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Das Fürstenthum Anhalt.
zunächst nur auf Abschaffung einiger Gebräuche richtete, die als Adiaphora an sich den Bekenntniss-
stand nicht berührten. Die Fürsten motivirten daher auch ihre Reformen mit Aussprüchen
Luther’s. Und man darf doch auch den wiederholten Versicherungen des Fürsten, dass eine
Änderung in der Lehre nicht beabsichtigt sei, wie z. B. vom 3. Juni 1597 (Duncker, a. a. O.
S. 139), den Glauben nicht versagen. Auch die Streitschriften der Anhaltiner und der
Wittenberger (die ich hier nicht näher behandeln kann, die ich aber sämmtlich durchgesehen
habe), betreffen immer nur vier Punkte: Abschaffung der Bilder, das Brotbrechen beim Abend-
mahl, Einführung ausschliesslich deutscher Gesänge und die Änderung der Anordnung der zehn
Gebote. (Über letzteren Punkt sofort.)
Wenn diese Änderungen an sich auch verhältnissmässig unbedeutend waren, so kann
man doch die Erregung verstehen, welche sie im Lande hervorrufen mussten. Denn es war doch
nicht zu leugnen, dass sie thatsächlich dem reformirten Ritus entsprachen und es lag nahe, in
ihnen die Anfänge noch viel weiter gehender Reformen zu erblicken.
Die Vorschrift, die 10 Gebote in reformirter Zählung zu lehren, stiess auf ganz beson-
deren Widerstand, denn man hielt dadurch den ganzen Katechismus Luther’s, dieses dem Volke
so sehr an’s Herz gewachsene Buch, für gefährdet, und übereifrige Diener des Fürsten mögen
auch schon damals weiter gegangen sein als der Fürst selbst. (Vgl. z. B. Duncker, a. a. O.
S. 115.) Dass in der Umgebung des Fürsten Persönlichkeiten vorhanden waren, die zu weiteren
Reformen drängten, wie insbesondere Curt von Börstel, und dass der Bruder des Fürsten,
Christian, der als Statthalter in der Oberpfalz residirte, für energischere Maassnahmen war,
blieb nicht unbekannt und musste die Erregung steigern, so dass die Ritterschaft sogar die
Intervention des Kurfürsten von Brandenburg anrief.
Trotz aller Verklausulirungen war es doch gewiss auch nicht unbedenklich, dass Am-
ling, der erste Theologe des Landes, in einer Schrift 1588/1599 seine Unterschrift unter das
Bekenntniss Joachim Ernst’s als aus Irrthum abgegeben erklären konnte.
Es ist wohl dem gesunden Sinne des Fürsten Johann Georg, der auch durch den un-
leugbaren Widerstand weitester Kreise bedenklich geworden sein mochte, zuzuschreiben, dass es
zu einer plötzlichen und gewaltsamen Umänderung des Kirchenwesens nicht kam, sondern dass
lediglich im Wege einzelner Reformen eine langsame Annäherung an den Typus der pfälzischen
Kirche versucht wurde.
So konnte denn der Fürst im Landtagsabschiede vom 6. April 1598 den Ständen be-
ruhigende Erklärungen abgeben, wenn er auch uicht gesonnen war (wie aus diesen Erklärungen
vielfach irrig entnommen wurde; Zerbst, Superintendentur-Archiv, XXVIII, Bl. 100; Duncker,
S. 179 ff.) seine Reformen wieder rückgängig zu machen oder auf ihre Durchführung zu
verzichten.
Bemerkenswerth ist in diesem Abschiede einerseits, dass die Stände sich, wie aus dem
Wortlaut des Abschiedes erhellt, bei einer mündlichen Erklärung des Fürsten nicht be-
ruhigen zu sollen glaubten, sondern ihre Aufnahme in den Abschied verlangten — und
andererseits, dass der Fürst seine Erklärung nur unter einem Vorbehalt abgab „unserem iure
supremae inspectionis hiermit keineswegs icht was begeben“, womit er natürlich alle
möglichen Maassnahmen rechtfertigen konnte. Er war in der That zu weiteren Reformen
entschlossen. Und diese sollten sich nicht bloss auf äussere Ceremonien beschränken. Eine
Commission von Theologen und weltlichen Räthen, die im Februar 1599 tagte, machte u. A.
den Vorschlag: „Allhier ist unser einfältig bedenken, dass zur erbauunge am erspriesslichsten
sei, weil auf e. f. g. gnädigen befehl der catechismus Lutheri albereit vom ministerio revidirt
und durch ergänzung des decalogi samt erklärung der lehre von den beiden sakramenten mit
hinzusetzung ezlicher wenig fragen vermehret, dass neben dem kleinen heidelbergischen cat-
echismo, hierbei überschicket, und zwanzig bekannten für die gar einfältigen solch büchlein als
Das Fürstenthum Anhalt.
zunächst nur auf Abschaffung einiger Gebräuche richtete, die als Adiaphora an sich den Bekenntniss-
stand nicht berührten. Die Fürsten motivirten daher auch ihre Reformen mit Aussprüchen
Luther’s. Und man darf doch auch den wiederholten Versicherungen des Fürsten, dass eine
Änderung in der Lehre nicht beabsichtigt sei, wie z. B. vom 3. Juni 1597 (Duncker, a. a. O.
