, das
register halten und dem superattendenten jerlich eine abschrift von seiner kirchenrechnung
geben solle.“ Der Pfarrer ist aber doch nicht einfach als der Vorsitzende des „Vorstandes“
gedacht, sondern die Kirchenvorsteher bleiben auch in Zukunft ein für sich bestehendes Colle-
gium , welches nur nicht mehr ohne den Pfarrer und ohne „ihren Schultheissen“ disponiren
kann, und welches der Pfarrer beständig controlirt. Vor dem Pfarrer, der ganzen Gemeinde
und dem Schultheissen legen die „vorstender“ Rechnung. Die politische Gemeinde wählt die
Vorsteher. Vgl. auch die Landes-Ordnung von 1572.
Andere Rechte stehen aber der Gemeine nicht zu. Von einem Antheil an der Pfarrbestellung
hören wir nirgends. Diese geht entweder direct vom Landesherrn oder von seinen Hofräthen aus.
Eigenartig ist die Stellung des Rathes in den Städten, besonders in Zerbst (s. unter Zerbst). Auch
der Magistrat von Jessnitz hat 1564 einmal einen Geistlichen berufen (vgl. Becker, in: Mitthei-
lungen des Vereins für Anhaltische Geschichte 7 [1897], 565 ff.). Jedenfalls blieb den Räthen der
Stadt unverwehrt, eine Persönlichkeit dem Fürsten in unmaasgeblichen Vorschlag zu bringen.
Dass das eigentliche Patronatsrecht unberührt fortbestand, bedarf kaum der Hervor-
hebung. Dagegen wurde das von dem Adel vielfach behauptete Recht der Besetzung und Ent-
setzung zielbewusst und auf das Energischste von den Fürsten bekämpft. (Bekker, in: Zeit-
schrift für Kirchengeschichte, 1901, S. 275 ff.; Heine, Geschichte von Wörbzig und Frenz, in:
Beiträge zur Anhalt. Geschichte, Cöthen 1902, Heft 5, S. 60 ff.).
Die Kirchenzucht, wie sie oben S. 517 dargestellt ist, bewegte sich in durchaus evan-
gelischen Grenzen. Sie athmet den milden, echt evangelischen Geist des Fürsten Georg.
In grösster Eintracht wirkten weltliche und kirchliche Organe zusammen. Bei den Visi-
tationen zeigte sich dies besonders. Namentlich aber auch bei den Sequestrationen. Wie schonend,
zugleich aber mit welchem Interesse für die Bedürfnisse der Kirche die staatliche Obrigkeit
dabei vorging, zeigt unter Anderem die Urkunde vom 9. November 1540 (Zerbst, Sup.-Archiv,
XXIX, Bl. 424), die zugleich auch für die Frage des Eigenthumssubjekts am Kirchengute
Interesse bietet. Hierin erklären Wolfgang, Johann, Georg und Joachim, dass sie auf einen be-
ständigen Wiederkauf an „die prediger, kastenmeister und diener, so den kirchen zu S. Bartho-
lomaei der stadt Zerbst, welche jetzt vorstehen und in zukunft durch unsere verordnung vor-
stehen werden“, verkauft haben 72 Gulden jährlich aus ihrem Renteneinkommen. Als Kauf-
preis für diese wiederkäufliche Rente bezeichnen die Fürsten „171 mark und 14 loth silber in
Das Fürstenthum Anhalt.
Das Consistorium, welches für die Ehestreitigkeiten geschaffen werden musste,
wurde daher auch nicht über ihm, sondern neben ihm gebildet. Superintendent Fabricius
bildete mit den Zugeordneten das Consistorium. Dieses, ursprünglich nur als Ehegericht ge-
dacht, wurde allmählich auch mit sonstigen Aufgaben betraut. Aber es war keine festgefügte
Behörde, mit einer festen Organisation und sicheren Competenzen. Wie verschieden daher auch
die formale Behandlung der Eheprocesse gewesen ist, haben wir oben gezeigt.
Der Superintendent in Zerbst war die erste kirchliche Autorität des Landes. Persön-
lichkeiten wie Fabricius und Amling haben daher nach dem Tode Georg’s der Kirche Anhalts
ihre Signatur verliehen. Wegen der Tüchtigkeit dieser Männer und wegen des persönlichen
Einflusses der frommen Landesherrn hat sich das Land trotz dieser ziemlich unklaren Ver-
fassung wohl befunden.
