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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0576

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562

Das Fürstenthum Anhalt.

muglich in allen iren kirchen nach dem gebrauch
der kirchen Zerbst in allen hohen festen sontagen,
aposteltagen , am tage der heimsuchung Mariae
matris virginis, am tage Sanct Johannis baptiste,
Magdalenae und Michaelis in iren kirchen umb
einander, in einer frue, in der andern etwan umb
neun uhr das evangelium predigen, und da die
letzte predig geschehet, des hern mahl halten sollen,
do anders communicanten vorhanden weren, das
also soviel immer muglich in allen dorfern und
flecken unser g. f. auf gnante heilige tage das
evangelium gepredigt wurde, da aber solchs nicht
gescheen konte, das ja beide negste dorfer in eine
kirchen zu einer predigt komen.
Zum vierten haben wir in allen flecken und
dorfern dieser superattendens verordnet, das die
pfarrhern sampt den custern um den anderen
festage ader sontage, da sie die letzte predigt
gethan und vieleicht das heilige mahl des hern
gehalten haben, auch des nachmittags etwan um
ein uhr den catechismum treulich handeln, den
alten und jungen leuten oft vorsagen und ver-
kleren und sie zu erkentnus und furcht gottes
und zum gebet fuhren und ihnen die schonen
deutsche kirchen lieder Martini Lutheri von den
festagen und hohen werken Christi vorsingen und
ihre pfarkinder auch also die wunder werken
Christi nicht allein verstehen und reden, sondern
auch lernen singen sollen, uf das sie desto ehr zu
gottes erkentnus komen und ire christliche ubung
in der gemein Christi haben und ime fur seine
wolthat loben mugen, die schultheisse und richter
derselben gemein sollen inen auch hirzu getreu-
lich helfen und niemand, wider junge noch alte,
ohne sonderliche hohe ursache aus der kirchen
und predig des catechismi und evangeliums
willen1) lassen bleiben, und wo der catechismus
des nachmittags gepredigt wird, doselbst wollen
und sollen2) die menner irem pfarhern und kuster
nach irem vermugen die malzeit geben3).
Zum funften haben wir aus bedenklichen ur-
sachen verordnet und bevohlen, das in allen
kirchen neben den vorstendern der pfarrherr
oberster vorsteher sol sein und das register der
kirchen schult und der einahme und ausgabe
vleissig verwaren4), das gebeu der kirchen und
kirchen heuser fordern und des jar einmal neben
den vorstehern vor der gemeine rechnung thun,

1) „willen“ gestrichen.
2) „und sollen“ von Fabricius hinzugeschrieben.
3) Von Fabricius: Hie muss auch eine zimliche
furstliche straf angehangen werden, dass wer on erheb-
liche ursach und erleubnis des schultheisen oder pfar-
herrn aus itz gemelten predigten bliebe und sein gesinde
draussen hielte, einen groschen zur strafe gebe, halb
der nachbarschaft und halb der kirchen.
4) Von Fabricius: ader die vorstender sollen das
gelt einnemen und ausgeben.

und dem superattendenten gethaner rechnung ein
abschrift geben sollen, damit der auch wissen
muge, wie doselbst mit den kirchen gutern geburt
wird1).
Zum sechsten, haben wir auch allen pfar-
herrn und vorstehender bevohlen, das sie iren
altar und tauf stetlich rein halden mit weissen
leinen tuchern ader tapeten zieren, ir2) gemess
gewand und was sonst zum gebrauch des heiligen
mahls Christi gehort, desgleichen auch das crucifix,
als ein erinnerung des leidens Christi, vor uns
zur seligkeit geschehen, im zierlichen wesen und
ehren halten sollen.
Zum siebenden haben wir den custern allent-
halben bevohlen, das sie iren pfarhern treu und in
kirchen sachen gehorsam sein, alle morgen und
abende zum gebete leuten, ire kirchen des jars
viermal kehren, das altar und tauf fass rein halten,
das messgewand, wie ihnen angezeigt, ordentlich
zusamen legen, und die vornembste deutsche
psalmen, zu Zerbst unsern kirchen gebreuchlich,
neben den pfarhern in irer gemein unter der
mess und catechismo fein ordentlich singen, und
die gemein mit zusingen anfuhren sollen, auf das
die ire christliche ubung habe, und gott auch
lerne loben, wie sie dan solchs alles hie in unsern
kirchen des ein gut exempel haben3).
Zum achten, haben wir den burgern in flecken
und bauern in dorfern ernstlich bevohlen, das sie
iren pfarhern als iren seelsorger in ehren und
wirden halten, und nach gebrauch dieser lande
von iren eckern die dreissigste garbe und alle
geburliche pflicht, im visitationbuch verzeichnet,
getreulich geben, und keine frucht von acker
fuhren, noch furen sollen lassen, es habe dann
der pfarherr seinen geburlichen theil davon oder
haben ihme denn zuvor ausgesetzt und angezeigt,
wie auch unsere gnedige fursten inen selber uf
dem landtage anno domini 1561 zu Zerbst im
schlosse ernstlich bevohlen haben, auch das sie
irem kuster seine geburliche umgenge und lohn,
auch im visitation buch angezeigt, unweigerlichen
geben, und wider mit im, noch mit ihren pfar-
hern keinen zank noch uneinigkeit anrichten sollen,
do sie aber mangel an sie und die iren hetten,
das sie solchs dem superattendenten oder der
obrigkeit zuverrichten anzeigen sollen, desgleichen

1) Von Fabricius: Die barschaft aber, so in einer
iglicher kirchen ist, sol nicht der pfarher, sondern umb
bedenklicher ursachen willen die vorstender im gottes
kasten haben und wie furgesagt mit des pfarhern wissen
und willen innemen ausgeben und verwalten.
2) Korrigirt: mesgewand.
3) Von Fabricius: Wa aber keine köster in dorfen
wonen, und derhalben, wie fur gesagt, zum gebet nicht
leuten kunten, da sollen die nachbarn umbher nach
einander da zu leuten, wie denn nu an vielen orten im
gebrauch ist.
 
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