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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0533

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Das Fürstenthum Anhalt.

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alten Privilegien in Anspruch, die sie „nach Bischof Friedrich’s Verträgen“ genossen hätten.
In Civilstreitigkeiten gegen Pfarrer entschied zwar der Amtmann, aber in Gegenwart des Super-
intendenten. Nach der Landesordnung von 1572 führten nicht nur die Superintendenten die Auf-
sicht über die Pfarrer, sondern auch „die Befehlshaber“ und die Räthe in Städten u. s. w.
Diese unklare Grenzziehung rief in Anhalt keine sonderlichen Contiicte hervor. Denn es
war ja doch alle Gewalt im Landesherrn verkörpert, und willig ordneten sich die staatlichen
Behörden und auch die Geistlichkeit den frommen Persönlichkeiten unter, welche an die Spitze
des Staats- und des Kirchenwesens gesetzt waren. Wenn die Landesherrn anfänglich ihre Ent-
scheidungen in Ehesachen gewissermaassen entschuldigen und erklären, dass sie damit keines-
wegs in das geistliche Regiment eingreifen wollten (vgl. unten unter Joachim Ernst), so schwindet
doch das Bewusstsein von vorhandenen Competenzgrenzen mehr und mehr. Wenn die Landes-
herrn auch wohl noch in späterer Zeit ihre Thätigkeit in geistlichen, in Kirchensachen mit dem
praecipuum membrum oder dem Wächteramt der Tafeln rechtfertigen, so ist das nur eine alt-
hergebrachte und im Wesen gleichgültige Motivirung für das, was juristisch längst gegeben
war, für das völlig ausgebildete landesherrliche Kirchenregiment.
Ja, dieses wird immer mehr ein absolutes. Der Einfluss der Geistlichkeit auf die Ent-
scheidungen des Landesherrn ist kein rechtlich geregelter, sondern ein rein thatsächlicher, je
nach der Bedeutung der betreffenden Persönlichkeiten ein grösserer oder geringerer.
Die Mitwirkung der Stände tritt in Anhalt nicht einmal so stark hervor, wie z. B. in Sachsen.
Zwar mahnen und erinnern die Stände wohl auch in Anhalt. Sie wünschen Gleichförmigkeit der
Ceremonien, sie wünschen die Errichtung eines Consistoriums, und der Landesherr erlässt auch
mit ihrem Beirathe die Landes-Ordnung von 1572 mit kirchenrechtlichem Inhalte. Aber eine
eigentliche Beschränkung des Landesherrn in der Regierung der Kirche war damit nicht gegeben.
Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts treten allerdings die Stände wieder mehr aus ihrer passiven
Rolle hervor. Es hängt dies einmal mit den das Land besonders bewegenden Confessions-
veränderungen und weiter auch damit zusammen, dass bei der zunehmenden Schuldenlast der
Fürsten der Einfluss der Stände mehr und mehr erstarkt war.
Dagegen hatten die Fürsten mit einzelnen Adligen heftige Fehden auszufechten, ehe
diese die unbeschränkte landesherrliche Gewalt in kirchlichen Dingen anerkannten. Die Visi-
tationsakten von 1567 geben hierfür die bemerkenswerthesten Beispiele, und zwar spielten
sich diese Kämpfe wesentlich auf dem Gebiete der Besetzung und Entsetzung der Pfarrstellen ab.
Vgl. Bekker, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte, 1901, S. 275 ff.; Heine, Geschichte von
Wörbzig und Frenz, in: Beiträge zur Anhalt. Geschichte, Heft 5 (Cöthen 1902). Zielbewusst
ist der Widerstand des Adels gebrochen worden.
Einer gewissen Selbstständigkeit erfreuten sich die grösseren Städte, wie namentlich
Zerbst. Diese haben nicht nur vielfach selbstständig Kirchen-Ordnungen geschaffen, sondern
der Landesherr liess sich sogar zu vertragsmässigen Abmachungen mit ihnen herbei. Oder der
Rath vereinbarte mit den Pfarrern. Es kam aber auch vor, dass die Pfarrer unter sich Ab-
machungen trafen, theils mit, theils ohne Genehmigung des Rathes. Man vergleiche unter Zerbst.
Die Competenzfragen spielten keine Rolle. Nur darauf wurde gesehen, dass die Ordnung gut
und nützlich war.
Vom Vorstehenden abgesehen herrschte in Staat und Kirche nur ein Wille, derjenige
des Landesherrn. Und unter Georg fand ein starkes, persönliches Regieren statt. Dann aber
wurde die Ausübung des Regiments mehr und mehr den Hofräthen und den Superintendenten
überlassen. Diese leiteten die Visitationen und die Partikularsynodi, welche Georg in seiner
Diöcese Merseburg persönlich abgehalten hatte, aber in Anhalt, wo er nicht Bischof war, offen-
bar nicht abhalten mochte. Der Superintendent sollte den katholischen Bischof zunächst provi-
sorisch und, wenn dieser nicht übertrat, definitiv vertreten.
 
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