Soviel über die Gesammtkirche. — Was die Einzelgemeinde anlangt, so entsprach eine
besondere Betonung des Gemeindegedankens und der Selbstverwaltung nicht den Wünschen Georg’s
(Sehling, Kirchengesetzgebung unter Moritz von Sachsen und Georg von Anhalt, S. 56, 88).
Fabricius fand bei seiner ersten Visitation, dass das Kirchenvermögen ausschliesslich
von den Kirchen vorstehern verwaltet wurde und der Pfarrer auf die Verwaltung und die Ver-
wendung des Kirchengutes gar keinen Einfluss besass. Fabricius änderte dies: „Und das der
pfarherr hier der oberster vorstender der kirchen sein, die schulde und zinse ufzeichnen, das
register halten und dem superattendenten jerlich eine abschrift von seiner kirchenrechnung
geben solle.“ Der Pfarrer ist aber doch nicht einfach als der Vorsitzende des „Vorstandes“
gedacht, sondern die Kirchenvorsteher bleiben auch in Zukunft ein für sich bestehendes Colle-
gium , welches nur nicht mehr ohne den Pfarrer und ohne „ihren Schultheissen“ disponiren
kann, und welches der Pfarrer beständig controlirt. Vor dem Pfarrer, der ganzen Gemeinde
und dem Schultheissen legen die „vorstender“ Rechnung. Die politische Gemeinde wählt die
Vorsteher. Vgl. auch die Landes-Ordnung von 1572.
Andere Rechte stehen aber der Gemeine nicht zu. Von einem Antheil an der Pfarrbestellung
hören wir nirgends. Diese geht entweder direct vom Landesherrn oder von seinen Hofräthen aus.
Eigenartig ist die Stellung des Rathes in den Städten, besonders in Zerbst (s. unter Zerbst). Auch
der Magistrat von Jessnitz hat 1564 einmal einen Geistlichen berufen (vgl. Becker, in: Mitthei-
lungen des Vereins für Anhaltische Geschichte 7 [1897], 565 ff.). Jedenfalls blieb den Räthen der
Stadt unverwehrt, eine Persönlichkeit dem Fürsten in unmaasgeblichen Vorschlag zu bringen.
Dass das eigentliche Patronatsrecht unberührt fortbestand, bedarf kaum der Hervor-
hebung. Dagegen wurde das von dem Adel vielfach behauptete Recht der Besetzung und Ent-
setzung zielbewusst und auf das Energischste von den Fürsten bekämpft. (Bekker, in: Zeit-
schrift für Kirchengeschichte, 1901, S. 275 ff.; Heine, Geschichte von Wörbzig und Frenz, in:
Beiträge zur Anhalt. Geschichte, Cöthen 1902, Heft 5, S. 60 ff.).
Die Kirchenzucht, wie sie oben S. 517 dargestellt ist, bewegte sich in durchaus evan-
gelischen Grenzen. Sie athmet den milden, echt evangelischen Geist des Fürsten Georg.
In grösster Eintracht wirkten weltliche und kirchliche Organe zusammen. Bei den Visi-
tationen zeigte sich dies besonders. Namentlich aber auch bei den Sequestrationen. Wie schonend,
zugleich aber mit welchem Interesse für die Bedürfnisse der Kirche die staatliche Obrigkeit
dabei vorging, zeigt unter Anderem die Urkunde vom 9. November 1540 (Zerbst, Sup.-Archiv,
XXIX, Bl. 424), die zugleich auch für die Frage des Eigenthumssubjekts am Kirchengute
Interesse bietet. Hierin erklären Wolfgang, Johann, Georg und Joachim, dass sie auf einen be-
ständigen Wiederkauf an „die prediger, kastenmeister und diener, so den kirchen zu S. Bartho-
lomaei der stadt Zerbst, welche jetzt vorstehen und in zukunft durch unsere verordnung vor-
stehen werden“, verkauft haben 72 Gulden jährlich aus ihrem Renteneinkommen. Als Kauf-
preis für diese wiederkäufliche Rente bezeichnen die Fürsten „171 mark und 14 loth silber in