526.
Das Fürstenthum Anhalt.
Kirche gethan haben. Der Band Nr. 3 im Zerbster Superintendentur-Archiv enthält „Kirchen
und schulen-visitationen in allen vormaligen pfarreien des fürstenthums Zerbst, die dahin gehörigen
gravamina, desideria. Acta 1567—1674“, und diese gravamina betreffen vorwiegend Schuld-,
Lehns- und Patronatssachen. Zahlreiche Rescripte und Verfügungen richten sich gegen die Ver-
schleuderungen des Kirchengutes. So ein Originalschreiben Joachim Ernst’s vom Jahre 1572 in
Betreff eines Kirchenlehns „daran unserm burgern, den sehlingen ius patronatus“ gebührt. So eine
Verordnung des Fürsten, datirt Dessau, den 4. September 1572, an den Superintendenten Ulrich
(Superintendentur-Archiv zu Zerbst, XXIX, 81 ff.), welche lautet:
„Unsern gnedigen gruss zuvorn erwirdiger liber andechtiger rath und getreuer,
Weil wir nach vorrichter visitation von euch berichtet, dass es mit den leben juris
patronatus unordentlichen gehalten werde, und uns geburlich insehen zu haben geburt, damit
dieselbigen nicht vorsplittert, ader ad prophanos usus angewandt werden,
Also ist unser gnedigs begern und bevelich, dass ir aller der lehen, so itzund der rath
und weiland die schopfen in vorwaltung gehapt ein vorzeichnus fordert, und dasselb mit eurem
ordinanzbuch collationiret, auch dieselben mit eurem vorwissen und rath anlegen lasset, also
dass wir dessen zu jerlicher rechnung ein gnugen haben mugen,
Desgleichen die burger, so jus patronatus haben, vor euch ufs ehist bescheidet, und
ihnen von unsertwegen uferlegt, vor euch jerlichen ordentliche rechnung zuthun, und von den
lehen nichts zuvorleihen, zuvorsetzen ader entkommen zu lassen, ane vorwissen und mitbewilli-
gung, auch was ir dessenhalb vor beschwerung befindet, an uns gelangen lasset, daran beschicht
unser gefellige meinung, und sind euch mit gnaden und guten geneigt, datum Dessau den
4. September anno etc. 72. Joachim Ernst f. z. Anhalt manu pp.
Die Aufschrift des Schreibens lautet: Dem erwirdigen unserm lieben andechtigen rath
getreuen und gevattern m. Abraham Ulrich pfarherrn und superintendenten zu Zerbst.“
In Betreff der Cultusordnungen hat Joachim Ernst keine Änderung getroffen. Er hatte
zwar der Landschaft versprochen, auf Gleichförmigkeit der Ceremonien — auch in Anhalt
waren es, wie in Sachsen, die Stände, welche diesen Wunsch kleinmüthiger Seelen beständig
wiederholten — bedacht zu sein, er hat aber auch diesen Wunsch den Ständen nicht erfüllt.
Ob übrigens ein besonderes Bedürfniss dazu vorhanden war, kann angesichts der vorhandenen
vortrefflichen Ordnungen billig bezweifelt werden.
Das materielle Eherecht hat er in der Landesordnung von 1572 gefördert. Für Hebung
von Zucht und Sitte war er besorgt, wie die Landesordnung von 1572 in verschiedenen Capiteln,
besonders auch denjenigen über die Rügegerichte, beweist.
Die Geistlichkeit hielt an der alten, von Fabricius überkommenen Praxis (vgl. oben
5. 517) der Kirchenzucht fest. Joachim Ernst oder vielleicht noch mehr sein Kanzler und seine
Hofräthe scheinen aber diese öffentliche Form als zu weitgehend empfunden zu haben, und der
Fürst forderte seinen Superintendenten Abraham Ulrich zu einem Gutachten über die Gestaltung
der öffentlichen Kirchenbusse auf. Dieses Gutachten erstattete Ulrich Michaelis 1574. Das
ganz von der Hand Ulrich's geschriebene Original liegt im St.A. zu Zerbst, K. 62, Vol. V,
fol. 259b, Nr. 3. — Getreu der Überschrift der Eingabe „Vom unterscheid des bepstlichen
bannes, der rechtschaffenen warhaften excommunication und der offentlichen buss“ versuchte
Ulrich, dem Fürsten die Unterschiede dieser drei Zuchtformen klarzumachen. Er sei jetzt die
22 Jahre seit dem Tode des Vaters des Fürsten mit der öffentlichen Busse nach der Wittenberger
Form [er fügte das bekannte Gutachten der Wittenberger, oben S. 514 Z. 6 von unten bei] verfahren,
ohne dass je Seitens des Fürsten oder des Rathes, die sogar dem Akte beigewohnt, Widerspruch
erhoben worden sei. Diese Form sei eher zu verschärfen als zu mildern ; er habe vernommen,
dass der Fürst diese Kirchenzucht zwar nicht ganz fallen lassen wolle, dieselbe aber nicht mehr
in Gegenwart der ganzen Gemeine, sondern lediglich etzlicher, neben dem Ministerium dazu Ver-
Das Fürstenthum Anhalt.