S. 139), den Glauben nicht versagen. Auch die Streitschriften der Anhaltiner und der
Wittenberger (die ich hier nicht näher behandeln kann, die ich aber sämmtlich durchgesehen
habe), betreffen immer nur vier Punkte: Abschaffung der Bilder, das Brotbrechen beim Abend-
mahl, Einführung ausschliesslich deutscher Gesänge und die Änderung der Anordnung der zehn
Gebote. (Über letzteren Punkt sofort.)
Wenn diese Änderungen an sich auch verhältnissmässig unbedeutend waren, so kann
man doch die Erregung verstehen, welche sie im Lande hervorrufen mussten. Denn es war doch
nicht zu leugnen, dass sie thatsächlich dem reformirten Ritus entsprachen und es lag nahe, in
ihnen die Anfänge noch viel weiter gehender Reformen zu erblicken.
Die Vorschrift, die 10 Gebote in reformirter Zählung zu lehren, stiess auf ganz beson-
deren Widerstand, denn man hielt dadurch den ganzen Katechismus Luther’s, dieses dem Volke
so sehr an’s Herz gewachsene Buch, für gefährdet, und übereifrige Diener des Fürsten mögen
auch schon damals weiter gegangen sein als der Fürst selbst. (Vgl. z. B. Duncker, a. a. O.
S. 115.) Dass in der Umgebung des Fürsten Persönlichkeiten vorhanden waren, die zu weiteren
Reformen drängten, wie insbesondere Curt von Börstel, und dass der Bruder des Fürsten,
Christian, der als Statthalter in der Oberpfalz residirte, für energischere Maassnahmen war,
blieb nicht unbekannt und musste die Erregung steigern, so dass die Ritterschaft sogar die
Intervention des Kurfürsten von Brandenburg anrief.
Trotz aller Verklausulirungen war es doch gewiss auch nicht unbedenklich, dass Am-
ling, der erste Theologe des Landes, in einer Schrift 1588/1599 seine Unterschrift unter das
Bekenntniss Joachim Ernst’s als aus Irrthum abgegeben erklären konnte.
Es ist wohl dem gesunden Sinne des Fürsten Johann Georg, der auch durch den un-
leugbaren Widerstand weitester Kreise bedenklich geworden sein mochte, zuzuschreiben, dass es
zu einer plötzlichen und gewaltsamen Umänderung des Kirchenwesens nicht kam, sondern dass
lediglich im Wege einzelner Reformen eine langsame Annäherung an den Typus der pfälzischen
Kirche versucht wurde.
So konnte denn der Fürst im Landtagsabschiede vom 6. April 1598 den Ständen be-
ruhigende Erklärungen abgeben, wenn er auch uicht gesonnen war (wie aus diesen Erklärungen
vielfach irrig entnommen wurde; Zerbst, Superintendentur-Archiv, XXVIII, Bl. 100; Duncker,
S. 179 ff.) seine Reformen wieder rückgängig zu machen oder auf ihre Durchführung zu
verzichten.
Bemerkenswerth ist in diesem Abschiede einerseits, dass die Stände sich, wie aus dem
Wortlaut des Abschiedes erhellt, bei einer mündlichen Erklärung des Fürsten nicht be-
ruhigen zu sollen glaubten, sondern ihre Aufnahme in den Abschied verlangten — und
andererseits, dass der Fürst seine Erklärung nur unter einem Vorbehalt abgab „unserem iure
supremae inspectionis hiermit keineswegs icht was begeben“, womit er natürlich alle
möglichen Maassnahmen rechtfertigen konnte. Er war in der That zu weiteren Reformen
entschlossen. Und diese sollten sich nicht bloss auf äussere Ceremonien beschränken. Eine
Commission von Theologen und weltlichen Räthen, die im Februar 1599 tagte, machte u. A.
den Vorschlag: „Allhier ist unser einfältig bedenken, dass zur erbauunge am erspriesslichsten
sei, weil auf e. f. g. gnädigen befehl der catechismus Lutheri albereit vom ministerio revidirt
und durch ergänzung des decalogi samt erklärung der lehre von den beiden sakramenten mit
hinzusetzung ezlicher wenig fragen vermehret, dass neben dem kleinen heidelbergischen cat-
echismo, hierbei überschicket, und zwanzig bekannten für die gar einfältigen solch büchlein als