Kirche gethan haben. Der Band Nr. 3 im Zerbster Superintendentur-Archiv enthält „Kirchen
und schulen-visitationen in allen vormaligen pfarreien des fürstenthums Zerbst, die dahin gehörigen
gravamina, desideria. Acta 1567—1674“, und diese gravamina betreffen vorwiegend Schuld-,
Lehns- und Patronatssachen. Zahlreiche Rescripte und Verfügungen richten sich gegen die Ver-
schleuderungen des Kirchengutes. So ein Originalschreiben Joachim Ernst’s vom Jahre 1572 in
Betreff eines Kirchenlehns „daran unserm burgern, den sehlingen ius patronatus“ gebührt. So eine
Verordnung des Fürsten, datirt Dessau, den 4. September 1572, an den Superintendenten Ulrich
(Superintendentur-Archiv zu Zerbst, XXIX, 81 ff.), welche lautet:
„Unsern gnedigen gruss zuvorn erwirdiger liber andechtiger rath und getreuer,
Weil wir nach vorrichter visitation von euch berichtet, dass es mit den leben juris
patronatus unordentlichen gehalten werde, und uns geburlich insehen zu haben geburt, damit
dieselbigen nicht vorsplittert, ader ad prophanos usus angewandt werden,
Also ist unser gnedigs begern und bevelich, dass ir aller der lehen, so itzund der rath
und weiland die schopfen in vorwaltung gehapt ein vorzeichnus fordert, und dasselb mit eurem
ordinanzbuch collationiret, auch dieselben mit eurem vorwissen und rath anlegen lasset, also
dass wir dessen zu jerlicher rechnung ein gnugen haben mugen,
Desgleichen die burger, so jus patronatus haben, vor euch ufs ehist bescheidet, und
ihnen von unsertwegen uferlegt, vor euch jerlichen ordentliche rechnung zuthun, und von den
lehen nichts zuvorleihen, zuvorsetzen ader entkommen zu lassen, ane vorwissen und mitbewilli-
gung, auch was ir dessenhalb vor beschwerung befindet, an uns gelangen lasset, daran beschicht
unser gefellige meinung, und sind euch mit gnaden und guten geneigt, datum Dessau den
4. September anno etc. 72. Joachim Ernst f. z. Anhalt manu pp.
Die Aufschrift des Schreibens lautet: Dem erwirdigen unserm lieben andechtigen rath
getreuen und gevattern m. Abraham Ulrich pfarherrn und superintendenten zu Zerbst.“
In Betreff der Cultusordnungen hat Joachim Ernst keine Änderung getroffen. Er hatte
zwar der Landschaft versprochen, auf Gleichförmigkeit der Ceremonien — auch in Anhalt
waren es, wie in Sachsen, die Stände, welche diesen Wunsch kleinmüthiger Seelen beständig
wiederholten — bedacht zu sein, er hat aber auch diesen Wunsch den Ständen nicht erfüllt.
Ob übrigens ein besonderes Bedürfniss dazu vorhanden war, kann angesichts der vorhandenen
vortrefflichen Ordnungen billig bezweifelt werden.
Das materielle Eherecht hat er in der Landesordnung von 1572 gefördert. Für Hebung
von Zucht und Sitte war er besorgt, wie die Landesordnung von 1572 in verschiedenen Capiteln,
besonders auch denjenigen über die Rügegerichte, beweist.
Die Geistlichkeit hielt an der alten, von Fabricius überkommenen Praxis (vgl. oben
5. 517) der Kirchenzucht fest. Joachim Ernst oder vielleicht noch mehr sein Kanzler und seine
Hofräthe scheinen aber diese öffentliche Form als zu weitgehend empfunden zu haben, und der
Fürst forderte seinen Superintendenten Abraham Ulrich zu einem Gutachten über die Gestaltung
der öffentlichen Kirchenbusse auf. Dieses Gutachten erstattete Ulrich Michaelis 1574. Das
ganz von der Hand Ulrich's geschriebene Original liegt im St.A. zu Zerbst, K. 62, Vol. V,
fol. 259b, Nr. 3. — Getreu der Überschrift der Eingabe „Vom unterscheid des bepstlichen
bannes, der rechtschaffenen warhaften excommunication und der offentlichen buss“ versuchte
Ulrich, dem Fürsten die Unterschiede dieser drei Zuchtformen klarzumachen. Er sei jetzt die
22 Jahre seit dem Tode des Vaters des Fürsten mit der öffentlichen Busse nach der Wittenberger
Form [er fügte das bekannte Gutachten der Wittenberger, oben S. 514 Z. 6 von unten bei] verfahren,
ohne dass je Seitens des Fürsten oder des Rathes, die sogar dem Akte beigewohnt, Widerspruch
erhoben worden sei. Diese Form sei eher zu verschärfen als zu mildern ; er habe vernommen,
dass der Fürst diese Kirchenzucht zwar nicht ganz fallen lassen wolle, dieselbe aber nicht mehr
in Gegenwart der ganzen Gemeine, sondern lediglich etzlicher, neben dem Ministerium dazu Ver-